Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust

Ein Friday Five von Infernal Teddy

Die Reaktionen der deutschen Rollenspielszene auf die Ergebnisse der am Wochenende zuende gegangenen Tenebrae Noctis finde ich immer wieder erstaunlich und ein wenig schockierend. Während man international im großen und ganzen es begrüßt das beide Welten der Dunkelheit weiterhin bedient werden, und das erstmal Onyx Path ihre – wenn man es objektiv betrachtet – großartige Arbeit fortsetzen werden, sieht es hier in Deutschland etwas… toxischer aus. Schaut man sich zum Beispiel den Diskussionthread im Tanelorn an, so fällt auf, wie schnell zum Teil sehr agressiv und / oder abfällig über die jüngst umbenannte Chronicles of Darkness herziehen, oder prinzipiell alles verteufeln, was OPP veröffentlichen – obwohl es ohne OPP möglicherweise gar keine Welt der Dunkelheit gäbe.

Ich finde diese arg toxische Diskussionskultur unnötig undziemlich kindisch. Und ich verstehe die Vehemenz nicht, überhaupt nicht. Schließlich haben beide Welten der Dunkelheit völlig andere Zielsetzungen und Themen, und das Geschimpfe darüber, das OPP bei der alten Welt der Dunkelheit ja Dinge geändert… naja, etwas ironisch wenn man sich die damaligen Regeländerungen vor Augen führt, welche aus Plotgründen beim wechsel von der 2nd Edition zu den Revised/3rd editions der verschiedenen Spiele durchgeführt wurden.

Und wo stehe ich in der ganzen Debatte? Ich sehe eine Daseinsberechtigung für beide Welten – jede hat seine Vor- und Nachteile, manche Themen werden von einer Welt besser bedient als von der anderen, und insgesamt habe ich keine deutliche Präferenzen. Ich beleuchte im folgenden – ihr habt es vielleicht geahnt – je fünf Gründe, warum man die alte bzw. die neue Welt der Dunkelheit bespielen sollte. Und danach verrate ich jeweils meine fünf Lieblingsspiele.

1.) Metaplot
Man kann über die Welt der Dunkelheit sagen was man möchte, aber es gibt nur wenige Rollenspielwelten, die über eine so lebende und sich entwickelnde Storyline hatten als die Spiele, welche die Welt der Dunkelheit ausmachten – mir fallen vergleichbar eigentlich nur Shadowrun und *schauder* Das Schwarze Auge ein. Ich bin kein so großer Fan der Metaplots – der für Mage löst bekanntlich auch heute noch sehr schnell Flame Wars aus – aber man bekommt als Leser der verschiedenen Regel- und Quellenbücher schnell das Gefühl, es mit einer lebenden und sich bewegenden Geschichte zu tun zu haben. Dazu noch Charaktere die man im Laufe der Zeit kennen und schätzen lernt, wie Lucita aus den Clansromanen, oder dem fast nicht wahnsinnigen Erzmagus Porthos Fitz-Empress.

I.) Sandboxing
Wem Metaplots nicht gefallen, wer gerne die Freiheit hat, seine Spielwelt so zu gestalten wie sie ihm gefällt, der wird mit den Chroniken der Dunkelheit glücklicher – jedes Setting, jedes Quellenbuch ist ein Werkzeugkasten, welches völlig unabhängig von den anderen Büchern in die eigene Kampagne integriert werden kann. Oder auch nicht, je nach Bedarf. Das heißt also, das man nicht gezwungen ist, jedes einzelne Buch kaufen zu müssen, ob es einem interessiert oder nicht, nur um der Handlung der Welt folgen zu können, sondern man kann sich die Elemente zielgenau herauspicken die man haben will, ohne das man gleich enttäuschte Spieler hat, welche sich beschweren weil die Vampire, die in der Mage-Chronik auftauchen, eben nicht wie die aus Requiem sind. Damit wird die eigene Chronik individueller, persönlicher und erinnerungswürdiger.

