Spielleiterängste – Anfangen
Gedanken von Infernal Teddy
Ich möchte euch ein wenig Einblick geben in mein Dasein als Spielleiter. Für mich gibt es nämlich als SL zwei Situationen die für mich schwer zu meistern sind und mir wenn nicht schlaflose Nächte, dann doch zumindest Kopfschmerzen bereiten. Das erste sind Kampagnenanfänge, das andere entsprechend auch Kampagnenenden. Heute möchte ich zunächst mit euch über Kampagnenanfänge sprechen, das andere Thema heben wir uns für einen anderen Tag auf.
Jeder der schon mal geleitet hat, egal ob er oder sie eine vorgefertigte Kampagne zur Hand hat oder sich alles selbst ausdenkt, kennt die Situation: die Charaktere sind gebaut, man hat sich Notizen gemacht zu ihren Hintergründen, hat sich wahrscheinlich sogar Gedanken dazu gemacht, wie man die Charaktere von Punkt A zu Abenteuerbeginn B bekommt. Und dann sitzen sie vor einem, die Spieler, und schauen einen erwartungsvoll an, mit Vorfreude auf die kommenden Abenteuer… und ein Schalter im Kopf wird umgelegt, die ganzen guten Ideen sind weg, und alles was man noch zusammen gestammelt bekommt klingt nach: “….öhm… ihr trefft euch in einer…. Bar?”. Nicht gut, gar nicht gut – geht es nur mir so?
Was löst nur diese “Kaninchenstarre” aus? Für mich ist es einfach Lampenfieber. Im Sommer werden es 24 Jahre sein seid ich das erste Mal einen W20 gewürfelt habe, und leiten tue ich fast genauso lange wie ich spiele. Und dennoch ist es immer noch so, das ich zu Beginn einer neuen Kampagne so nervös bin, das ich Gefahr laufe alles zu verhauen. Auf der einen Seite sind es natürlich meine eigenen Erwartungen an die Kampagne, die beginnen soll – ich habe mir wahrscheinlich ausgemalt was ich davon erwarte, Szenen die ich mit den Charakteren spielen möchte, und so weiter. Ich mache mir Druck, ich setze in mich selbst zu hohe Erwartungen, und das macht sich dann natürlich bemerkbar. Die Kehrseite der Medaille ist natürlich die Erwartungshaltung der Spieler. Man bildet sich das als Spielleiter auch oft ein, aber wenn die Spieler einen so über den Tisch hinweg anschauen, die Augen voller Vorfreude, so hat man – okay, dann habe ICH – das Gefühl, die Spieler erwarten eine erzählerische Meisterleistung die eines Homers nahe kommt. Oder zumindest das man ihnen ein cooles Abenteuer anbieten kann. Man macht sich also nicht nur selbst Druck und bekommt – meist unterbewusst – Druck von Außen, kein Wunder das dann die Synapsen kurz auf “Tilt” stellen. Wie kann man jetzt damit umgehen?
Die übliche Antwort auf diese Frage ist “Dann nimm dir doch eine vorgefertigte Kampagne, dann hast du doch alles was du brauchst”, aber das löst ja nicht das Problem, denn der Druck ist immer noch da – in meinem Fall ist er dann sogar noch schlimmer, denn ich muss mich dann auch noch auf eine für mich gänzlich fremde Art zu leiten umstellen. Außerdem muss man dann immer noch das Abenteuer auf die eigenen Bedürfnisse anpassen beziehungsweise für die eigene Gruppe immer noch einen Einstieg finden oder bauen damit die Gruppe zusammen kommt und den Einstieg in die eigentliche Kampagne findet. Ich habe jedenfalls noch keine für mich wirklich funktionierende Lösung gefunden, und wenn mein Einstiegsabenteuer doch mal funktioniert, bzw. es den Spielern gefällt, dann ist das entweder ein Zufall, oder trotz und nicht wegen meinen Vorbereitungen. Demnächst gibt es dann an dieser Stelle etwas zu meiner anderen großen Angst – Kampagnenenden.
Danke für deinen ehrlichen & offenen Einblick.
In den letzten Jahren habe ich zwar ab und an geleitet, war aber v.a. als Spieler aktiv. Beim Spielen/Leiten (egal welches System) sind mir zwei Grund-Typen des SL aufgefallen: 1) Die SL, die alles vorbereitet haben wollen (oder den Anspruch haben, den Spielern möglichst viel zu bieten) und die 2) anderen, die fast nur improvisiert haben. Beides ging je nach Gruppe unterschiedlich gut. Während des Fortlaufs der Abenteuer oder der Kampagne sah man teils deutlich, worauf die Spieler eigentlich Bock haben und welche Elemente des Abenteuers
ihnen Spass machen – entsprechend habe ich als SL diese Bereiche angepasst/betont und kam weg vom minutiös vorbereiten hin zum “modul-artigen” Puzzleteilen und viel Luft für Improvisation.
Was ich früher als SL schwierig fand: Wenn immer wieder Spieler kommen und gehen & man die div. Charas in eine laufende Geschichte einbauen darf… (aber das ist ja ein ganz anderes Thema.)
Vorgefertigte Kampagnen einfach übernehmen? – Nein. Aber als Grundlage nehmen und dem eigenen Spielstil anpassen und den Rest der Gruppe und dem Zufall überlassen! :-) Die Abenteur/Kampagnen, die ich 1:1 übernommen hatte, waren rückblickend flop-gefährdet, hätte ich nicht während dem Leiten improvisiert und abgeändert.
