Stehts zu Diensten, Meister!

Ein Erzählspiel der Narativa-Reihe

Mit der Reihe der Narativa hat Ulisses zur RPC 2014 einen Versuchsballon gestartet: „Klassische“ Erzählspiele, welche zu einem Großteil aus den Entwicklungskanälen der Forge entsprungen sind, werden in kleinen Luxusauflagen herausgebracht. Ich betrachte hier jetzt eines der PDFs aus dieser Reihe.

„Stehts zu Diensten, Meister.“ ist die Übersetzung von „My Life with Master“ von Paul Czech.

In „Stehts zu Diensten, Meister.“ spielt man die Handlanger eines despotischen Meisters in einem nicht näher bestimmten europäischen Dorf irgendwann im frühen 19. Jahrhundert. Inhalt des Spielgeschehens ist es, die vom Meister aufgetragenen Befehle, welche in der Regel das nahe gelegene Dorf betreffen, zu erfüllen. Hierbei muss man sich einer besonderheit zuerst im klaren sein, welche so nicht ganz Typisch für die meisten Forge-Titel ist: Das System ist in seinen Mechanismen auf eine Minikampagne ausgelegt. Sprich: Der zwar durchaus Zielgerichtete Fokus dieses Systems stellt die Möglichkeit für mehrere Spieleabende auf. Zwar immer noch im Sinne des häufig den Forgespielen vorgeworfenen One-Trick-Pony-Charakters, aber mit längerer Ramenhandlung.

Dieser Meister ist ein Konsenskonstrukt der gesammten Runde und wird (weil er auch die Natur der Spielercharaktere definiert) gemeinsam am Tisch erstellt, bevor die Charakter erschaffen werden. Dabei bestimmt Grob gesagt eine Klassifizierung, die aus Aspekt und Typus besteht, seine Wünsche und Bedürfnisse hervorhebt und sich noch auf Werte in Schrecken und Vernunft konzentriert.

Diese für den Uneingeweiten sehr Abstrakten begriffe betreffen gleich mehrere Funktionen des Meisters im Spiel. (Und damit verbunden sind sie letzten Endes auch die Kathegorien, welche umschreiben wie der Meister am Ende im Spiel sich verhällt und Auftritt. Handelt es sich z.B. um den Typ verrückten Wissenschaftler, der eine tiefgreifende Erkenntnis über die finsteren Geheimnisse des Universums sucht und dafür bestimmte Proben braucht, welche seine Untergebenen ihm aus der Umgebung holen sollen, oder ist er eventuell doch die Bestie, welche als Vampir nach dem Blut junger Damen lechzt, aber Zeitgleich auch deren romantischen Gefühle zu erreichen sucht?)

Das ist in Sofern von Bedeutung, weil erst im zweiten Schritt über diesen Meister die Handlanger und damit die Spielercharaktere definiert werden. Sie erfüllen für den Meister bestimmte Aufträge, sind aber auch mit der Stadt, die sie für den Meister heimsuchen verzahnt. (Sprich: Jeder Spieler erschafft seine eigene Relationship-Map und steuert dem Spiel ein paar NSCs gleich mit bei, auf die im späteren Spiel zurückgegriffen wird.) Grundsätzlich spielt sich hierbei alles um eine Aneinanderreihung von Werten, die bestimmte Pools aus W4 bilden, die anschließend dabei helfen, den Ausgang verschiedener Szenen mechanisch zu bestimmen.

Scs stellen sich dabei aus verschiedenen, zentralen Werten zusammen: Zum einen gibt es die jeweilige Eigenschaft, in der sie jeweils besser oder schlechter als ein Mensch sind. Das sind besondere Charakteristiken, die sehr zentral auffällig sind.

Dann gibt es noch die Variablen Werte, Selbstverachtung und Ermattung, die im Verlauf des Spiels als Auslage aus den einzelnen Szenen steigen und fallen können und einen direkten Einfluss auf die Möglichkeiten bieten, wie der SC im weiteren Verlauf gegen den Meister aufbegehren kann, oder überhaupt Handlungsfähig ist.

Als dritter variablen Wert gibt es noch den Wert der Liebe: Diesen steigert man als konsequente Handlung durch die Interaktion mit bestimmten NSCs. Dieser besondere Wert ist deswegen von gesonderter Bedeutung, weil er das Ziel des Spiels markiert: Die Überwindung des Meisters durch die Handlanger.

