Friedlos – Irrfahrt im Nebel
Abenteuer 196
Mal wieder ein Thorwal Abenteuer. Dieses Mal ein halbes Erstlingswerk. Halb weil das Autorenduo Vogt bereits ein Kurzabenteuer in Legenden aus Dunklen Zeiten verfasst hat. Wie man bei einem Thorwaler Abenteuer erwarten mag, spielt es natürlich in Thorwal, allerdings den Großteil der Zeit auf dem Wasser und nicht auf dem Festland. Die Zeit ist für das Jahr 1036-offen angegeben, kann aber variiert werden, die Anforderungen für den Spielleiter sind hoch für die Spieler mittel und gefordert werden die normalen Talente und Fähigkeiten von erfahrenen Helden.
Anmerkung: Im pdf fehlt bei einigen Seitenverweisen die Zahl. Also Vorsicht.
Einleitung und Anhang
Hier wird ausführlich geklärt was der Hintergrund der ganzen Sache und wie das Abenteuer so grob geplant ist. Außerdem finden sich hier Erklärungen zu potentieller Musik und einigen wichtigen NSCs, die in diesem Abenteuer aber nur zum Teil wirklich auftauchen.
Im Anhang befinden sich Handouts und Karten zu bestimmten Gebieten, die obligatorischen NSC Beschreibungen und ausführliche Erklärungen der Fraktionen in diesem Abenteuer.
Unter Friedlosen
Hier beginnt das Abenteuer. Die Helden erfahren auf unterschiedlichen Wegen davon, dass die Hetfrau Marada eine Reise zu Swafnirsland plant und dabei eine ziemlich große Anzahl an Mitfahrern um sich scharrt. Die Helden können also entweder selbst mitfahren wollen oder werden beauftragt heraus zu finden ob da nicht doch einfach ein Überfall auf irgendeine Küstenregion geplant ist.
Die ganze Reise soll von eine kleine Insel in Thorwal starten und zu diese Insel gelangen die Helden – so sie nicht ein eigenes Boot haben – auf der Paradisvogel, einem Schiff welches spirituell von einer Avesgeweihten geführt wird.
Auf der Insel angelangt können sie sich erstmal mit allen bekannt machen und erfahren vermutlich, dass die Hetfrau einer Prophezeiung folgt, werden aber recht schnell von dem Seher Egil beauftragt doch nach seinem Spähtrupp zu schauen, der nicht von einer Nachbarinsel zurückgekommen ist. Zusammen mit einigen anderen erkunden sie die andere Insel und finden Reste des Trupps unter dämonischer Kontrolle. Nachdem sie diese Reste beseitigt haben müssen sie feststellen, dass andere Reste ihr Boot und ihre Begleiter getroffen haben und sie jetzt auf einer Insel festsitzen. Mit einem halbwegs repariertem Boot gelangen sie zurück zur Flotte und können dort von den Geschehnissen berichten. Doch es dauert nicht lange und die Mächte, die auf der Insel geweckt wurden rollen auf die Flotte zu und treiben alle Bewohner (Einwohner und Teilnehmer) auf die Schiffe und auf ihnen aufs Meer.
Der Anfang des Abenteuers mit seinem irre variablen Einstieg ist durchaus gelungen. So kann man Charaktere unterschiedlichster Couleur zusammen bringen und auf Kurs setzen. Das es ein fertiges Schiff mit jeder Menge Besatzung gibt mit der sich die Helden identifizieren können, ist im Grunde genau so, wie man sich das als Spielleiter wünscht: Ein Vorschlag für eine Sache, aber kein Muss. Denn natürlich können die Spieler auch ganz anders zur Insel gehen.
Das erste Kapitel ist aber definitiv nichts für Anfängerspielleiter. Nicht weil die Geschichte so unglaublich komplex ist – die könnte ein sechsjähiger leiten – aber weil es so viele NSCs gibt, die alle irgendwo eingebracht werden müssen um den richtigen Fokus zu setzen. Man fühlt sich beim Lesen ein wenig, als hätten die Autoren versucht den Preis für die längste Liste an NSCs zu gewinnen…
Eine Sache mag dann allerdings doch dem einen oder anderen Spielleiter sauer aufstoßen: Der unter den Leuten wandelnde Gott. Ja, dass ist nicht das Verbrechen der Autoren, den gab es schon vorher und es wird auch extra gesagt, dass man ihn ja nicht als das auftreten lassen muss, aber alleine seine Erwähnung und die Szene, die ihm zufällt, zeigt doch irgendwo, dass die Autoren davon ausgehen, dass viele Spielrunden darauf stehen in schwierigen Situationen von Göttern gerettet zu werden anstatt das selbst zu schaffen… Ob das so der Realität draußen an den Spieltischen entspricht?
