Was machen mit Aventurien?
Altes wieder aufgewärmt
Heute gibt es wieder einen älteren Artikel von meinem alten Blog, allerdings einen, der aus meiner Sicht (Caninus wird das anders sehen) nichts von seiner Relevanz eingebüßt hat.
Ich scheine ja mit meinem letzten Post einer kleine “Krise” der DSA-Landschaft knapp zuvor gekommen zu sein. Verzeiht also wenn ich den Gunst der Stunde zuvor komme und lieber noch ein wenig über DSA rede, statt über ein kleines Projekt das ich gerade ausarbeite. Genauer gesagt möchte ich eigentlich NICHT über DSA sprechen, sondern über ein Element des “Gesamtwerkes DSA”: Aventurien, das Setting (und meiner unbescheidenen Meinung nach das eigentliche Kernstück des Ganzen). Meine Frage ist, was müßte mit Aventurien passieren damit man das Setting wiederbeleben könnte? Eine seltsame Fragestellung, denkt ihr? Möglicherweise, aber meiner Meinung nach eine durchaus wichtige.
Wenn ich Aventurien als das Kernstück von DSA bezeichne, dann meine ich das durchaus so wie ich es sage: Das Regelsystem ist egal. Man könnte genauso gut Aventurien auf D&D portieren, oder Savage Worlds, oder GURPS, oder… Wirklich entscheidend ist das Setting und das damit verbundene Spielfeeling, zu dem die Regeln zwar beitragen, aber nicht wirklich entscheidend sind. Allerdings leidet Aventurien meiner Meinung nach mitterweile vor allem an drei Problemen:
- Data Overflow: Natürlich sammelt sich im Laufe einer so langen Spielgeschichte eine Menge… nein, lasst mich das anders sagen, eine Menge Settinginformation an, die Frage ist nur, wie man damit umgeht. Aventurien hat mitterweile einen Punkt erreicht bei dem es zu jeder erdenklichen und unerdenklichen Frage nicht nur eine Antwort gibt, sondern eine unerträglich lange und trockene Lexiconerklärung gibt. Damit geht aber auch die Überforderung und Einschüchterung der Einsteiger einher: Den Neueinsteigern wird das Gefühl vermittelt das man nur dann richtig DSA spielt, wenn man einige dutzend Lexica auswendig gelernt hat. Das dies nicht unbedingt zum Spielzuwachs beiträgt ist, denke ich, klar. Was kann man da tun? Entschlacken. Diesen riesigen Wulst an Daten durchkämmen wie ein Sieb, und radikal ausmerzen was davon nicht direkt Spielrelevant ist. Was kümmert es mich wie der Ur-, Ur-, Urgroßvater des örtlichen Barons hieß wenn ich eigentlich nur seine entlaufene Tochter finden will?
- Abenteuer vs. Quellenband: Einer der ganz großen Sünden in meinen Augen ist die Art und Weise wie die sogenannte “Lebende Geschichte” von Aventurien vorangetrieben wird: die wertlosmachung der Regionalquellenbücher durch Abenteuer. Wenn ich ein Quellenbuch, auch eine Regionalbeschreibung, kaufe, dann will ich neben den ganzen Daten und Fakten vor allem zwei Dinge: Zum einen das ich einen Ist-Zustand geboten bekomme, auf den ich meine eigenen Abenteuer aufbauen kann (Oder auf dem die folgenden Kaufabenteuer aufsetzen), zum anderen das dieser Band nicht kurze Zeit später durch ein Abenteuer oder ein Roman komplett über den Haufen geworfen wird, und damit wertlos. Hat denn niemand aus den Sünden von TSR gelernt? Was kann man da tun? Hier ist die Lösung meiner Meinung nach recht einfach: Die Verzahnung des Metaplots in Quellenbücher, Abenteuer und Aventurischen Boten aufheben. Quellenbücher sollten einen Ist-Stand vorgeben, der Gültigkeit behält bis zum Erscheinen der neuen Version des Bandes, mit einem Verweis auf den AB. Die Kaufabenteuer sollten auf jeden Fall für sich stehen, und den Ist-Zustand nicht beeinflußen. Für die Spieler, die unbeindgt den aktiven Metaplot brauchen sollte dann der AB da sein, der auch nach herzenslust den Ist-Zustand ändern darf, bzw. Abentuer bietet um diesen zu ändern. Einfluß des Boten zwischen auflagen: Null. Aber er kann die grundlage der nächsten Edition sein.
