Das Leben eines Gezeichneten – Teil 30
Grenzenlose Macht - Teil 3
9 Rondra
Einer der Zwerge war tot aufgefunden worden, und er schlief auch noch im selben Zelt wie der kleine irre Zwerg, der sich unserer Reise in Greifenfurt aufgedrängt hatte. Die Zwergenzelte lagen nahe bei denen der menschlichen Arbeiter und wir begaben uns gesammelt dort hin um nachzusehen, ob wir eine Spur finden würden.
Der Zwerg war erdrosselt – mit einer feinen Schnur – und dann wieder in sein Bett gelegt worden. Natürlich hatte der andere Zwerg, der vor zwei Tagen für einigen Wirbel gesorgt hatte, als er auf zwergisch irgendwelche Verwünschungen aussprach – Latu hatte mir davon berichtet – nichts von dem Ganzen gesehen.
In den Händen des Toten hingen zwei lange harte graue Haare, wie von einem langen Bart, den die Zwerge hier tragen, aber ebenfalls der Wanderer von gestern. Einen weiteren Hinweis fand Greifwin unter seinem Bett. Eine kleine Zeichnung die die Elementsymbole und das Madamal darstellte, dessen Sinn und Zweck sich mir aber nicht erschloss.
Wir befragten zunächst die anderen Zwerge, dann die Arbeiter, aber niemand hatte einen graubärtigen Fremden gesehen, dafür war aber anscheinend im Lager der Menschen eine Krankheit ausgebrochen. Drei der Arbeiter klagten über Husten und Schmerzen in der Brust.
Der Wanderer, der sich ja als Kräuterkundler zu erkennen gegeben hatte, verordnete den Kranken eine strenge Bettruhe und ich schlich mich davon um im Heilkundebuch des verschwundenen Magiers nach der Krankheit zu suchen. Es war eine südländische Krankheit, die man sich eigentlich hier oben nicht zuziehen konnten, was mich doch sehr verwunderte.
Wieder im Kloster trat einer der Praioten aufgeregt auf uns zu und erzählte, dass alle Pflanzen im Kräutergarten um mehr als einen halben Schritt gewachsen seinen. Ich sah mir das ganze an, konnte aber nichts außergewöhnliches feststellen – außer natürlich der Tatsache, dass sie deutlich größer waren als gestern.
Während meiner Nachtwache sah ich eine Gestalt in den Tempel schlüpfen, offensichtlich wollte sie unbemerkt bleiben und ich schlich hinterher zur Tür um nachzusehen, was derjenige dort trieb. Bevor ich noch darüber nachdenken konnte, ob ich jetzt die Tür öffnen sollte, oder nicht, schob sich die Dunkelhaarige hervor und öffnete sie ohne den geringsten Laut.
Drinnen war es vollkommen dunkel bis auf die erhellte Tempelwand mir gegenüber, auf der jemand gerade mit roter Farbe – Blut? – etwas schrieb.
Ich trat langsam vor und räusperte mich etwa drei Schritt entfernt, und der Beschmutzter drehte sich um – es war der Aushilfsgeweihte, also der junge Bursche, der hier wohl irgendwann einmal Praiot werden würde. Da ja nach wie vor Magie innerhalb der Mauern verboten war zog ich ihn hinaus um dort einen einfachen Test durchzuführen. Er war beherrscht worden, trug also nur indirekt Schuld an jener Tat.
Bevor ich mir jedoch weitere Gedanken über das wer machen konnte, ertönten Alarmrufe und die Mauern wurden von einer großen Gruppe Orks gestürmt.
Ich stieg hinauf auf die Mauern und betrachtete den Kampf der zügig ein Ende fand. Die Orks liefen wieder zurück woher auch immer sie gekommen waren, und über das Kloster legte sich die Stille der Nacht in der es eigentlich hatte verbleiben sollen.
10 Rondra
Der Vormittag verlief relativ ruhig, sah man einmal davon ab, dass drei Pilger des Weges kamen und behaupteten sie hätten etwa drei Stunden von hier entfernt jemanden getroffen, der ihnen 13 Silbermünzen in einem Beutel gegeben hätte – für uns… Die Praioten nahmen das ganze auch direkt ernst und behaupteten ihrerseits, wir hätten ja noch überhaupt nichts gegen die Vorfälle unternommen und seit wir da wären, wäre alles noch viel schlimmer geworden.
Wir konnten sie davon überzeugen, dass das alles ein Schwindel war um uns zu diffamieren und aus dem Kloster zu treiben, damit der Verursacher freie Hand hätte bei was auch immer er erreichen wollte. Einzige den – von mir mal als Aufsicht über die Ordnung bezeichnet – konnten wir nicht davon abbringen, dass alles unsere Schuld sei.
