Das Leben eines Gezeichneten – Teil 9
Unter dem Adlerbanner Teil 2
3 Rondra
Wir haben tatsächlich Pferde für die Reise erhalten. Diesem Mann musste das tatsächlich sehr, sehr wichtig sein. Und offensichtlich wollte er lieber Auswärtige damit betreuen, denn jemanden der ihn näher kannte und bei einem Scheitern zurückverfolgt werden könnte. Ich habe überhaupt keine Erfahrung im Reiten. Und dementsprechend übel erging es mir auch am Abend.
Wir rasteten draußen nahe des Weges. Die Elfe brauchte eine halbe Ewigkeit bevor sie mit einem Reh zurückkehrte, obwohl wir anderen sie davor gewarnt hatten keine Rehe zu schießen, weil hier alles irgendwem gehörte. Ich hatte die zweite Nachtwache und sitze nun hier vorm Feuer und schreibe. Adaque schaut mich immer so an… und ihre übertriebene ‘ich muss seine Seele retten getue’, irgendwie merkwürdig. Vielleicht interessiert sie sich wirklich für mich. Das sollte mich vermutlich rühren, oder so etwas. Zumindest in irgendeiner Art und Weise. Aber
in mir ist alles kalt und leer. Und noch viel schlimmer. Ich empfinde nicht einmal Bedauern darüber. So kann das wirklich nicht weiter gehen. Aber ich habe auch nicht die Kraft etwas dagegen zu unternehmen. Um mich abzulenken werde ich wieder das Buch zur Hand nehmen und mich in den Thesen vergraben.
4 Rondra
Heute habe ich etwas sehr merkwürdiges gesehen. Schon etwas länger waren wir durch eine blumige Landschaft geritten, mit hübschen Hecken und prallen Feldern, aber hier saß eine hell gekleidete Gesellschaft am Wegesrand und aß, während ab und an auf freigelassene Tiere geschossen wurde. Es musste sich also um eine Jagd oder so handeln, nur seltsam dekadent anzusehen. Sie starrten uns an, während wir vorüber ritten, aber ich kann es nachvollziehen. Wir müssen recht merkwürdig aussehen. Reitende Magier. Elfen. Frauen mit riesigen Hämmern…
Gegen Abend konnten wir wieder in einem Gasthaus unterkommen, und ich hatte Gelegenheit ein bisschen mehr zu lesen.
5 Rondra
Offensichtlich wollen viele Menschen zu diesen Festlichkeiten auf dem Schloss in der Nähe von Vinsalt. Gegen Mittag kamen wir an einem Wagen vorbei, der eine gebrochene Achse hatte, in dem ein weiterer Besucher in Richtung Vinsalt reisen wollte. Ich bot ihm an doch mit uns zu reiten, und er nahm erfreut an.
Visalt ist eine ziemlich große Stadt. Sehr beeindruckende Bauten. Wir nahmen uns ein mittelprächtiges Zimmer und dann wollten die Damen unbedingt einkaufen gehen, um auch etwas vorzuweisen zu haben auf dem Maskenball der morgen Abend im Schloss gegeben werden würde, wie uns der junge Bursche, den wir das letzte Stück begleitet hatten und der dann in eine anderen Teil der Stadt aufgebrochen war, um seine Kutsche reparieren zu lassen, gesagt hatte. Ein Maskenball. Großartig. Adaque fand ein Kleid, dass sogar recht passable an ihr ausschaute, aber die Elfe wollte auf keinen Fall eins tragen. Es schränke ihre Bewegungsfreiheit ein. Ts.
Und wiedereinmal bin ich glücklich darüber zu solchen Anlässen nicht gezwungen zu sein, etwas anderes als Magierroben zu tragen. Ansehen würden mich eh alle, und ich könnte von Glück sprechen wenn sie nicht alle irgendwelche merkwürdigen Fragen über meine Herkunft haben und wie denn Dämonen so sind. Bei den Sachen die ich aus dem Mittelreich gehört habe… Beschwörungen zur Belustigung der Leute. So viel anders werden die Menschen hier vermutlich auch nicht sein. Immerhin hatte ich kein Ansehen, dass ich verlieren könnte, wie meine Spektabilität immer schön zu sagen pflegte.