Bei einigen Begebenheiten muss man etwas aufpassen, wie realitätsnah das denn ist. Denn der Vorschlag den Mörder von jemandem an Bord eines Schiffes daran fest zu machen, welche Haare sich auf der Leiche befinden, ist schon arg abstrus (Ja, da stehen auch noch andere Vorschläge, aber dieser ist der erste und somit wohl offensichtlich wichtigste).
Die Irrfahrt der Friedlosen
Nachdem die Flotte vor dem aufziehenden Nebel und seinen Schrecken auf See geflohen ist, macht sich zunächst einmal Unruhe breit. Niemand weiß was genau das nun ist, aber es fängt an, die Thorwaler Flotte zu jagen und auf der See hin und her zu scheuchen und dank der Erlebnise auf der Insel wissen die Helden zumindest, dass irgendetwas Menschen in Besitz nimmt was Quallenform hat. In all dem Troubel zwischen Nebel und Angriffen feindlicher Schiffe können die Helden einiges leisten. So gibt es nicht nur die Ressourcen zu verwalten, sondern auch immer mal wieder einen Streit auf dem Schiff und andere Unwägbarkeiten.
Nachdem so einige Zeit in die See gezogen sind, findet die Flotte eine kleine Insel auf der es zwei wichtige Ereignisse gibt. So wird zum einen ein Artefakt gefunden, zum anderen die wahren Gedanken einer wichtigen Person enthüllt und deren Schicksal besiegelt.
Ebenso wichtig ist ein Ereignis bei dem die Helden bemerken können, dass sich Personen nicht vollständig hingegeben haben müssen, wenn sie von Quallen besetzt sind, denn es gibt zwei Splittergruppen mit denen die Helden dann verhandeln können – natürlich zusammen mit dem Rest der Flotte, der der Sache teils sehr skeptisch gegenüber steht. Als Belohnung für die Verhandlungen winkt der wahre Name der Dämonin für später.
Außerdem lässt sich eine schwimmende Stadt finden. Ein Überbleibsel aus der ersten Flotte von Fran Horas, das auf der See geblieben ist und nun noch mehr Schiffe als Verbund mit sich herum schleppt. Auf diesem wohnen jede Menge Leute und für die Thorwaler scheint es eine gute Gelegenheit mal wieder auf Kaperfahrt zu gehen nach dem ganzen ziellos im Nebel umherziehen. Die Helden jedoch müssen hier den Strömungskompass aus einem Tempel holen, der für später gebraucht wird.
Der wohl für den Spielleiter schwierigste Teil des Abenteuers. Muss er doch dafür sorgen, dass die Spieler für unter Umständen Monate weiterhin Spaß an der “wir fliehen vor dem Nebel”-Situation haben. Um dafür zu sorgen haben sich die Autoren neben den wichtigen Szenen noch einige Nebenszenen einfallen lassen, die der Spielleiter beliebig einstreuen kann. Für zusätzlichen Spaß sorgen einige Seiten an Zufallstabellen, welche weitere Ereignisse ins Abenteuer einstreuen.
Die Reihenfolge der Abenteuer ist nicht richtig festgelegt, aber es gibt Vorschläge wie man es machen soll und so sollte es ja auch sein. Die drei Hauptabenteuer, welche den Helden die drei Sachen geben, die im Finale benötigt werden, sind natürlich entsprechen ausführlich erklärt. Sie bringen den Spielern mal etwas anderes als ständige Seeschlachten und Besessene finden, wobei auch hier der Spielleiter aufpassen muss, dass die Helden nicht in die falsche Richtung laufen. So ist es zwar angedacht, dass durchaus die Helden Chef von allem werden, aber es halt nicht müssen und unter Umständen die “Phileasson-Problematik” erzeugt wird. Zumal dies hier noch dadurch verstärkt wird, das die Flotte gezwungener maßen zusammen arbeitet und das nicht aktiv gewollt hat und dadurch die einzelnen Kapitäne natürlich auch ihre eigene Sache machen wollen.
Der Stein von Prem
Die Flotte ist dank des Kompass (oder anderer Talente) endlich wieder an Thorwals Küste angelangt und wird von der Hexe Tula gerufen. Diese hatte ja ursprünglich die Prophezeiung ausgesprochen und ist jetzt selbst etwas geschockt von den Ereignissen. Hier können die Helden nochmal rekapitulieren und alle Zusammenhänge erfahren und vor allem auch, was sie als nächstes machen müssen. Nämlich die alte Stele, die in Prem in der Stadt steht an einen anderen Ort bringen, weil sich die Kraftlinien verschoben haben.
