Legend of the Five Rings 4. Edition GRW
Sei darum voll entschlossen, diese Ziele zu erreichen, ohne im mindesten zu schwanken, selbst wenn die Lehren Buddhas oder der Götter dem entgegenstehen
-Tsunetomo Yamamoto
Ich gestehe freimütig: Wie viele Rollenspieler in meinem Alter habe ich einen kleinen Japan-Tick. Ob es an den vielen Zeichentrickserien liegt, die in den Achtzigern uns erzählt haben wie coooool Ninjas und Samurai sind (Turtles, jemand? Oder G.I. Joe?), oder daran das ich mit meiner Richard Chamberlain begeisterten Mutter die Fernsehfassung von Shogun geguckt habe kann ich nicht wirklich noch nachvollziehen, aber geprägt hat es mich zumindest: ich besaß sowohl für AD&D als auch D&D 3 die Oriental Adventures-Bücher, liebe die „Clan der Otori“-Reihe, und besitze sowohl das Buch der Fünf Ringe als auch das Hagakure. Gut, bekloppt genug um mir ein Katana an die Wand zu hängen bin ich nicht mehr, die Begeisterung ist über die Jahre zuückgegangen, aber viel hat zwischendurch nicht gefehlt. Und natürlich habe ich einige Jahre lang das Legend of the Five Rings Sammelkartenspiel gespielt, was logischerweise auch dazu führte das ich mir, als das Rollenspiel erschien, dieses auch zulegte. Doch als die 2nd Edition erschien habe ich das Spiel hinter mir gelassen. Zu viele Regeländerungen waren eher Verschlimmbesserungen, die Anbindung an den Metaplot des Kartenspiels war mir zu eng. Doch mitterweile sind einige Jahre ins Land gegangen, beim Uhrwerk Verlag ist die deutsche Übersetzung der aktuellen 4. Edition erschienen. Schauen wir also, was aus dem besten Samurai-Rollenspiel der Welt geworden ist.
Optisch ist das Buch ein Schmuckstück: Das matte Cover zeigt ein Katana vor einem dunkelgrauen Hintergrund auf dem in Rot japanische Schriftzeichen aufgetragen wurden. Auch im Inneren setzt sich dieser sehr positive Eindruck fort. Das Buch wurde von Vorne bis Hinten in Farbe gedruckt, mit sehr vielen, sehr schönen Bildern, die zum Teil aus dem Kartenspiel stammen, zum Teil wohl für dieses Buch neu eingekauft wurden. Das Layout wurde so erstellt, dass jede Seite wie ein klassisches japanische Gemäldewirkt. Jedes Kapitel wird von einer Farbe dominiert, welche zum Kapitel selbst passt. Auf den Innenseiten des Umschlags wurde außerdem jeweils eine Karte der Spielwelt gedruckt und dem Buch wurde ein Lesebändchen spendiert (Jaja, ich weiß, ich bin besessen von Lesebändchen…). Einziger Kritikpunkt ist die etwas arg kleine Schrift, aber in Anbetracht der Tatsache das das Buch so schon 400 Seiten stark ist möchte ich mir nicht vorstellen wie gejammert werden würde, wenn das Buch wegen der Schrift noch dicker und damit teurer wäre.
Das Buch teilt den Text in fünf große Kapitel oder „Bücher“ die nach den fünf Elementen benannt sind, die in diesem System so entscheidend sind. Dabei ist natürlich jedes Buch in Unterkapitel unterteilt. Die Einleitung ist wie meistens für die „alten Hasen“ vernachlässigbar, bietet aber einen Bonus für Spieler die ältere Editionen noch kennen, eine grobe Übersicht über die Regeländerungen im Vergleich.