6 Rondra
Wir haben uns eine Kutsche gemietet. Damit wir standesgemäß ankommen… meinte zumindest diese Halbelfe. Hmm… Ich dachte einfach an ein Pferd. Auch wenn ich auf einem Pferd noch immer keine gute Figur mache, dürfte alleine mein Aufzug einiges Wert sein. Aber natürlich reise ich auch lieber bequem. Kurz vor dem Tor hielten uns die Wachen auf, aber ich war zu sehr mit meinen eigenen Gedanken, die sich mit den des Nächtens gelesenen Thesen vermischte und auf eine wirre Art und Weise mein Denken zu übernehmen suchte, beschäftigt. Die Halbelfe antwortete wohl an meiner statt, dass wir wegen der Gesandtschaft aus Brabak hier seien. Ich blickte den Wachman nur an, ohne ihn wirklich wahrzunehmen. Wir fuhren weiter und wurden vor dem Haupthaus aus der Kutsche entlassen. Die Elfe wollte unbedingt meinen Leibwächter mimen und versuchte dementsprechend auszusehen.
Wir bekamen Zimmer zugeteilt in einem etwas abgelegenen kleinen Häuschen und ich vergrub mich wieder ins Buch, um den Gedanken zu entfliehen.
Adaque und diese Halbelfe zogen los um das Schloss zu erkunden, und auch ich, irgendwie recht lustlos zog zusammen mit der Elfe durch die großen Hallen. Bauwerklich höchst interessant und sicherlich, wenn man horasische Geschichte kennt ein überaus spannender Ort zum Verweilen, aber in meiner jetztigen Situation konnte es mich wenig begeistern. Wir hielten Ausschau nach der Waffenkammer in der das gesuchte Stück sein sollte, konnten aber auf anhieb nichts dergleichen entdecken, obwohl vor einigen Durchgängen und Türen Wachen
aufgestellt worden waren, die jedoch auch aus allerlei anderen Gründen dort stehen könnte. Wir zogen uns wieder zurück in unsere Gästeräume und Adaque richtete sich für den Ball her.
Der Ball wurde im erste Geschoss in einem großen zweistöckigen Saal veranstaltet, der auf der Eingangsseite mit einer Ballustrade versehen war, und nach vorne hin mit eine großen Balkon. Es war schon recht voll als wir oben eintrafen, und vor allem sehr bunt…
Die Elfe durfte wegen fehlender passender Kleidung nicht mit auf den Ball. Meine Maske reichte aber offensichtlich aus, obwohl mein Gewand natürlich alles andere als farbenfroh zu nennen ist. Der Graf hielt eine lange Rede um die Gäste willkommen zu heißen und dann begannen diese zu tanzen. Tanzen… Ich nahm Adaque mit zu einem der großen Fenster und beschaute mir zunächste die anwesenden Gäste genauer. Auch Adaque schien offensichtlich nicht allzu angetan vom Tanzen zu sein, denn sie blieb bei mir stehen… oder sollte es etwas anderes bedeuten?
An einem der anderen Fenster entdeckte ich meinen Kollegen aus der Akademie, der mit der Delegation des Prinzen hier hin gereist war, in einem bunten Tigerkostüm. Und um mich wenigstens etwas dem gesellschaftlichen Treiben hinzugeben, begab ich mich zu ihm. Er erinnerte sich an mich, und fragte mich nach meinen echsischen Forschungen. Dabei ist das nun schon so lange her… zumindest fühlt es sich so an. Er fragte ob später noch die Gelegenheit bestünde ein bisschen fachlich zu plaudern, weil dies der falsche Ort für solcherlei Gespräche sei, und ich antwortete ihm, dass ich gerne etwas erübrigen könnte von meiner Zeit. Es ist schließlich schon einige Zeit her, dass ich mich fachlich mit jemandem unterhalten konnte. Adaque schien die Unterhaltung zu langweilen, denn sie verschwand in der Menge der Tanzenden.