Latu und Greifwin machten sich während meiner Mittagswache auf den Weg um die Orks zu verfolgen, hatten aber nicht viel Erfolg, da sich ihre Spur in einem Geröllfeld verlor und nicht mehr aufzufinden war. Es hätte vermutlich auch keine neueren Erkenntnisse eingebracht.
Ich entdeckte eine Rauchsäule am Himmel aus einem der Nachbartäler und beschloss nach meiner Wache mit Latu aufzubrechen um die Ursache zu erforschen. Vielleicht war dies ja das Lager der Orks, wobei ich mir das eigentlich kaum vorstellen konnte. Wir liefen etwa eine Stunde einen felsigen Weg entlang und stießen relativ plötzlich auf ein Lager Goblins, die sich vor uns in den nahe gelegenen Wald zurückzogen und auch auf mein Rufen hin nicht wieder hervorkommen wollten.
Ich überlegte noch wie wir sie zum Reden bringen könnten, als der Boden leicht zu wackeln begann und Latu und ich uns langsam umdrehten. In der Ferne konnten wir eine Staubwolke auf uns zu kommen sehen, deren vorderste Elemente Hörner hatten. Etwas näher konnte ich erkennen, dass es eine große Gruppe männlicher Steinböcke war, die dort auf uns zu gerannt kam. In einiger Hast schob ich eine Harte Wand aus Luft vor uns, aber nachdem die ersten Böcke in vollem Lauf davor
gerannt waren, machten die anderen eine Bogen und versuchten uns von hinten anzugehen. Also erschuf ich auch dort Wände, konnte aber nicht verhindern, dass zwei der Tiere uns doch erwischten.
Wir warteten etwa eine halbe Stunde in dem oben offenen vollkommen durchsichtigen Glaskasten und die Tiere zogen wieder ab zurück auf die Berge aus denen sie gekommen waren. Zwei Tote, die ganz vorne gelaufen waren, lagen vor uns auf dem Gras und ich beschloss einen der beiden mitzunehmen und als Fell in meinem Turm zu verwenden.
Wir warteten noch eine Weile und zogen dann zurück in Richtung Kloster, als mir eine recht große Höhle auffiel. Neugierig lief ich gefolgt von Latu zum großen Eingang der Höhle und spähte hinein. Darin saß ein alter Man neben einem Haufen Bücher und einem goldenen Stab. Näher kommend, erhob er sich plötzlich und stellte sich uns in den Weg. Es wirkte recht amüsant, denn er schien nicht in einer Kampfverfassung zu sein. Sein Bart und seine Haare waren lang und verfilzt und als Latu auf ihn einredete offenbarte er uns mit einer heiseren Stimme, dass er hier seit fünf Götterläufen wohnte, weil er vor den Orks geflohen war, damit diese nicht seine Schätze raubten. Er war damals Bibliothekar des Kloster gewesen, wollte von uns aber nichts davon hören, dass die Orks schon lange nicht mehr auf dem Kloster hausten, und es jetzt wieder unter den Praioten stand.
Auch murmelte er etwas davon, dass er es nicht bekommen dürfe und in die Nähe seiner Bücher ließ er uns erst gar nicht, sondern gebärdete sich wie wild.
Wir beschlossen, dass Latu zurück zum Kloster gehen sollte um dort einige der Praioten als Beweis mitzunehmen, denn alleine hätten wir ihn kaum hinzerren können. Ich blieb vor Ort, damit er nicht in der Zwischenzeit verschwand. Außerdem mutete die ganze Situation schon recht bizarr an, denn er lebte ja höchstens eine Stunde vom Kloster entfernt, hätte also ohne Probleme selbst nachsehen gehen können.
Ich wartete also auf die Rückkehr Latus und hatte es mir am Höhleneingang bequem gemacht, als die Dunkelhaarige hinüber zu den Büchern schlich und eines davon aufschlug und darin blätterte. Der alte begann immer und immer wieder denselben Satz zu murmeln und sprang auf um seine Bücher und den Stab zu packen. Ich warf ihn zu Boden aber er hörte nicht auf zu reden, bis die Dunkelhaarige ihm ihren Fuß gegen den Kopf schlug, so dass er ohnmächtig wurde.
Es trat eine angenehme Stille in die Höhle ein und ich hatte endlich Zeit den Stab genauer zu betrachten. Er trug die selben Symbole wie das Stück Pergament das wir beim Zwerg gefunden hatten, und ich beschloss bei mir, dass es besser wäre wenn die Praioten nichts von dem Stab erfahren würden, da ich nicht wusste wen der Alte mit er meinte.
