Imperial Settlers
Nerdiges Wuseln
Wirft man nur einen kurzen Blick auf Imperial Settlers, unterscheidet es sich wenig von einem Familienklassiker. Auf der Box läuft uns zu aller erst ein gut gelaunter knollnasiger Siedler mit stolzierendem Hund aus einer Dorflandschaft im Wimmelbildstil entgegen. Und auch die vier Völker –Römer, Ägypter, Barbaren und Japaner- die uns präsentiert werden, wirken wie relativ generische Klischeefraktionen.
Das alles wäre wenig erwähnenswert, wenn Imperial Settlers nicht vom gleichen Macher wäre wie das düstere, postapokalyptische 51st State/New Era, das mit rauer Gasmaskenästhetik daherkam und mit knüppelhartem Regelaufbau nur relativ hartgesottene Genrefans ansprechen konnte, die dem Spiel dafür tapfer die Treue gehalten haben. Und das quirlig fröhliche Imperial Settlers ist dabei nicht nur vom gleichen Macher, sondern macht starke Anleihen beim nerdigen Apokalypse-Aufbauspiel und kann sogar als dessen indirekter Nachfolger gelten.
Spielidee
Aber der Reihe nach. Bei Imperial Settlers verkörpern wir mit 1-4 Spielern eine der vier genannten Fraktionen denen wir beim Auf- und Ausbau ihrer Zivilisation helfen. Dazu nutzen wir zwei Kartenstapel. Einmal einen Vorrat an allgemeinen Gebäuden die allen Fraktionen zur Verfügung stehen und dann je Spieler ein Stapel mit speziellen Fraktionskarten, den wir sogar mit der Erweiterung im Deckbaustil minimal selbst gestalten dürfen. Alle Karten des Grundspiels stellen dabei Gebäude dar, die von Wachtürmen über Ruinen, Waffenschmieden, Händlern, Bauergehöften und anderen Basisbauten bis hin zu ägyptischen Pyramiden, römischen Senatsgebäuden, japanischen Geisha-Häusern und barbarischen Obelisken reichen. Der Clou dieser Karten ist, dass sie nicht nur für eine bestimmte Anzahl an Ressourcen gebaut werden können, sondern auch von der Kartenhand geplündert, oder als Vertrag genutzt werden können. Während wir die generischen Karten mit unserer Kampfressource abwerfen und plündern können um einen einmaligen Ressourcenschub zu bekommen, können wir mit Fraktionsgebäuden die wir nicht errichten wollen dank einer kleinen Nahrungsmittelbestechung einen Vertrag schließen um Runde für Runde eine bestimmte Ressource zu erlangen.
Spielprinzip
Damit wäre auch das Grundprinzip umrissen. Unsere Fraktionen versorgen uns zu Rundenbeginn mit einer bestimmten Anzahl an Grundressourcen. Dabei stehen uns Arbeiter zur Verfügung, die wir nutzen können um manche Bauten zu aktivieren oder losschicken können um andere Ressourcen zu bekommen. Zwei Arbeiter geben uns dabei eine neue Karte oder besorgen uns eine der drei Ressourcen: Holz, Stein oder Nahrung, die übrigens alle durch schicke Holzmarker repräsentiert wurden. Zusätzlich können wir durch Karteneffekte (oder als Ägypter jede Runde) Gold erhalten, was welches wir als Universalressource einsetzen können. Zusätzlich gibt es zu Rundenbeginn einen Kampf- (Schwert) und einen Verteidigungsmarker (Schild). Mit diesen Ressourcen ausgestattet, errichten wir unsere Bauten, gehen wie beschrieben Verträge ein oder machen uns auf Beutezug.
Entscheiden wir uns für das Bauen, haben wir die spannendsten Effekte: Produktionsgebäude versorgen uns bei ihrer Errichtung und in jeder der folgenden Runden mit Ressourcen, Featuregebäude haben passive Effekte und geben uns beispielsweise Ressourcen oder Siegpunkte wenn wir gewisse Gebäudetypen bauen und Aktionsgebäude können wir mit Arbeitern und/oder Ressourcen aktivieren um bestimmte Effekte auszulösen, was uns – wenig überraschend – meist Ressourcen oder Siegpunkte gibt. Die jeweiligen Mechaniken sind relativ simpel und einheitlich gehalten. Manche fraktionsspezifischen Gebäude haben komplexere Mechaniken, die es beispielsweise erlauben Karten gegen Siegpunkte abzuwerfen, Gegnern Ressourcen zu stehlen oder gar die Kontrolle über gegnerische Bauten zu übernehmen. Ganz grundsätzlich kommt aber eine Ressourcen- und Siegpunktmaschine ins Rollen und ein Großteil des Reizes besteht darin die Synergieeffekte der Karten auszutesten. Dabei gibt es immer mal wieder Verschnaufpausen in denen man den Wuselfaktor genießen kann, so ganz will ein Wusel- oder Aufbaugefühl aber nicht aufkommen, da die Mechaniken zu offem vor uns liegen.
Interaktion
Eine große Crux von 51st State war die doch sehr begrenzte Interaktivität. Die Spieler spielten oft aneinander vorbei und konnten sich kaum beeinflussen. Grundsätzlich gilt das auch für die imperialistischen Siedler, was man allein daran sieht, dass es einen Singleplayer Modus gibt. Dennoch gibt es etwas fester verankerte Interaktionsmechanismen. Der erste ist die Kartenauswahl. Am Beginn jeder Runde wird eine Kartenauslage aus einigen allgemeinen Bauten gebildet (n+1) und jeder Spieler darf beginnend mit der Startspielerin eine Karte auswählen, wobei die letzte abgeworfen wird. Gegen den Uhrzeigersinn und beginnend mit der letzten Spielerin wiederholt sich das Prozedere dann ein zweites Mal. Dies führ dazu, dass man seine Strategie etwas vorplanen kann und sich gegenseitig Karten wegschnappen kann. Außerdem ermöglicht es die Karten der anderen kennenzulernen, diese Phase kann sich aber gerade in der ersten Partie als etwas langwierig darstellen.
