Winter der Toten
Ein Gastartikel von Kevin Ewe
Damit mich ein Spiel begeistert, muss erst mal mindestens eine Bedingung erfüllt sein: Entweder muss es einen fantastischen Mechanismus haben und jedes Rädchen schön ineinander greifen, oder es muss Flair, Atmosphäre und wunderbares Spielmaterial haben.
“Winter der Toten” verströmt so einen Duft. Eine eingeschneite Kolonie, Zombies, ein Haufen unterschiedlicher Charaktere, die sogenannten “Überlebenden”, vielleicht sogar ein Verräter in der Gruppe. Das Design ist stimmig. Yes! Nach obiger Regel kann ich auf keinen Fall enttäuscht werden. Entsprechend kann ich es seit Monaten kaum erwarten, die Deutsche Version in die Finger zu bekommen. Und zwei Wochen, nachdem die deutsche Übersetzung nun draußen ist, liegt die glänzende Packung endlich vor mir.
Die Story ist tatsächlich genau so simpel, wie man vermuten könnte: Die Gruppe eingeschneit, mitten in der Zombie-Apokalypse. Ich, genau wie jeder übrige der bis zu fünf Spieler, besitze zu Beginn zwei zufällig gezogene Überlebende, welche von nun an meine Gruppe bilden. Alle Gruppen zusammen bilden die Kolonie und müssen gemeinsam den Winter überstehen. Kooperativ halt. So einfach ist das.
Damit wir den Winter überstehen können, brauchen die Spieler Objektkarten. Besonders Nahrung ist wichtig, da nach jeder Runde die Überlebenden in der Kolonie versorgt werden wollen, sonst sinkt die Moral und fällt der Moralwert erst mal auf 0, ist das Spiel verloren. Aber je nach Spielziel, welches man aus 10 verschiedenen Zielen auswählen kann (die jeweils auch nochmal in einer leichten und einer schweren Version vorliegen) benötigt man möglicherweise auch noch etwas anderes. Medizin, Benzin, und Ausrüstungsgegenstände wollen unter den Karten gefunden werden.
Objektkarten kann man in eingeschneiten Gebäuden sammeln, die sich umliegend zur Kolonie befinden. Von Ort zu Ort kann man sich kostenlos bewegen, aber selbstverständlich ist jeder Gang in der Zombie-Apokalypse verdammt gefährlich, ist ja schließlich kein Tag im Tierpark; ein W12 zeigt nach jeder Bewegung an, ob man den Weg ohne Schadenspunkt, mit Schadenspunkt oder gar mit Bisswunde übersteht. Oh ja genau: Bloß keine Bisswunde würfeln. Denn jeder, der schon mal aus Versehen an einer Folge Walking Dead vorbei gezappt hat, weiß natürlich was passiert, wenn jemand einen Zombiebiss abbekommt. Er zombifiziert augenblicklich und steckt dann möglicherweise auch noch einen weiteren Überlebenden am gleichen Ort an. Dieser muss sich dann umgehend entscheiden, ob er den Helden-Suizid begeht, oder darauf hofft, dass er durch einen Würfelwurf eventuell doch nicht mutiert, aber setzt damit das Wohlergehen aller Überlebenden am gleichen Ort aufs Spiel.
Die Überlebenden werden mit Aktionspunkten in Form von Würfeln gesteuert. Mit den Aktionen kann man Zombies (und bei Bedarf auch andere Überlebende) angreifen, Objektkarten suchen, Barrikaden bauen (die die Zombies aufhalten), die Kolonie von Abfall (ausgespielte Karten) säubern oder Zombies anlocken.
Das Revolutionäre sind laut Hersteller Plain Hat Games die “Crossroads”-Karten, die den aktuellen Zug überraschend beeinflussen können, sofern eine bestimmte Bedingung zutrifft, z.B. “Wenn der aktive Spieler einen Überlebenden ins Krankenhaus zieht”. Was immer auch passiert, es ist in kleine Geschichten gekleidet und der aktive Spieler muss meistens entscheiden ob er etwas riskiert – zum Beispiel drei Nahrungsmarker entfernen, um einen Angriff auf die Kolonie abzuwenden – oder es eben sein lässt – und dafür dann verwundet wird. Der rechte Nachbar kontrolliert geheim,
ob die Karte während des Zuges ausgelöst wird. Das funktioniert sehr gut und bringt ein wenig Nervenkitzel ins Spiel, selbst wenn nichts passiert. Plain Hat Games hat angekündigt, insgesamt fünf Spiele mit dem Untertitel “Crossroads” herauszubringen und es ist zu vermuten, das eben diese Mechanik in jedem der Spiele irgendwie vorkommen wird.
Nachdem jeder Spieler einmal dran war, findet die Koloniephase statt. Überlebende essen oder hungern und als wenn das noch nicht genug Stress ist, gilt es jede Runde auch noch ein Zwischenziel zu erfüllen, wir brauchen zur Erfüllung weitere Karten, ein Scheitern wird drakonisch bestraft. In allererster Linie rücken den Spielern in der Koloniephase aber zahlreiche Papp-Zombies auf die Pelle. Die Orte füllen sich mit Beißern, je mehr Spieler an einem Ort sind, desto mehr schlurfen heran. Dabei kann ein Ort nur eine begrenzte Zahl an Zombies aufnehmen, wird die Schwelle überschritten und keine Barrikade wurde errichtet, stirbt ein Überlebender. Wieder sinkt die Moral.
Und so schlägt, schießt und sucht man sich durch den Todeswinter. Der Schwierigkeitsgrad variiert je nach Szenario arg. Von extrem einfach bis nahezu unschaffbar, leider ist das am Szenario nicht erkennbar, einzig die Spieldauer ist in drei Kategorien angegeben. Und ist ein Verräter dabei (ist der Fall in etwa 50% aller Fälle), haben die Spieler meiner Meinung nach so gut wie keine Chance.
Wie hat meine Oma immer gesagt? Einfach nur schön sein reicht nicht, Junge. Also gut: Damit mich ein Spiel begeistert, muss es Flair und Atmosphäre besitzen UND die Spielmechanik muss irgendwie rund sein. Wenn es um Zombies geht, bin ich da noch nicht einmal so anspruchsvoll. Hier wirkt mir jedoch einfach vieles zu aufgesetzt, zu zusammengeschraubt. Ein bisschen Zombies die auf verschiedenen Orten spawnen (City of Horror) hier, ein wenig geheimes Ablegen von Karten (Battlestar Galactica) dort, ein paar Karten mit Geschichten zum Entscheiden (Naufragos) sind auch immer nett. Und Verräter, die man per Diskussion enttarnen und verbannen kann, gibts doch sowieso überall, mögen alle, zack, geschüttelt – fertig ist Dead of Winter. Tatsächlich unterhält das ein paar Spiele lang, zumindest bis die Karten bekannt sind. Das einzige was jedoch nicht mit in den Mixer gekommen ist, ist ein wenig Seele, etwas eigenes.
Trotzdem: Auch wenn es “Winter der Toten” nicht nach ganz oben in meinen Spieleschrank schafft, es ist immerhin schön genug, um es garantiert an Halloween hervor zu holen. Da ist Atmosphäre schließlich wichtig.
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