Ich besah mir eine weitere Weile die tanzende Menge und ging dann hinaus auf den Balkon. Aber auch dort zeigte sich nichts von Interesse. Aber wir hatten eine Aufgabe und auch wenn mich die eigentliche Aufgabe wenig interessiert, so ist es dennoch eine Herausforderung, der ich mich gerne stellen würde, und sei es eben um der Aufgabe willen. Außerdem wollte sich die Elfe, so sie inzwischen etwas herausgefunden hatte, mit uns unten vor dem Schloss treffen.
Ich ging zurück in den Saal und nahm Adaque mit nach unten und nach draußen. Dort trafen wir auf die Elfe, die bemerkte, dass sie etwas Waffenkammerähnliches nicht gesehen hatte, obwohl sie in die Räume gesehen hatte. Was nur bedeuten könnte, dass sie entweder nicht in alle Räume geschaut hatte, oder der Raum verborgen war.
Wir gingen zurück ins Erdgeschoss und sahen und dort noch einmal um. Im linken Flügel standen zwei Bewaffnete vor einer schweren Tür, vor der am Nachmittag ebenfalls eine Wache gestanden hatte. Ich ging hinüber zu den Beiden, aber das Gespräch war wenig aufschlussreich. Die Elfe hatte behauptet, dass sich dahinter die Küche befinden würde, aber warum sollte jemand die Küche bewachen? Also fragte ich nochmals bei der Elfe nach und erfuhr, dass sie tatsächlich nicht in alle Fenster geschaut hatte, sondern nur in die hinteren. Genervt über die
unzureichend ausgeführte Aufgabe begab ich mich, gefolgt von den anderen beiden, nach draußen und spähte durch die dem Hauptgebäude am nächsten liegenden Fenster. Das vorderste war vergittert, und dunkel, direkt daneben schien sich eine Schreibstube zu befinden. Und erst daneben die Küche.
Wir beschlossen, natürlich möglichst ungesehen, in den Trakt einzudringen und nachzusehen was sich in dem vergitterten Raum befindet. Die Elfe wollte durch die Schreibstube eindringen, aber Adaque machte sie darauf aufmerksam, dass diese Fenster äußerst gut einsehbar waren, und zwar sowohl vom Eingang, als auch vom Balkon des Tanzsaales. Also umrundeten wir den Flügel und stellten fest, dass dort hinter dem äquivalenten Fenster ein Wäscheraum lag. Welcher ebenso gut als Einstig benutzt werden könnte.
Die Elfe wirkte einen Stillezauber auf mich, so dass nicht der ganze Raum leise wurde, sondern nur das Fenster betroffen war, und zerbrach dieses um anschließend den Riegel zu öffnen und einzusteigen. Ich ließ mich auf dem Rasen neben dem Gebäude nieder und warte bis die Elfe und Adaque wieder aus dem Flügel kommen würden. Ich ließ meine Gedanken wandern und hoffte das sie mir irgendeine Lösung mitbringen würden, wurde aber enttäuscht. Ich seh meinen Weg noch immer nicht. Und auf der Einladung stand, dass morgen früh eine Messe gehalten werden würde… im Tempel hier auf dem Grundstück… Ich mache mir Sorgen, ob es gut gehen würde…
Der Stillezauber verschwand und ich konnte wieder die leisen Geräusche des Balls und die übrigen der Tiere auf dem Gelände vernehmen. Die Elfe schien gerade auf dem Weg den Raum zu verlassen, und ich wies sie darauf hin, dass es vielleicht besser wäre, die Glassplitter nach außen zu werfen, so dass es wirkte, als wäre von innen nach außen das Fenster zerstört worden. Ich wunderte mich ein wenig wo denn Adaque blieb, ging aber mit der Elfe zurück zum Eingang, nur um feststellen zu müssen, dass sie dort auf einer Bank Platz genommen hatte. Sie schien erwischt worden zu sein, konnte sich aber als Betrunkene Edeldame herausreden. Gut für sie. Aber Erfolg hatte sie nicht. Im vergitterten Raum wurden Dokumente des Reiches aufbewahrt, wie etwa Lehensurkunden, von denen sie zwei mitgenommen hatte. Warum auch immer. Vielleicht phexischer Instinkt. Der Raum den wir eigentlich suchten, der von den zwei Bewaffneten bewacht wurde, konnte nur über die Tür hinter ihnen erreicht werden.