Doch wie klaut man ein so riesiges Ding? Und stimmt die Geschichte vielleicht über das Monster unter der Stele, das damit eingeschlossen wurde? Und was ist mit dem Nebel? Wird er auch in Prem Opfer fordern? Dies alles ist den Helden (und dem Rest der Flotte) überlassen.
Dieser Teil des Abenteuers ist sehr offen gehalten und enthält gerade die richtige Mischung aus Vorgegebenem und jenem was sich der Spielleiter selbst ausdenken muss. Der erste Teil bei der Hexe dient dazu, dass die Helden nochmal alle Informationen sammeln können, denn es ist relativ wahrscheinlich, dass sie nicht hinter alles gekommen sind. Der zweite Teil in Prem hängt dann von der jeweiligen Spielergruppe ab und endet mit einem größeren Kampf.
Hetzjagd ins Gjalskerland
So haben die Helden nun mitsamt einigen der Friedlosen eine riesige Steinstele gestohlen oder erhalten und müssen sie zu ihrem Bestimmungsort bringen. Wo genau das ist, erfahren die Helden durch das Artefakt was sie haben (oder auf anderem Weg) und so landen sie verfolgt von dem fiesen Nebel gerade noch so eben an Land. Dabei verklemmt sich jedoch die Stele und die Feinde greifen an. Erst das Auftauchen von einer Gruppe Mammuts unter einem Durro-Dhun sorgt dafür, dass die Gruppe weiter ziehen kann. Es geht über das Hochland des Gjalskalandes zum heiligen Wald in dem die Stele aufgestellt werden muss. Doch natürlich versucht auch hier der Feind alles um die Helden das Ritual nicht wieder erneuern zu lassen.
Oookkkaayyy… jetzt haben wir also eine Gruppe Flüchtlinge mit einem riesigen Steinhaufen (angegebenes Gewicht: 5500 kg) der irgendwo hin muss, wo die Helden noch gar nicht genau wissen wo das ist. Dann werden sie kurz vor der Landung – mal wieder – überfallen und das Ding steckt plötzlich zwischen Felsen fest. Soweit so gut. Jetzt kommen aber ein paar Mammuts daher und schon ist das Ding mir nicht, dir nichts aus seiner misslichen Lage befreit [Asiatische Elefanten haben eine Zugkraft von etwa 450kg…] Aber gut.. sind halt besonders kräftige Mammuts, die irgendwie so clever sind das alle gleichzeitig ziehen zu können… aber wie um alles in der Welt sollen die Helden innerhalb von 15 Kampfrunden! [wir erinnern uns eine Kampfrunde in DSA ist 3 Sekunden, entspricht also weniger als einer Minute] da Taue um das Ding geschlungen haben UND es auch noch rausgezogen haben? Warum steht das da überhaupt und man überlässt das nicht dem Spielleiter?! Druckfehler und sollte 15 Spielrunden heißen? Und weiter gehts.. wir haben einen Weg vor uns von etwa 50 Meilen. Jetzt gibt es da – wiederum – diese Angabe, dass das ja in 10-14 Stunden zu schaffen sein. Wohlgemerkt wir sprechen hier nicht von total ausgeruhten Leuten, sondern von welchen die unter Umständen eineinhalb Jahre auf dem Meer verbracht haben, vor kurzem den Krakenmolch bekämpft haben und dann nochmals angegriffen wurden und mit Sicherheit nicht in bester Verfassung sind…
Natürlich mag es Gruppen geben, die damit kein Problem haben (und vielleicht gar nicht drüber nachdenken), aber genauso dürfte es keine geringe Anzahl an Spielern geben, die da nur ungläubig drein schauen. Und dann vermutlich die Würfel wegwerfen, wenn es dann heißt, ja aber nach dem Gewaltmarsch doch bitte schön direkt die Endschlacht…
[In der sich leider zeigt, dass es mit Regelkenntnissen nicht so ganz Zeit her ist bei den Autoren – zumindest für diesen Fall. Wer vorschlägt einen 5.500 kg Stein mit einem Motoricus zu heben, der hat wohl den Motoricus noch nie verwendet. Nur mal der Übersicht halber: Die KK des Zaubers entspricht ZfP*/2 + 7. Man kann zwar schwerere Objekte bewegen, aber die Liste hört bei vierfachem des normal zu tragendem Gewichts auf – nur um euch einen Wert zu geben: um das Ding normal heben zu können, würden man ca 11.000 ZfP* benötigen, beim vierfachen immerhin noch fast 3000… muss man wohl nichts zu sagen – dennoch sagen die Regeln nichts über die Obergrenze, erfasst sind aber die Kosten. Und die sind nunmal 1Asp pro 5 Stein.. jaa.. das wären über 1000 AsP! Wo sollen die denn her kommen?! – Aber vielleicht ist diese Szene ja auch gar nicht nötig, ist eh ein NSC der das so machen soll.]