Ganz so friedlich bleibt es jedoch nicht. So kann man zumindest die allgemeinen Gebäude der Mitspieler zerstören indem man 2 Angriffsmarker aufwendet und sich die Ressourcen nimmt, die man kriegen würde wenn man die Karte von der Hand plündern würde. Die Geschädigte verliert nun die zerstörte Karte die nur noch als Fundament für andere Bauten dienen kann, und man kann zumindest etwas Holz retten. Dadurch ist Kampf nicht rein negativ und der Schaden ist überschaubar, zumal – mit Ausnahme der japanischen – keine der mächtigeren Fraktionsgebäude zerstört werden können. Außerdem können wichtige Gebäude durch das Schild geschützt werden um einen absehbaren Angriff zu erschweren. Die Angreiferin braucht dann ein Schwert mehr um das Gebäude zu zerstören.
Spielgefühl
Die hier etwas holzschnittartig umrissene Mechanik ist relativ einfach verständlich. Auch wenn durch die Aktionsvielfalt relativ viele Aspekte gleichzeitig erklärt werden müssen, kommt man nach wenigen Durchgängen in das Spiel und spätestens nach der 2ten oder 3ten Kartenauswahl spielen auch neueinsteigende taktisch. Ein Tutorial und die meist gut formulierten Texte auf den Karten helfen beim Einstieg. Ein Familienspiel wird es dadurch aber nicht, dafür hat es doch zu viel von komplexeren Kartenspielen und auch ein paar Regeln die ohne Spielhilfe mitbedacht werden müssen, sind dabei.
Vergleicht man das mit dem apokalyptischen Vorgänger ist es jedoch ein Unterschied wie Tag und Nacht: Imperial Settlers kann auch mal abends und mit einer Gruppe gespielt werden die nicht nur aus Hardcorespielefans besteht.
Auch der Wiederspielwert ist enorm hoch, da die Fraktionen sich dank der Fraktionskarten und den unterschiedlichen Startressourcen (sowie einem Ressourcentyp je Fraktion der über mehrere Runden gespeichert werden kann) deutlich unterscheiden. Die Fraktionen sehen nicht nur schön aus, sondern haben spürbare Unterschiede und ermöglichen andere Taktiken.
Die wirklich simplen Mechaniken der meisten Grundkarten ermöglichen dabei ein sehr schnelles Spiel. Leider bleibt der Aufbaucharakter dabei etwas auf der Strecke, da Basisgebäude schnell mit Fraktionsgebäuden überbaut werden und die Mechaniken der Karten etwas zu austauschbar sind. Hier hatte 51st State/ New Era mehr zu entdecken, was aber mit einer längeren Spielzeit und einigen Regelungetümen erkauft wurde.
Imperial Settlers spielt sich daher mit etwas Routine als eine recht mechanische Siegpunktmaschine in der Karten verschlissen werden und Ressourcennutzungen abgewogen werden. Da es in manchen Partien außerdem dazu kommen kann, dass eine Spielerin den anderen wegrennt und noch mehrere Aktionen nach den anderen nutzen kann, können die anderen manchmal etwas zu Zuschauern dieser Maschine verkommen. Das Spiel baut aber grundsätzlich auf sehr schnelle Aktionsdurchgänge und ist daher auch in solchen Phasen nicht mit Spielen zu vergleichen in denen die Spieler Runde für Runde nacheinander abhandeln. Grundsätzlich ist Imperial Settlers gut geölt und läuft fix.
Fazit
Imperial Settlers ist ein Hybrid aus Familien- und Nerdspiel. Die Spielmechaniken sind im Vergleich zum „Vorgänger“ sehr gelungen vereinfacht worden und ermöglichen es (relativ) schnelle Partien von etwa einer Stunde spielen zu können, die zudem auch mit Neulingen spielbar sind. Das familientaugliche Thema könnte dafür sorgen, dass auch klassischere Brettspielfans einen Blick riskieren und ist zudem in sich sehr stimmig und mit viel Liebe zum Detail entworfen worden.
Die Fraktionen sorgen für Widerspielwert und die Spieler haben viele Entscheidungsmöglichkeiten beim Bau ihrer Zivilisation, wie man sie oft nur von komplexeren Spielen kennt. Wer ein Spiel sucht, das keinen ganzen Abend verschlingt und sich dennoch etwas nerdiger anfühlen soll, ist bei den Imperial Settlers sicher richtig. Auch wer sich für gelungene Spielmechaniken interessiert kommt hier auf seine Kosten, da man dem Spiel seine klugen Designentscheidungen anmerkt. Wer darüber hinaus noch Spaß daran hat siegpunkteffektives Ressourcenmanagement zu betreiben ist bei den Imperialisten nahezu perfekt aufgehoben und kann sich sogar am Deckbau versuchen. Nur familientauglich ist es doch nicht geworden und ein kleines bisschen fehlt mir der um einiges besser eingepflegte Hintergrund von New Era, bei dem man viel mehr das Gefühl hatte eine Welt zu entdecken und überrascht zu werden…
PS. Ignacy Trzewiczek ist neben Imperial Settlers, 51st State und New Era auch der Macher von Robinson Crusoe
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