Den Abschluss dazu bilden dann noch einige allgemeine Hinweise und zusätzliche Spieltips. Genauso wie ein paar Ratschläge geboten werden, das Spiel entgegen der eigentlichen Intention dahinter an nur einem Abend zu verwirklichen.

Und natürlich wird hier noch eine Beispiel-Spielsitzung beschrieben, in der zwei Handlanger sich um ihren Meister bemühen, um seine Gunst zu gewinnen.

Auf den insgesamt 72 Seiten des PDFs sind natürlich auch wieder einige illustrationen im bewährten Schwarz-Weiß-Stil enthalten. Quelle dafür ist erneut die italienische Fassung, welche einen deutlich anderen Stil vorweist, als die ursprüngliche Fassung. In diesem Fall handelt es sich um einen sehr sauber, fast schon als klinisch zu bezeichnenden Inkstil, der eher durch seine Konturen den Eindruck erweckt, dass man hierbei auf lange Zeit eine kolorierte Ausgabe geplant hatte. Diese Funktion erinnert aber trotz alledem an einen eher noch nicht realistischen Comcistil, der aber sehr nahe an diesem Ziel dran ist und beinahe an den hierzulande vorherrschenden Comicstils erinnert, der sich an den US-Superheldencomics orientiert. Das ganze macht angesichts des sehr düsteren gesamteindrucks des Settings einen stimmigen Eindruck.

Fazit

Ich will hier nicht lange darüber diskutieren wie gut oder schlecht der Eindruck ist, den man vom One-Trick-Pony-Charakter der Forgespiele hat. Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Schön ist es auf jeden Fall zu sehen, dass trotz der Philosophie der One-Shot-Systeme, welche eigentlich hinter den ganzen ursprünglichen Indie-Entwicklungen aufgebaut wurde, doch bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt (My life with Master stammt von 2003) bereits mit Minimalkapmpagnen-Ideen experimentiert wurde. (Man kann hier also bereits einen Wegbereiter für den derzeitigen „Abschluss“ der gesamten Diskussion, das Fate-System, sehen.)

Positiv ist die sehr abstrakt gehaltenen Mechanismen, welche sich bereits auf der Metaebene auf das Szenenbestimmen von Konflikten konzentrieren, die konkrete Ziele haben und durch einen, für diese Szene dann aber sehr zentralen (wenn auch manchmal vergleichenden) Würfelwurf bereits alles anschließend bestimmen. Die Vorstellung dahinter ist, dass die Interaktion zwischen den Charakteren und ihrer Umwelt als Konflikt verstanden ausgeschmückt und in Szene gesetzt werden sollte, wobei die Würfel zwar das zentrale Gestalltungsmedium, nicht aber die Zeitaufwendigste Handlung des Ganzen sein sollen. (Man erhält zwar das Würfelergebnis, aber dessen Bedeutung wird immer noch durch das Erzählen der Szene interpretiert, nicht – wie klassischen Systemen eher genutzt – umgekehrt.)

Insofern wird zwar gerade hier der forgetypische Brettspielcharakter nur zu deutlich in der Nutzung bewusst (das einzige, was mir in einem Forge-Spiel noch fehlt wäre eine s.g. Kramerleiste) aber dennoch bemerkt man den Fokus der erzählten Geschichte nur all zu deutlich in jedem einzelnen Wert, wenn man seine Funktionen innerhalb des ganzen Systems beobachtet.

Gewöhnungsbedürftig ist zwar die Idee, mit einem Mal Unmengen an W4 sich zulegen zu müssen, weil dieser Würfel für Pool-Systeme dann doch etwas unvertraut ist, aber letzten Endes gibt es in dem Bereich wohl schlimmeres, als das man sich plötzlich in der Wohnung an den vergessenen Überresten des letzten Spielabends verletzt.

Der ungewöhnliche Fokus des Spieles ist es dabei, der das Ganze besonders Interessant macht. „Stehts zu Diensten, Meister.“ bewegt sich gerade eben weg vom häufig propagierten, überlegenen Heldentum und sucht eher in den psychologischen Untiefen des geschundenen Wesens nach dem Moment, wo alles nach einem Ventil sucht. Insofern handelt es sich hierbei vermutlich um den Titel der Narativa-Reihe, der trotz seiner seltsamen Voraussetzungen vermutlich das Potential hat die erinnerungswertesten Runden zu produzieren.

Mit freundlicher Unterstützung in Form eines Rezensionsexemplars von der Ulisses-Spiele GmbH und dem F-Shop.

1 Kommentar zu Stehts zu Diensten, Meister!

  1. Wo kommt eigentlich die ganze Zeit das „h“ her?

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