Wir überlegten ob wir vielleicht mittels Zauber an ihnen vorbeikommen könnten, aber die Elfe meinte, dass sie dazu nicht in der Lage sei. Mir jedoch kam die Idee in die Wand zur Wäschekammer ein Loch zu brennen, so dass man zumindest einen Blick hineinwerfen könnte.
Wir stiegen also wieder durch das Fenster ein, ich suchte mir einen geeigneten Platz zwischen den Regalbrettern an der Wand aus und ließ ein alles verzehrendes blaues Feuer auf die Wand los. Es brannte ein ein Spann großes Loch in die Wand, hinter der es dunkel war. Ich ließ einen FlimFlam in den Raum gleiten, und konnte das Objekt unserer Aufgabe in der Mitte des Raumes auf einem Sockel thronen sehen. In der Mitte des Raumes. Das war ein Problem. Denn mein Arm reichte höchstens einen halben Schritt in den Raum hinein. So würden wir das Siegel nicht erreichen können. Ich bat die Elfe eine Angel zu besorgen mit der wir an das Siegel gelangen könnten und schon nach kurzer Zeit kehrte sie mit einem langen Stecken um den sie eine Schlinge gewickelt hatte, zurück um zu angeln. Nach wenigen Fehlschlägen hatten wir das
Siegel in der Hand.
Ich schob einige Wäschestücke vor das Loch in der Wand, so dass zumindest auf den ersten Blick nichts zu sehen sein würde, und wir verließen wieder den Raum um zu unserem Gästequartier zurückzukehren. Da die Elfe nur Kleidung trug, die das Verstecken eines solch großen Gegenstandes unmöglich machte, nahm ich das Siegel an mich.
Draußen vor dem großen Eingangsportal schien zu dieser Stunde niemand mehr zu flanieren und auch die lauten Geräusche aus dem Ball im ersten Stock waren deutlich leiser geworden. Die Elfe nahm mir das Siegel ab um es zunächst hier im Hof zu verscharren, bis wir einen weiteren Plan entwickelt hatten.
Kurz nachdem wir in unsere Quartiere zurückgekehrt waren, trafen auch Adaque und diese Halbelfe ein. Ich berichtete Adaque von der Errettung des Gegenstandes, ohne zu sehr ins Detail zu gehen. Nur für den Fall, dass irgendetwas schief laufen würde. Immerhin hatte man sie wohl in der Küche erwischt, als sie zum erste Mal eingedrungen war. Wir berieten uns weiter und entschieden, dass zunächst die Elfe das Siegel mit über die Mauer nehmen und sich dort verstecken würde.
Da man aber wie schon erwähnt Adaque in den angrenzenden Räumlichkeiten gesehen hatte und wenn das Fehlen des Siegels entdeckt würde, ganz sicher nach einem Magier, von dem es ja meines Wissens nach nur zwei hier gab, gesucht werden würde, hatten wir eigentlich keine andere Möglichkeit als ebenfalls von hier zu verschwinden. Nur stellt sich die Frage, in wie weit der Graf bereit war das Fehlen eines von ihm gestohlenen Gegenstandes als Anlass für eine Hetzjagd zu nehmen. Da ich nicht ein Wort mit ihm gewechselt habe, kann ich schwer einschätzen wie er reagieren würde. Aber nach dem Aufbewahrungsort zu urteilen, scheint er eine recht eigenwillige Persönlichkeit zu besitzen.
Meine restliche magische Kraft überschlagen fühlte ich mich nicht wirklich in der Lage jetzt auch aus diesem Schloss zu verschwinden, also begaben Adaque und ich uns zu Bett um den Morgen abzuwarten, auf was auch immer da kommen mag. Wir könnten uns noch immer im frühen Licht des Morgens auf den Weg nach Vinsalt machen.
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