2.) Innovative Settings
Damit ist keineswegs gemeint das die Settings der Chroniken der Dunkelheit unkreativ sind, aber die Settings, die kollektiv die Welt der Dunkelheit ausmachen haben nun mal direkt und indirekt sehr vieles geprägt, was ihnen folgte. Und damit sind nicht nur Rollenspiele gemeint – schaut man sich in der Medienlandschaft um, so fallen einem gleich mehrere Dinge ein, die von der Welt der Dunkelheit abgeschrieben haben. Underworld (Nicht die Band) zum Beispiel war so nahe das es zum Prozess kam. Und True Blood erweckt auch öfter den Eindruck, als wäre es davon inspiriert. Aber auch Ascension mit seiner radikalen Reinterpretation des Magiers in der Gegenwart, Wraith mit seiner Neuerfindung der Geistergeschichte, oder Changeling, welches die Feengeschichten durch eine postmoderne Linse betrachtet präsentieren sich als Settings, wie man sie vorher nie gesehen hatte.

II.) Stabile Regeln
Einer der ganz großen Vorteile der Chroniken der Dunkelheit gegenüber ihrem Vorgänger sind auf jeden Fall die Regeln. Bei der Neuerfindung des Storyteller-Systems wurde die Schwierigkeit vereinheitlicht, die „Einser als Negativerfolge“ fielen weg, die Anpassung der Schwierigkeit verläuft nur noch über die Anzahl der Erfolge, und es macht jetzt einen Unterscheid ob man Werkzeuge benutzt, und wenn ja, was für Werkzeug. Damit wird es für den Spielleiter sehr viel einfacher abzuschätzen, wie leicht oder schwer eine Aufgabe den Charakteren fallen dürfte, und wie wahrscheinlich ein Scheitern wird. Aber auch den Spielern wird so sehr schnell klar, ob die Erfolgschancen zu ihren Gunsten liegen.

3.) EINE Welt der Dunkelheit
Die Tatsache, das all diese verschiedenen Spiele mit ihren Settings eine große, ganzheitliche Welt bilden, finde ich nach wie vor großartig. ich finde es toll das ich – wenn ich das möchte – meinen Dreamspeaker-Magus auf ein Abenteuer schicken kann zusammen mit dem Get of Fenris-Werwolf, der Mumie, dem Changeling-Troll und dem Geist seines besten Freundes um dem Sabbatvampir den Garaus zu machen, der im Pentex-Vorstand sitzt. Gut, gekoppelt mit dem oben schon angesprochenen Metaplot wird das schon wieder aus „Anwendersicht“ schwieriger, denn schon muss man unter Umständen bis zu zehn oder elf Reihen komplett erwerben, um wirklich ALLES einzubringen, was man für seinen Crossover haben möchte, aber alleine die Option zu haben ist schon großartig.

III.) CrossoverFÄHIG
Die Kehrseite der Medallie ist natürlich, das die Regeln der Welt der Dunkelheit das nicht hergeben – die verschiedenen Spiele sind alle ein ganz klein wenig Inkompatibel vom Regelwerk her, so das man als Spielleiter sehr viel handwedeln muss damit alles passt. Anders die Chroniken der Dunkelheit – hier ist das System darauf ausgelegt, Crossover einfach und schmerzlos zu ermöglichen. Alle Spiele funktionieren nach den selben Regeln, jeder „Splat“ hat sein „Powerstat“ wie Blood Potency (Requiem), Gnosis (Awakening) oder Clarity (Lost), ein Wert welches nicht nur die Kräfte des Charakter antreiben, sondern auch den direkten Vergleich bzw. den Widerstand zwischen den Splats ermöglichen. Das die einzelnen Charaktertypen durch die gemeinsame menschliche Basis auch vergleichbarer werden ist noch ein netter Bonus.