- Wir alle sind Weltretter: Es gab zu viele “Weltretter gesucht” Abenteuer bzw. Kampagnen in den letzten Jahren. Begonnen hat das Ganze eigentlich mit den Sieben Gezeichneten unter Schmidt/FanPro, und hat seid dem nicht mehr aufgehört. Dieses Problem ist Teil des zweiten Punktes, sollte aber meiner Meinung nach gesondert erwähnt werden. Durch diese Abenteuer wird gerne die komplette Welt auf den Kopf gestellt, vieles was früher für Teuer Geld gekauft und liebevoll bespielt wurde einfach hinweggewischt. Und das schlimmste ist, das die Spieler dabei noch nicht mal was daran ändern können, sondern zuschauen dürfen wie die coolen NSC/GMOC der Redaktion alles alleine erledigen. Rollenspiel ist kein Zuschauersport!
Ehrlich gesagt glaube ich persönlich das Aventurien dringend einen Neustart bräuchte: Einfach reinen Tisch, alles wieder auf Null, und das Setting von einem guten Startpunkt wieder aufgebaut, dabei auf Logik und innerer Zusammenhang achtend und dabei darauf achten die Spieler nicht zu entmündigen und die eigenen Produkte nicht völlig wertlos zu machen. Dieses neue Aventurien sollte dabei auch einsteigerfreundlich beschrieben werden, ohne eine wulst an alten Produkten und Artikeln die der arme Neuling für viel zu viel Geld auf Ebay ersteigern müßte. Aber Ulisses bzw. die Redaktion werden diesen Weg auf keinen fall gehen, zu groß ist die Gefahr die alten Fans zu verprellen. Das dabei die Neukundengewinnung auf der Strecke bleibt wird ignoriert.
Vor zehn Jahren war DSA die ideale Einsteigerdroge für Rollenspiel in .de – derzeit gibt es aber faktisch kein freunliches, einfaches Einsteigersystem auf .de, kein gegenstück zu WotCs D&D Essentials-Reihe. Wird es nicht langsam Zeit das sich jemand aus Deutschland dieser Lücke annimt?
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Ehrlich gesagt glaube ich persönlich das Aventurien dringend einen Neustart bräuchte: Einfach reinen Tisch, alles wieder auf Null, und das Setting von einem guten Startpunkt wieder aufgebaut, dabei auf Logik und innerer Zusammenhang achtend und dabei darauf achten die Spieler nicht zu entmündigen und die eigenen Produkte nicht völlig wertlos zu machen[/quote]
Nun, das sehe ich so überhaubt nicht.
Man darf nicht vergessen, dass der Erfolg DSA zum Teil einfach Recht gibt. Und das sage ich als jemand, der sich wirklich nicht als Fan des Systems bezeichnen würde! Irgendetwas muss DSA also richtig machen.
In meinen Augen ist das, was DSA richtig macht, die Spielwelt.Man kann Dinge natürlich immer von zwei Seiten aus betrachten und für den einen Betrachter ist eine Eigenart des Systems eine Schwäche, für den anderen eine Stärke. Was aber meiner Erfahrung nach extrem viele Spieler an DSA so schätzen ist die Ausarbeitung der Spielwelt und des Metaplots – und selbst wenn man bestimmte Aspekte des Metaplots nicht mag, wie beispielsweise die Dämonenlande, dann wird einfach in einer anderen Zeit gespielt (z.B. zu “klassischen DSA3 Zeiten”).
Meiner Meinung nach braucht DSA also lediglich eine Verschlankung des Systems, oder eben eine funktionale Conversion, die das Spielgefühl möglichst passend einfängt. Ersterer Punkt, die Verschlankung, ist von offizieller Seite sicherlich nicht vorgesehen. Warum auch, wenn der Verlag mit Zusatzregelbüchern und sonstigem Brimborium teuer Geld verdienen kann? In dieser Hinsicht muss DSA ja mittlerweile ein wirklicher Goldesel sein. Bleiben also nur noch Conversions – und dafür gibt es bereits relativ viele Ansätze, von Savage Worlds Portierungen bis hin zu cWoD Portierungen…