Die Endschlacht allerdings ist durchaus ordentlich geschrieben mit den verschiedenen Aufgaben und was da alles passieren kann und wann. Da kann man nicht meckern. Wenn die eigene Gruppe also nicht viel Wert auf Glaubwürdigkeit von Handlungen legt, ist das Finale gut zu spielen.
Fazit:
Ist es nun ein gutes oder ein schlechtes Abenteuer? Schwierige Frage. Es ist ein Abenteuer was sehr speziell ist und nicht allen Gruppen Spaß machen wird – andererseits welches Abenteuer ist das schon? Speziell ist es vor allem in der Hinsicht, dass nicht jedem die lange Zeit auf See Spaß machen wird, auch wenn das Abenteuer alles versucht es dem Spielleiter so einfach wie möglich zu machen, auch auf hoher See immer etwas zu tun zu haben. Die zweite Sache ist die irre hohe Anzahl von durchaus wichtigen NSCs. Hier werden viele Spieler schnell überfordert sein und ziemlich sicher an der einen oder anderen Stelle einfach Leute vergessen, was dann wiederum für den Spielleiter bedeutet, dass er da extremst drauf achten muss, auch ja alles wichtige zu erwähnen (was zwar erleichtert wird im Abenteuer durch Listen am Anfang jedes Abschnitts, aber einem die Arbeit am Tisch natürlich nicht abnimmt).
Der dritte Punkt ist natürlich die Handlung an sich. Auch hier muss die Spielgruppe Spaß an solch cthulhoiden Handlungen und Gegnern haben und Lust darauf mit der Paranoia zu spielen, dass jeder andere doch dem Feind angehören könnte.
Der letzte und vielleicht wichtigste Punkt ist jener, dass unter Umständen die Helden bloß Mitläufer des ganzen Abenteuers sind. Es ist so geschrieben, dass es auch völlig ohne Helden funktioniert, weil genug andere da sind, die dann einspringen können. Das kann bei empfindlichen Spielern schnell das Gefühl erzeugen eigentlich über zu sein und es doch einfach den Rest machen zu lassen. Hier muss der Spielleiter wirklich extremst aufpassen.
Handwerklich ist es aber definitiv ein gutes Abenteuer, welches auch für kritische Punkte, die vielleicht nicht erfüllt werden Ersatzmöglichkeiten bietet.
Mit freundlicher Unterstützung in Form eines Rezensionsexemplars von der Ulisses-Spiele GmbH und dem F-Shop.
Danke für die ausführliche Rezi, das wohl!
Als Hilfe für den Spielleiter möchte ich noch auf drei Punkte eingehen:
Wie du schon sagst, hat nicht jede Gruppe Spaß an Seekämpfen und/oder Paranoia. Daher sollte die Irrfahrt genau so lange ausgespielt werden, wie Meister und Spieler Freude daran haben. Daher haben wir ihre Länge flexibel gestaltet. Also, bitte nicht auf Namenlosen komm raus jeder Ereignis bringen wollen. Es ist nur ein Angebot.
Genauso die lange NSC-Liste. Diese ist ebenfalls nur ein Angebot und notwendig, um dem Meister eine möglichst große Liste potentieller zu bieten. Nicht alle müssen vorkommen. Im Abenteuer empfehlen wir, nur diejenigen weiter vorkommen zu lassen, die die Helden gezielt anspielen oder die dem Meister gut gefallen. So ein Hinweis geht aber bei einem langen Band wie Friedlos schnell unter.
Was den Motoricus angeht: Er ist nur als zusätzlicher, entscheidender Tropfen zu verstehen, der das Fass zum überlaufen bringt. Natürlich muss er durch andere Maßnahmen unterstützt werden. Ich habe es gerade noch mal nachgelesen und sehe, das kommt nicht gut raus, daher wollte ich es hier nochmal erwähnen …
*freu* Genau so wünscht sich ein Rezensent einen Kommentar des Autors zu seiner Rezension. Top! Angesprochene Dinge passend und erwachsen erklärt. So mag ich das.
Ich auch :)