Das erste Kapitel, das „Buch des Windes“, beschreibt das Setting des Spiels, Rokugan (Oder wie es auch genannt wird, das Smaragdreich). Rokugan ist quasi ein Fantasy-Japan, ähnlich wie Aventurien oder die Forgotten Realms ein phantastisches Europa darstellen, wobei Rokugan im Gegensatz zu Japan keine Inselnation ist, sondern durch andere natürliche Barrieren vom Rest der Welt getrennt wird. Das Kapitel eröffnet mit der mythologischen Vorgeschichte Rokugans – wie die Kami, die Kinder von Sonne und Mond geboren werden und zur Erde stürzen, um unter den ersten Menschen das Reich aufzubauen – und wechselt dann zu einer historischen Übersicht des Settings. Grob zusammengefasst liest sich die Geschichte ungefähr so: „Tausend Jahre passiert nichts, und dann beginnt die Handlung des Kartenspiels“. In den letzten Hundert Jahren der Spielweltgechichte passiert mehr als in den tausend Jahren davor, ein Coup, ein Bürgerkrieg, ein Krieg gegen einen bösen Gott und so weiter, und so fort. Dieser historische Überblick fasst die Handlung des Metaplots gut zusammen, ohne den Spielleiter mit unwichtigen Details zu überschwemmen oder die Gruppe an eine bestimmte Epoche zu binden. Gefolgt wird der historische Überblick von einer groben Beschreibung der Geographie Rokugans, der sozialen Ordnung des Reiches (Die sich an die Tokugawa-Periode der japanischen Geschichte orientiert), der allgemeinen Kultur (Diese Beschreibung ist ziemlich Gründlich und deckt alles mögliche ab, von Ernährung über Kleidung über Reisen bis zu Umgang zwischen den Geschlechtern), Religion und Philosophie (Hier wird zum Einen auf den Animismus der Landbevölkerung eingegangen, zum anderen ansatzweise auf den Shintaoismus, auf den später im Regelwerk auch noch eingegangen wird. Ebenfalls hier enthalten ist eine Betrachtung des Bushidos, des Ehrencodex der Samurai), Politik, Duelle, Kriegsführung und natürlich die acht großen Clans, welche das Reich beherrschen. Jeder der Clans verkörpert dabei eine der traditionellen Rollen der historischen Samurai: Der Drachenclan ist der Samurai als Asket, Mönch und religiöser Krieger, der Einhornclan ist der Samurai als Kavalleriekrieger, der Krabbenclan verkörpert den Samurai als mächtiger Krieger in der Schlacht, der Samurai als Höfling und Duellant wird vom Kranichclan verkörpert, Samurai als Feldherren und Soldaten stellt der Löwenclan, der Mantisclan (eine sehr junge Erscheinung, erst im Laufe des Metaplots dazugekommen) ist der Samurai als Händler und Seefahrer, der Phonixclan verkörpert den Samurai als Mystiker (Und als Zauberer, aber dazu kommen wir noch), und der Skorpionenclan (Die Zwiespältigsten und Hinterlistigsten von allen) sind einerseits der blinde Gehorsam des Samurai, zum anderen der Ninja. Insgesamt schafft es dieses Kapitel der Gruppe ein stimmungsvolles Bild der Welt zu schaffen das gleichzeitig stimulierend ist und einem das Gefühl gibt, eine lebendige Welt zu betreten aber gleichzeitig den Leser nicht mit überflüssigen Details erschlägt.
Das Regelsystem von Legend of the Five Rings wird im zweiten Kapitel erklärt, dem „Buch der Erde“.Das System von L5R wird als „Roll and Keep“ bezeichnet, und ist eigentlich recht einfach: Der Spieler bildet einen Wüfelpool aus zwei Werten, meist ein Attribut und eine Fertigkeit. Er würfelt dann so viele Würfel wie er im Pool hat, und behält dann eine Anzahl die dem Attributswert entspricht. Diese werden zusammengezählt, und das Ergebnis muss über einen vom Spielleiter festgelegten Schwierigkeitsgrad – oder dem Wurfergebnis einer anderen Spielfigur – liegen. Alle anderen Systeme im Regelwerk leiten sich von diesem einfachen System ab, seien es Duelle, Verhandlungen, Kämpfe oder auch handwerkliche Leistungen. Das System erlaubt sogar den Einsatz von Manövern im Kampf, dadurch das man durch Steigerungen des Schwierigkeitsgrads bestimmte Effekte erkaufen kann. Ebenfalls hier behandelt werden die Regeln für Ehre und Ruhm, zwei Dinge die für einen Samurai entscheidend sind.