Wegen deinem “Druck” (ich würde es eher “Anspruch” nennen): Hast du schon mal als SL in einer deiner Gruppen darüber gesprochen? Habt ihr mal die Erwartungen/Erwartungshaltung thematisiert? Vielleicht wird der Druck für dich einfacher, wenn du weisst, was die Gruppe besonders interessiert – und was nur dich als SL stresst und die Spieler in Wahrheit gar nicht?
Ein anderes gutes Mittel: Ich war mal in einer Gruppe (wenig Mitspieler), in der wir den Hut des SL turnus-artig gewechselt haben. So sanken mit der Zeit auch die unrealistischen Erwartungen der Spieler :) da jeder mal die SL-Sichtweise hatte. Würde ich jeder Gruppe empfehlen!
Danke für den Einblick – das Grundproblem der schwierigen Anfänge und Enden kann ich durchaus nachvollziehen, aber “Lampenfieber” wäre nicht mein erstes Hindernis…
Du solltest herausfinden, woher das kommt – hast du häufiger neue Spieler, hilft vielleicht vorab ein besseres Kennenlernen.
Mein Tip wäre, Kampagneneinstiege “schleichend” zu machen – ich mach das ganz gern mit neuen Runden. Nicht “ihr trefft euch in einer Bar”, sondern einen individuellen Einstieg für jeden Charakter in die Szene, wobei die anderen erst nach und nach dazukommen. Beispielsweise sitzt Charakter 1 mit einem für ihn relevanten NSC in der Bar und Spieler 1 am Tisch. Charakter 2 kommt gerade draußen an und sieht eine Rockerbande vorfahren, bevor er das Lokal betritt. Im Lokal gibt es bereits irgendeinen Zoff, z.B. mit einem betrunkenen Schläger – wenn sich Charakter 1 nicht einmischt, stößt jener zufällig mit Charakter 2 zusammen, wenn der eintreten will. Charakter 3 wird, als er ankommt, auf dem Parkplatz von den Rockern direkt angegangen und schickaniert – kommt es draußen zu Ärger, können C1 und C2 von drinnen rauskommen und einschreiten – ansonsten folgen die Rocker C3 und der große Stunk in der Bar beginnt. Der zufällig vorbeikommende C4 wird von einer verirrten Kugel getroffen – oder alle Charaktere zusammen von der eintreffenden Polizei vorsorglich mitverhaftet.
Nur mal als Bar-Beispiel – der Punkt ist, dass das Spiel mit nur einem Spieler beginnt, während die anderen sich nebenan noch warmlaufen können, und dann “tröpferlweise” ins Spiel einsteigen. Für dich als SL hat das den Vorteil, dass du die Sache lockerer angehen kannst, weil nicht alle sofort gleichzeitig bespaßt werden müssen – aber wenn die Spieler dann kommen, sind sie erstmal direkt im Spotlight und in der Action.
Das Problem, dass an Tisch auf einmal alle Ideen weg sind, kenne ich. Ich kann einfach schlecht improvisieren kann und darum bereite ich mich vor. Es klingt so, als könnte das bei dir auch helfen. Ich bereite dabei nicht unbedingt konkrete Plots vor, sondern auch nur Szenen, Orte, NSCs oder was auch immer zu dem Zeitpunkt sinnvoll ist. Wenn du deine Ideen, die vor dem Platznehmen hinter dem Schirm hast, auf diese Art konserviertst, dann bleiben sie vielleicht gut genug präsent (“Wo war ich? Ach ja, hier steht…“).
Im Gegensatz zu Andreas würde ich vorschlagen mit einem Knall zu starten. Ein Kampf, ein NCS, der die Charaktere mit etwas konfrontiert etc. Dann hat du für dich einen recht klar definierten Start und es gibt gleich Action, die die Spieler zum handeln treibt oder gar zwingt und dieser “leere“, lethargische Moment, der beim Start gerne einmal entsteht ist automatisch weg.
Eine sanfte Einführung für einzelne Charaktere führt dazu, dass einzelne Spieler herumsitzen und die Begeisterung und Energie eines Kampagnenstarts einfach ungenutzt verpufft.
Kann man natürlich auch machen, erfordert aber mAn gerade im Startmoment mehr Aufmerksamkeit und Engagement vom SL – spannende Kämpfe zu machen ist in vielen Systemen gar nicht so trivial. Und gerade wenn man Startschwierigkeiten hat, finde ich es einfacher, es möglichst stressfrei für den SL angehen zu lassen.
Das geht mit dem von mir beschriebenem Langsamen Loslegen dadurch, dass man die ersten Szenen recht gut vorbereiten kann, auch mit einer eigenen Szenen-Dramaturgie; jeder Spieler, der einsteigt, wird dann mitten in ein immer weiter eskalierendes Geschehen geworfen, das man als SL aber langsam im Aufbau steuern kann.
Meiner Erfahrung nach steigt die Motivation der meisten Spieler auch durchaus, wenn sie auf ihren ersten Einsatz etwas warten müssen – besser geht das aber, wie geschrieben, wenn die Spieler der noch nicht anwesenden Charaktere auch tatsächlich noch nicht mit am Tisch sitzen. Wenn alle schon rumsitzen und nur zuhören dürfen, ist das nicht halb so gut, da hast du recht.
Vielleicht gibt uns Teddy mal ein Beispiel von einem Kampagneneinstieg, der geklappt hat, und einem, der nicht geklappt hat. Das würde mich tatsächlich interessieren, ob man da systematische Unterschiede jenseits der Tagesform findet – etwa Notizenstruktur, beteiligte Charaktere/Spieler, etc.
Da könnten wir sicher alle was draus lernen.