4.) Große Verschwörungen
Mit seinen vielen großen und kleinen Verschwörungen, Geheimgesellschaften und Kulten ist die Welt der Dunkelheit natürlich ein Produkt der neunziger Jahre (Wie erinnern uns, das war auch die Hochzeit der Mysteryserien wie die X-Files oder Millenium), aber genau das macht zu einem gewissen Teil auch den Reiz der Welt aus. Schließlich hat man nicht nur die Chance, Dinge wie den Inconnu, Pentex oder der Technokratie auf die Schliche zu kommen, man bekommt auch als Spieler bzw. als Charakter die Möglichkeit, selbst Teil einer solchen mächtigen Geheimgesellschaft zu werden und damit aus den Schatten heraus die Geschicke der Welt zu lenken. Zumindest zu einem gewissen Teil. Immerhin wissen wir ja alle, das jeder ventrue der was auf sich hält den einen oder den anderen Politiker und Wirtschaftsboss auf der Gehaltsliste hat, oder…?

IV.) Menschen als Charaktere
Einer der ganz großen Innovationen der Chroniken der Dunkelheit bei ihrer Veröffentlichung war, das alle Charaktere zuerst als Menschen erschaffen werden. Wenn man rein mit dem Grundregelwerk spielt, spielt man Menschen, und alleine damit hat man schon ein recht gutes Horror-Rollenspiel. Jedes Splat der Chroniken basiert auf den Menschen, ist ein Template, welches auf einen Menschen „aufgestülpt“ wird. Damit wird der Mensch bzw. das Menschsein zum Kern der Spielwelt, und auch wenn man darauf verzichtet, den Charakter als Menschen zu spielen, selbst während des Präludiums, so fällt es hier recht einfach zu erkennen, wie zum Beispiel ein Werwolf im Vergleich zu einem Menschen abschneidet. Und man kann alleine mit dem Grundregelwerk (aber auch zusammen mit den allgemeinen Quellenbüchern) schon richtig gute Kampagnen spielen.

5.) Wraith: the Great War
Wenn es ein Spiel gibt, welches die Existenz der gesamten Welt der Dunkelheit rechtfertigt,dann ist es… nein, nicht Mage: the Ascension. Fast, aber ich würde ganz knapp dem historischen Setting zu Wraith: the Oblivion den Vorzug geben. Der erste Weltkrieg ist als Rollenspiel immer noch ziemlich unerschlossenes Terrain, außer Wraith kommt es nur noch wirklich in Cthulhu zum tragen, aber hier vermischt es auch noch mit dem einzigartigen Geistergeschichten-Setting von Wraith zu einem wirklich apokalyptischen Horrorsetting, in der das Grauen der Unterwelt mit der Brutalität und der Grausamkeit des Menschen verschmilzt.

V.) Requiem for Rome
Ich bin der Erste der zugibt das Vampire: the Requiem in seiner ersten Ausführung etwas arg nahe an seinen Vorgänger ist, aber wenn es um historische Settings geht hat es meiner unbescheidenen Meinung nach deutlich die Nase vorn. Requiem for Rome hat als Setting die ungewöhnliche Epoche des späten Imperium Romanums, und besteht nicht nur aus einem großartigem Setting, sondern auch noch einer brillianten Kampagne, Fall of the Camarilla, welche ich hoffentlich irgendwann mal komplett durchleiten werde. Ich habe allerdings bereits an anderer Stelle einiges an Worte dazu verloren…

Top 5 Welt der Dunkelheit-Spiele:
5.) Mage: the Sorcerers Crusade
4.) Kindred of the East
3.) Dark Ages (Vor allem Dark Ages: Mage)
2.) Wraith: the Oblivion
1.) Mage: the Ascension

Top 5 Chronicles of Darkness-Spiele:
5.) Requiem (Vor allem Requiem for Rome)
4.) Promethean: the Created
3.) Changeling: the Lost
2.) Core / Hunter: the Vigil
1.) Mage: the Awakening

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