Im „Buch des Feuers“ geht es endlich ans Eingemachte – die Charaktererschaffung. Zu Beginn hat jeder Charakter in den fünf Ringen (Feuer, Wasser, Erde, Luft und Leere) einen Wert von zwei. Bis auf Leere unterteilen sich diese Ringe in zwei Attribute (Feuer = Intelligenz und Geschicklichkeit, Wasser = Wahrnehmung und Stärke, Erde = Willenskraft und Ausdauer, Luft = Intuition und Reflexe), die zu Beginn ebenfalls den Wert von zwei haben – die Ringe nehmen den Wert des niedrigeren Wertes an. Leere erzeugt einen Pool an Punkten in Höhe seines Wertes. Diese Punkte könne zu verschiedenen Zwecken eingesetzt werden, um Schaden zu verringern, die Initiative zu erhöhen, Boni um seinen Würfelpool zu erhöhen, und so weiter. Die Charaktererschaffung besteht aus einigen recht einfachen Schritten. Zunächst wird der Clan des Charakters ausgewählt, und innerhalb des Clans eine Familie. Jede Familie gibt dem Charakter einen Bonus auf eines der Attribute – So gibt zum Beispiel die Mirumoto Familie des Drachenclans +1 auf Geschicklichkeit, während die Hida Familie des Krabbenclans +1 auf Stärke verleiht. Nach der Wahl des Clans und der Familie wird die Schule gewählt, spricht die Ausbildung, die der Charakter genossen hat. Jeder Clan stellt vier Schulen zur Verfügung, von denen immer eine Samurai ausbildet, eine Shugenja (Die Zauberer in diesem Setting), und die anderen beiden Schulen passen jeweils zum Fokus des Clans (Der Kranichclan bietet zum Beispiel eine Schule für Höflinge und eine für schwere Infanterie, während der Löwenclan eine Bardenschule und eine Beserkerschule stellt.). Jede Schule erhöht ebenfalls ein Attribut um +1, und gibt dem Charakter eine Reihe von Fertigkeiten auf erster Stufe. Zusätzlich legt die Schule den Anfangsrang in Ehre fest, stattet den Charakter mit seiner Startausrüstung aus, und lehrt ihm seine erste Technik (Besondere Fähigkeiten die sich aus der Ausbildung ergeben, wie die Zwei-Klingen-Technik der Mirumoto-Schule), beziehungsweise die ersten Zauber im Falle der Shugenja. Im nächsten Schritt erhält der Spieler 40 Erfahrungspunkte um den Charakter zu personalisieren. Hierbei kann er Attribute und Fertigkeiten steigern, neue Fertigkeiten und Zauber kaufen, oder Vor- bzw. Nachteile wählen. Hat er auch dies geschafft müssen nur noch ein oder zwei abgeleitete Werte ermittelt werden, und schon ist der Charakter fertig. Anhand der Vielzahl an gebotenen Optionen ist dieses Kapitel das Umfangreichste im ganzen Buch, bleibt aber Stimmungsvoll. Angenehm fällt hier auch die Vielzahl an Optionen auf, es dürfte schwer sein das zwei Spieler den identischen Charakter bauen.
