Zeitkurier
Ein Roman von Wesley Chu
Im 26ten Jahrhundert haben dutzende große Ressourcenkriege der letzten Jahrhunderte um die Planeten bzw deren Rohstoffe die Menschheit an den Rand des Untergangs getrieben. Die Erde ist seit langem verseucht und wird hauptsächlich von wilden Stämmen bewohnt, die übrigen Menschen sind über Planeten und Monde des Sonnensystems verstreut und hoffen meist nicht mehr auf eine goldene Zukunft, da ihnen die Energie zum Betreiben der Kolonien ausgeht. Die ChronoCom bietet für jeden der Zahlen kann an, Gegenstände aus der Vergangenheit zu besorgen, aber nur solange dabei keines der Zeitgesetze verletzt wird und die Gegenstände nur aus „toten“ Zeitlinien genommen werden – also etwa aus einem Wald, der abgebrannt ist, oder einem Gebäude, welches in die Luft gesprengt wird. Denn deren Verlust wird dann niemandem auffallen und somit kann es nicht zu Verwerfungen im Chronostrom kommen, die sicherlich gravierende Auswirkungen hätten.
James ist es schon lange leid bei der ChronoCom zu arbeiten und nach und nach den Verstand zu verlieren nur damit irgendein reicher Schnösel ein Artefakt besorgt bekommt. Die Aufträge Energie für die Menschheit zu besorgen sind zwar geringfügig besser, aber auch alles andere als leicht, wenn man die Menschen ihrem für James sehr sicherem – und tödlichen – Schicksal in der Vergangenheit überlassen muss. Doch leider hat er keine Wahl. Wer einmal Chronaut geworden ist, muss sich die Freiheit erst wieder durch den Lohn der Aufträge erkaufen. Und da sich die Sorgen und das Leid so wunderbar in Alkohol ertränken lassen, bleibt von dem Lohn nicht viel übrig. Obwohl James ein Stufe-1 und damit einer der besten Chronauten der gesamten Institution ist.
Eigentlich hätte also James noch mindestens fünf weitere Jahre solche Jobs zu erledigen als ihm ein besonders lukrativer auf der Erde angeboten wird. Er soll ein paar Gegenstände von einer Militärstation im Nordmeer bergen, die wenig später in die Luft fliegen wird und bekommt dafür vier der fünf Jahre erlassen. Und bei diesem Auftrag passiert es. James kann nicht mehr länger mit ansehen wie Menschen mit denen er sich unterhalten hat innerhalb eines Augenblicks einfach tot sind und so bricht er das wichtigste und erste Gesetz: Bringe niemals jemanden aus der Vergangenheit mit in die Gegenwart.
Sein Vergehen bleibt nicht lange unbemerkt und so setzt sich Levin auf seine und Elises Fährte. Levin, der für die Erde zuständige Revisor, welcher sich nicht so ganz damit anfreunden möchte, dass der Konzern, welcher den Auftrag ursprünglich gab auch ein Wörtchen mitreden möchte und offensichtlich mehr hinter der Sache steckt als man zuerst vermuten mag.
Es handelt sich hier um den ersten Teil einer Trilogie – zumindest ist das bislang der Plan, erschienen ist auf deutsch aber nur dieser nicht gerade dünne Roman, auf englisch ist auch der zweite Teil schon veröffentlicht.
Der Roman selbst besticht vor allem durch sein World-building. Es ist eine dreckige Zukunft, die Chu beschreibt, in der die meisten Menschen als Sklaven oder Vieh gehalten werden oder als Wilde jeden Tag um ihr Essen fürchten müssen, während ein paar wenige große Konzerne den Weltraum zwischen sich aufgeteilt haben. Die zweite Schiene des World-building ist natürlich das Zeitreisen und der technische Fortschritt an sich. Die Überlegung aus dieser verlotterten Gegenwart in die Vergangenheit zu reisen und die Güter zu besorgen, die benötigt werden – oder das Artefakt, wenn es ein reicher Schnösel denn bezahlen kann. Und das alles so, dass nicht auffällt das etwas irgendwie verschwunden ist. Welche Folgen das haben würde wird zwar nicht klar gesagt, und es ist zumindest James und auch Levin nicht bekannt, aber wer zwischen den Zeilen lesen kann, kommt auf die Idee, dass diese Frage eine sehr große in den kommenden Romanen werden könnte.
Die Charaktere sind allerdings etwas flach und relativ einseitig, aber da es mehr um die Geschichte und eben die Welt geht, kann man da als Leser gut mit leben.
Die Übersetzung ist flüssig und gut zu lesen, leider ist der Hauptwitz nicht zu übersetzen. Im englischen Original heißen die Chronauten Chronman, was mit Sicherheit eine Anspielung auf einen Conman ist, also einen Hochstapler oder Schwindler, als was er auch von Elise gerne bezeichnet wird.
Es scheint im übrigen auch ein Film von Michael Bay geplant zu sein.. ob das nun gut oder schlecht ist, muss wohl jeder für sich entscheiden. Was aber auf jeden Fall ganz wunderbar mit dieser Vorlage geht, ist daraus ein eigenes Rollenspielsetting zu erstellen in dem die Charaktere Chronauten sind und Gegenstände aus der Vergangenheit holen müssen und dann vielleicht auch mit dem entsprechenden Storyarc, der dieser Trilogie zugrunde liegt und der natürlich hier nicht verraten wird.
Fazit
Ein schicker Sci-Fi Roman einer dreckigen Zukunft, eine spannende Geschichte, die sicherlich mit (un)erwarteten Wendungen überraschen wird und ein wirklich gutes World-building. Mit diesem Roman kann man wenig falsch machen – natürlich wenn man grundsätzlich solche Geschichten mag.
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