Es dauerte mehr als zwei Stunden bis Latu zurückkam und mit ihm drei der Praioten des Klosters, die den Alten ohne Gefühlsregung in ihre Mitte nahmen, ebenso wie die Bücher. Den Stab hatte ich vorsorglich hinter einem Busch vergraben und holte ihn nun wieder hervor um in großem Abstand den Praioten folgend am Fuß des Kloster bei den anderen Gegenständen wieder zu vergraben.
Diese Nachtwache verlief ausnahmsweise ohne weitere Zwischenfälle und ich konnte beruhigt einschlafen.
11 Rondra
Der jetzige Bibliothekar wollte offensichtlich mit uns sprechen, denn er hatte einen Zettel unter unserer Tür durchgeschoben, laut dem wir uns mit ihm nach dem Frühstück treffen sollten, da er eine sehr beunruhigende Entdeckung gemacht hatte. Da Greifwin der Meinung war, dass es eine Falle sein könnte, versteckte er sich oben auf dem Wehrgang und Latu und ich gingen zum verabredeten Zeitpunkt hinter die Ställe.
Als niemand eintraf vermutete ich schon, dass er inzwischen ob seiner Entdeckung ermordet worden und man berichtete uns auch kurz darauf, dass er tot aufgefunden worden war. Wir konnten leider nicht mittels seiner Aufzeichnungen rekonstruieren, was er uns denn hatte sagen wollen, und nahmen unseren normalen Wachrhythmus wieder auf.
Gegen Mittag trafen Fellhändler auf dem Kloster ein, die berichteten, dass sie vielleicht überfallen worden wären und ihr Begleiter – ein Elf – abhanden gekommen ist. Er könnte aber auch einfach so verschwunden sein und sie zeigten auch keinerlei größeres Interesse daran, die Sache aufzuklären.
Während meine Wache sich dem Ende zuneigte zog plötzlich ein Sturm über dem Kloster auf und der Himmel verdunkelte sich rasend schnell. Es begann zu Regnen und dann zu Hageln und der Wind riss mich vom Wehrgang auf dem ich stand hinunter in den Innenhof. Ich versuchte vor dem Sturm hinter einem Haufen Fässer Deckung zu suchen, aber noch immer wehte mir die Feuchte des Regens und Hagel ins Gesicht.
Es endete so plötzlich wie es aufgehört hatte, die Praioten dachten sicher, weil sie raus gerannt waren und laut zu ihrem Gott gebettet hatten, ich glaube das einfach die Magie, die für dieses unnatürliche Wetterereignis zuständig war, aufgebraucht worden war. Nutzlos natürlich ihnen das erklären zu wollen.
Die Praioten ließen uns zu sich kommen und begannen von neuem ihre Vorwurftirade über unsere Nutzlosigkeit – der Sturm hatte einige Gerüste zerschlagen, ebenso wie einen Teil der Kuppel und einige Arbeiter stark verletzt – und das morgen eh die Inquisition vorbeischauen würde, wir aber doch sicherlich noch weiterarbeiten sollten, bis unser Fall untersucht worden ist.
Latu warf recht deutlich ein, dass er unter diesen Umständen nicht bereit wäre auch nur eine Finger zu rühren, wenn wir ja eh nichts tun würden, was die anderen wieder so aufnahmen, als wolle er eine Schuld eingestehen, und sich das ganze recht hoch schaukelte und wir das Kloster auf weiteres nicht mehr verlassen dürften.
Natürlich würde ich direkt das Kloster verlassen und nach einem Gespräch mit Latu und Greifwin, waren sie ebenfalls dieser Meinung, verschoben es allerdings auf den Abend, da es wohl leichter werden würde, wenn es dunkel wäre.
Kurz bevor wir aufbrechen wollten erschien mir die durchschimmernde Gestalt eines Magiers in einer der Ecken hinter dem Stall und berichtete, er sei gefangen genommen worden und würde nun auf einem goldenen Berg gefangen gehalten. Das musste der verloren gegangene Magier sein – hätten wir also zumindest etwas zu tun, während wir warteten bis die Inquisitoren weg sind.
Goldener Berg erinnerte mich an die Geschichte die ich in dem Sagenbuch gelesen hatte und Greifwin hatte bei einem der toten Orks von vorgestern eine kleine Karte gefunden, auf der Goldspitze verzeichnet worden war.
Auf dem Weg in Richtung des auf der Karte eingezeichneten Berges grub ich den goldenen Stab aus und nahm ihn an mich – man kann ja nie wissen. Wir wanderten recht lange und als die Praiosscheibe gerade den Horizont berührte leuchtete eine Bergspitze vor uns auf.
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