Optionen sind auch das Thema des vierten Kapitels, des „Buchs des Wassers“. Hier werden der Gruppe eine Reihe von Spieloptionen geboten, welche über die üblichen Grenzen des Spiels hinausgehen. Zunächst wird der Spinnenclan vorgestellt, die Diener des gefallenen finsteren Gottes, danach die sogenannten Minderen Clans die im Laufe der Jahrhunderte entstanden sind, die kaiserlichen Familien welche den Hof stellen und ihre Optionen, die Mönche der Bruderschaft des Shinsei und Ronin, herrenlose Samurai. Danach werden eine Reihe von optionalen Systemen vorgestellt: das Massenschlachtsystem (Welches den Spielern erlaubt Einfluss auf die Geschehnisse zu nehmen und gleichzeitig sehr persönliche Erlebnisse im Gedränge zu machen), legendäre Ahnen als besondere Vorteile (Diese geben besondere Boni, die theoretisch übermächtig sein können aber durch ihre Einschränkungen ausgeglichen werden), Schulen für fortgeschrittene Charaktere, besondere Kampftechniken („Kata“), verbotene Blutmagie, die Verderbnis der Schattenlande und einiges mehr. Welche dieser Optionen der Spielleiter zulässt, ist ihm überlassen – notwendig sind diese Optionen nicht, bieten aber einerseits mehr Tiefe für NSCs und andererseits Optionen für Spieler die gerne etwas ungewöhnliches spielen wollen.
Das letzte Kapitel, das „Buch der Leere“, richtet sich an den Spielleiter. Hier findet sich eine große Sammlung an Tipps, Hilfen und Werkzeugen, von einer Diskussion um „typische“ Kampagnenarten über einfache Plotideen und Erstellung von Schurken bis hin zu üblichen Monstren, einer detaillierten Weltbeschreibung und einem sehr brauchbaren Einführungsabenteuer. Abgeschlossen wird das Kapitel durch eine Sammlung an Büchern und Filmen die dem Spielleiter als Inspiration dienen können. Dieses Kapitel ist recht umfangreich, und bietet dem Spielleiter alles was er braucht um seinen Spielern eine stimmige und in sich geschlossene Welt darzustellen und auch entsprechende spannende Abenteuer zu bieten. Gefolgt wird das Kapitel von dem mehrseitigem Charakterbogen und einem umfangreichen Index.
Fazit:
Wie Eingangs erwähnt war ich ein großer Fan der 1st Edition von [I]Legend of the Five Rings[/I], und die Frage die ich mir bei der Lektüre immer gestellt habe war „Wie ist dieses Buch im Vergleich zum alten Regelwerk?“. Nun, ich kann nur sagen, was hier vorliegt ist die bisher beste Fassung von L5R – hier werden Unmengen an Informationen und Optionen gebündelt und zusammengefasst, die bis dahin auf mehrere Quellenbücher verteilt gewesen sind. Theoretisch könnte man nur mit diesem Buch spielen und dennoch nicht das Gefühl haben irgendwas zu verpassen. Zwar präsentiert das Buch Rokugan zu dem Zeitpunkt wie es sich im Sammelkartenspiel präsentiert, dennoch ist das Spiel nicht an den Metaplot gebunden, sondern kann zum Spielen in jeder Epoche in der Geschichte der Spielwelt verwendet werden und erklärt auch, welche Optionen ein Spielleiter nutzen sollte um das möglich zu machen (Ich würde ja gerne irgendwann eine Runde in der Zeit vor dem Skorpionencoup ansiedeln, aber ich will ja so vieles mal leiten…).
Heißt das, wir haben es hier mit einem Buch ohne Schwächen zu tun? Leider nicht – die Übersetzung ist an einigen Stellen etwas holprig, und auch beim Lektorat war man wohl nicht zu genau, an ein paar Stellen finden sich „Artefakte“, Textstellen an denen der englische Originaltext nach dem Übersetzen nicht entfernt wurde. Aber das sind eigentlich nur kleine Beschwerden. Fans von L5R sollten ebenso hier zugreifen wie jene, die sich zum ersten Mal mit dem Spiel beschäftigen wollen, oder Gruppen, die einfach ein gutes Rollenspiel in einem gelungenen Fantasy-Japan suchen. Diese 4. Edition hat auf jeden Fall die 1. als meine Lieblingsinkarnation des Spiels abgelöst.
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