Wraith: the Oblivion, 2nd Edition, Teil II
Eine Besprechung aus der Welt der Dunkelheit, von Infernal Teddy
Wir sind zurück bei unserer Besprechung der 2nd Edition von Wraith: the Oblivion. Wir hatten uns letztes Mal die Beschreibung des Settings angeschaut, die Unterwelt und wo sich die Verstorbenen herumtreiben. Heute wenden wir uns dem zweiten „Buch“ des Regelwerkes zu, und damit dem Charakter und wie dieser mit den Regeln interagiert.
„Rebirth“
Kapitel vier des Buches präsentiert die Charaktererschaffung bei Wriath, oder zumindest die Charaktererschaffung für die Psyche, den eigentlichen Charakter. Diese funktioniert im Prinzip wie die Erschaffung bei jedem anderen Spiel der klassischen Welt der Dunkelheit, und ein Beispiel dafür findet sich nicht nur im Regelbuch selbst, sondern auch HIER. Kapitel fünf enthält die üblichen Beschreibungen der diversen Attribute, Fertigkeiten und Hintergründe, welche man auch aus den anderen Spielen dieses Settings kennt, aber auch die Arcanoi, die übernatürlichen Kräfte über welche Wraiths verfügen können. Arcanoi sind ähnlich wie die Diszipline bei Vampire aufgebaut, mit fünf Kräften welche man in Reihenfolge erwerben muss. Allerdings gibt es auch immer eine Art „Basiskraft“, welche theoretisch jeder Wraith nutzen kann. Was die Arcanoi ebenfalls von den Disziplinen unterscheidet ist das der Würfelpool immer aus einem Attribut und dem Arcanos gebildet wird, so das es auch bei niedrigen Kräften Auswirkungen hat wenn man die Fähigkeit besser beherrscht. Die Kräfte, welche den Toten zur Verfügung stehen, können sich entweder auf die Unterwelt bzw. dem Tempest beziehen, auf einzelne Wraiths, oder auf die Interaktion mit der Welt der Sterblichen. Zu den interessantesten Arcanoi gehören Castigate, welches dem Nutzer ermöglichen den Schatten eines Wraiths zu besänftigen und zeitweilig zu unterdrücken; Moliate, welches ähnlich wie bei Vampire die Disziplin Fleischformen die Veränderung der Gestalt des Geistes ermöglicht; Phantasm, um die Seelen der Menschen zu berühren und damit die Träume der Lebenden zu lenken; und Puppetry, mit dessen Hilfe ein Wriath die Kontrolle über den Körper eines Wirts in den Skinlands übernehmen kann – und dabei muss es sich nicht zwangsläufig um einen Sterblichen handeln. Das ist natürlich nur eine kleine Auswahl an Kräften, welche den Toten zur Verfügung stehen, und soll hier der Anschauung dienen.
Kapitel Sechs wendet sich dann dem Teil des Spiels zu, welches meiner Meinung nach zu den Kernelementen Wraiths gehört, dem Shadow. Wie bereits erwähnt handelt es sich beim Shadow um die dunkle, selbstzerstörerische Seite des Charakters, welche versucht die Psyche in den Untergang zu treiben, und welche von einem anderen Mitspieler am Tisch gespielt wird. Schatten werden in Zusammanearbeit mit dem Spieler entworfen, welcher den Schatten spielen soll, und beginnen mit dem Persönlichkeitsarchetypen, den der Schatten verkörpert – Dem Quäler, dem Märtyer, der Vaterfigur und so weiter. Danach werden die Dark Passions des Schattens entworfen, welche das Gegenstück zu den entsprechenden Leidenschaften der Psyche darstellen. Zuletzt bekommt der Schatten eine Reihe von freien Zusatzpunkten, welche für Kräfte ausgegeben werden können, die der Schatten gegen die Psyche einsetzen kann… oder zu dessen Nutzen. Wenn der Charakter bereit ist, den Preis des Schattens zu entrichten, versteht sich. Das Kapitel enthält viele Tipps und Ratschläge zum Spielen des Schattens, Hinweise worauf die beiden Spieler achten sollten, worauf die Spielleitung achten sollte, und auch die Regeln für Harrowings. Ein Harrowing ist ein mentales Duell zwischen Schatten und Psyche, bei dem einer der beiden Parteien gestärkt hervorgehen kann – was im Falle des Schattens sogar bedeuten kann das der Wraith zum Spectre wird, einem Wraith der nur noch den Zielen Oblivions dient.
The darker side
Das letzte Buch des Regelwerks eröffnet mit dem siebten Kapitel, welches sich der Spielleitung widmet. Dieses Kapitel ähnelt allen solchen Kapiteln, welche der geneigte Leser in den verschiedenen Spielen der Welt der Dunkelheit zu lesen bekommen hat, wobei natürlich auch auf die Besonderheiten des Spiels bzw. des Settings eingegangen wird, mit besonderem Augenmerk auf Passions, Fetters und Harrowings. Insgesamt empfinde ich dieses Kapitel als eine durchaus brauchbare Anleitung zum Leiten von Geistergeschichten.
Über Kapitel Acht und Neun müssen an dieser Stelle nicht sonderlich viele Worte verloren werden, es handelt sich hierbei um die Kapitel mit den tatsächlichen Spielregeln, welche in ähnlicher Form bereits aus den verschiedenen anderen Regelbüchern der Welt der Dunkelheit bekannt sein dürften. Gesondert zu erwähnen bleibt noch die Auswahl an Antagonisten, welche in Kapitel Neun aufgeführt werden, welche nicht nur Spectres und andere Wraiths aufführt, sondern auch seltsamere Bewohner der Unterwelt, und auch Bewohner der Skinlands und deren Organisationen. Abgeschlossen wird das Buch mit dem Index und dem Charakterbogen.
Fazit:
Warum erzählen wir einander Geistergeschichten? Dazu gibt es viele verschiedene Antworten: weil wir uns gruseln wollen, weil wir hoffen das es „uns“ auch über den Tod hinaus gibt, weil wir glauben wollen das es Dinge, das es Emotionen gibt, die stärker sind als selbst der Tod.
Weil wir jene vermissen die wir verloren haben.
Wraith: the Oblivion bietet all diesen Geschichten einen Raum, und lädt uns dazu ein, einander diese Geschichten zu erzählen. Wraith ist ein Spiel, in dem es – das mag etwas ironisch wirken – um das geht, was uns menschlich macht. Um unsere Gefühle und unsere Leidenschaften. Zugegeben, die Regeln des Storyteller-Systems lassen das Spiel hierbei an vielen Stellen einfach im Stich, was aber zum Teil auch einfach der Zeit geschuldet ist in der sie entstanden sind. Anderseits nahmen Elemente wie der Schatten und dessen Einsatz durch einen anderen Spieler Elemente der Indie-Bewegung der frühen 2000er vorweg. Wraith ist, wie ich bereits im Karneval zu Romantik und Liebe geschrieben hatte, ein Spiel der Romantik, und bietet dabei Geschichten Raum, welche man auf diese Weise in kaum einem anderen Rollenspiel das ich kenne bespielen könnte. Ist auch Mage: the Ascension mein Lieblingsrollenspiel, so ist es doch Wraith: the Oblivion, welches mein Herz in seinem kühlem gespenstigem Griff hält und nie mehr losgelassen hat.
„Wenn dein Leben vorbei ist, und du vor der letzten Auslöschung deiner Existenz stehst – wer ist denn für dich die wichtigste Person deines Universums?“
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