Voll Dampf

Fiktionale Steamgeschichten

Tja, das Caninchen hat ja vor kurzem erst diesen Band besprochen, da mag sich der geneigte Leser fragen warum wir kaum eine Woche später eine weitere Rezension zur Steampunkanthologie Voll Dampf aus dem Hause Amrûn anbieten. Das zumindest ist schnell erklärt – da Caninus und ich uns nicht einig wurden wer den Band rezensieren soll habe ich Ingo Schulze – in unseren Kreisen besser bekannt als Greifenklaue – und dem Würfelhelden André Skora vollmundig versprochen das es von Neue Abenteuer zwei Rezensionen geben würde. André ist mir als Herausgeber ja noch sehr positiv in Erinnerung geblieben wegen der Cyberpunkanthologie Fieberglasträume, da werden natürlich Erwartungshaltungen geweckt. Können sie gehalten werden?

Die Anthologie präsentiert sich als schmaler Softcoverband, von den Ausmaßen entspricht er einem Notizbuch von Moleskin, und ist 190 Seiten lang. Das Cover zeigt einen etwas merkwürdigen, gezeichneten Zeppelin, welcher von Doppeldeckern umkreist wird, und zwar über einer Felslandschaft die per Photoshop ins Bild eingefügt wurde. Lustigerweise findet sich als Lektor auch unser alter Bekannter, der Bergkönig persönlich , wieder. Das schriftbild ist gut lesbar und angenehm, und die Überschriften sind in einer sehr schönen Jugendstilschrift gesetzt. Optisch und haptisch bisher ein guter Eindruck.

Insgesamt enthält der Band neun Geschichten, unter anderem eine von Frank Hebben, der mir nicht nur als Mitherausgeber von Fieberglasträume positiv in erinnerung geblieben ist, sondern auch durch die Anthologie Maschinenkinder die wir an dieser Stelle schon besprochen hatten. Leider ist die hier enthaltene Geschichte, Schwarzfall, bereits in der gerade genannten Anthologie enthalten gewesen – ich hätte zu gerne etwas neues von ihm gelesen. Die anderen acht Geschichten sind von unterschiedlicher Qualität. Zwar ist keine Geschichte dabei der man – wie das noch bei Fieberglasträume der Fall war – vorwerfen konnte einer Rollenspielrunde entnommen zu sein, aber es sind hier eine ganze Reihe von Geschichten der man vorwerfen könnte das Thema verfehlt zu haben. Ich kann keiner der Geschichten wirklich bescheinigen, „Punk“ zu sein – und wenn man schon ein Genre nutzt in dem dieses Wort vorkommt, dann will ich auch Gesellschaftskritik und Attitude – und eine Geschichte ist sogar ganz klar eine SF-Geschichte wie man sie aus Anthologien sozialistischer SF der 60iger Jahre kennt. Was bleibt sind durchaus gut geschriebene Geschichten die irgendwas mit Dampfmaschinen zu tun haben, kurzweilig sind und sich gut lesen lassen.

Fazit:
Ein wenig habe ich mein Fazit schon vorweg genommen. Ein wenig liegt das Problem, glaube ich, am Kulturkreis. Der angloamerikansiche Steampunk greift für seine kulturellen Einflüsse eher auf das Edwardinische und das frühe Viktorianische zurück – im deutschsprachigem Raum dann doch eher ins wilhelminische Kaiserreich, bzw. den Biedermeier (Weswegen ich ja oft von „Dampfbiedermeier“ rede). Vielleicht ist es auch meine Erwartungshaltung, aber für mich funktioniert die Formel „Dampfmaschine + Kaiserreich + Anachronismen = Steampunk“ nicht. Überhaupt nicht. Wo ist denn da der Punk? Wo ist die Gesellschaftskritik? Die finde ich hier nicht mal im Ansatz. Ohne Zweifel sind die Geschichten gut geschrieben, aber was wir hier vorliegen haben ist eine Athologie mit Steampulp, Steamfantasy, und Dampfbiedermeier. Wem das ausreicht, der ist hier gut bedient. SteamPUNK sucht man allerdings vergebens.

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