Torment: Tides of Numenera
Eine Rezension von Caninus
Als geistiger Nachfolger des wohl am höchsten ausgezeichneten Computer-Rollenspiels ever (Planescape: Torment) ist nun schon vor einiger Zeit Torment: Tides of Numenera erschienen. Ein durch Crowd-Funding finanziertes Spiel, bei dem die Entwickler von P:T wieder Hand angelegt haben um den Fans den Erfolg von damals in Neu wieder auf die Rechner zu bringen. Schauen wir uns doch mal an ob ihnen das gelungen ist.
Charakter:
Man spielt in Torment: Tides of Numenera einen sogenannten Cast-off. Eine weggeworfene Hülle des Changing Gods, welche von Körper zu Körper springt um niemals zu sterben, während jeder Körper besser ist als der vorherige und besondere Eigenschaften aufweist. Die Charaktererschaffung ist allerdings zwar am Anfang des Spiels, aber nicht direkt zu Beginn, sondern erst nach einigen Szenen in denen man schon mal entscheiden kann in welche Richtung der Charakter gehen soll. Prinzipiell hat man wie im Rollenspiel auch die Auswahl zwischen Glaive (Kämpfer), Jack (wie der Dieb in DnD, ein Alleskönner) und Nano (ein Magier). Jede dieser Klassen hat bestimmte Fähigkeiten, die nur diese Klasse erlernen kann. Neben der Klasse kann man dann noch Punkte auf seine drei Attribute verteilen (Stärke, Geschwindigkeit und Intelligenz), sowie Punkte auf Skills und je nach Klasse schon einmal ein(ige) Fähigkeiten wählen. Außerdem gibt es noch eine Art Zusatzpaket, dessen Vorauswahl man zwar in seinen Entscheidungen getroffen hat, das aber nun auch nochmals geändert werden kann. Und man kann sein Geschlecht wählen, ist also nicht auf männlich festgelegt.
Jeder Charakter (also der eigene und die Partymitglieder) steigen in sogenannten Tiers auf. Davon können im Spiel vier Stück erreicht werden, wobei es aber nur für das Erreichen eines Tiers zusätzliche Fähigkeiten als Bonus gibt, nicht für das Beenden. Beenden deshalb, da innerhalb eines Tiers wiederum vier „Stufen“anstiege erfolgen in denen man sich für bestimmte einzelne Steigerungen entscheiden kann. Diese einzelnen Steigerungen sind zusätzliche Attributspunkte, ein weiterer Edge in einem Attribut (das wird für die Proben genutzt), ein weiterer Skillpunkt oder eine weitere Ability, sowie eine Erhöhung der maximal auszugebenden Punkte in einem Wurf.
Story:
Man beginnt etwas ungewöhlich… nämlich fallend aus dem Himmel auf eine größere Küstenstadt zu. Dort schlägt man dann auf und befindet sich erst einmal in einer Art Zwischenwelt – in seinem eigenen Kopf (das ist nicht ganz richtig, es handelt sich wirklich mehr um eine Zwischenwelt, aber das ist was einem erzählt wird). Dort erfährt man, dass man am besten sofort ein Ding namens „Resonance Kammer“ aktiviert, wenn man wieder in der realen Welt ist und dann greift einen noch ein Wesen namens „Sorrow“ an, dass dann auch dummerweise noch kleine Abkömmlinge in die Weiten dieser Zwischenwelt verstaut (Ziel ist natürlich dem Spieler das Kampfsystem zu zeigen).
Wieder wach wird man misstrauisch von zwei Leuten begutachtet, die einen haben fallen gesehen und erfahrt, dass man ein Cast-off des Changing Gods ist und sieht dann leider auch, dass man etwas zu gut im Zielen beim runterfallen war und auf der Kammer gelandet ist – die nun zerdeppert wurde. Man kann dann die beiden um Rat fragen wer das Ding reparieren könnte und bekommt direkt beide als Partymitglieder und die Tipps doch entweder den Orden der Wahrheit oder den Kult des Changing Gods aufzusuchen um jemanden zu finden. Doch wie das so ist in solchen Spielen ist es damit nicht getan und so warten jede Menge Side-quests neben der eigentlichen Aufgabe die verdammte Kammer zu reparieren auf den Spieler bei denen man auch letztlich erfährt was es mit dem Sorrow und dem Changing God auf sich hat.
Grafik:
Die Grafik erinnert natürlich stark an den geistigen Vorgänger Planescape: Torment, wenngleich auch in höherer Auflösung natürlich (wir sind ja nun auch ein paar Jahre weiter in der Technik). Dennoch ist es immer noch eine Isometrische Grafik, man schaut also von schräg oben auf alles runter. Besonders zu erwähnen ist hier, dass man einen ziemlich großen Bereich zoomen kann – das fällt erstmal nicht auf, aber wenn man das Spiel neu läd oder ähnliches, dann wundert man sich unter Umständen über die großen Figuren.
Rein bild-technisch ist das Ganze mit viel Liebe zum Detail gestaltet worden und gerade spätere Bereiche haben einen sehr eindeutigen Charakter.
Proben, Fähigkeiten und Zauberei:
Skillproben sind hier für die meisten Spieler wohl etwas ungewohnt, wenn sie sich nicht schon mit dem Rollenspiel Numenera beschäftigt haben. Grundsätzlich wird wie bei vielen System auf ein Attribut und einen Skill geprobt. Das ungewöhnliche ist allerdings, dass der Skill lediglich eine Wahrscheinlichkeit erhöht den Wurf zu schaffen und man Attributspunkte ausgeben kann um diese Wahrscheinlichkeit weiter zu steigern. Optisch ist das ganz hübsch gemacht mit einer Punkteskala auf der man dann markieren kann wie viele Punkte man ausgeben möchte und am Ende steht die Wahrscheinlichkeit. Diese Punkte sind dann allerdings für zukünftige Proben weg und regenerieren sich erst wieder durch Schlaf oder einen kritischen Erfolg. Der eigene Edge Wert gibt an wie viele Punkte man grundsätzlich einsetzen kann (man kann also mitnichten theoretisch immer bis 100 kommen) und der Edge-Bonus gibt einem zusätzliche freie Startpunkte im Attribut, die dann nichts mehr kosten.
Auf dieselbe Art und Weise werden auch Zauber und Angriffe im Kampf ausgeführt.
Kampfsystem:
Kämpfe werden in sogennanten Kriesen ausgeführt. Dabei wechselt das System zu einer rundenbasierten Technik (eben sobald es einen Kampf gibt – also ein Gegner in Reichweite ist). Im Kampf kann jeder Charakter eine bestimmte Anzahl an Schritten zurücklegen, dies wird durch ein nur schlecht buzw manchmal sichtbaren Kreis auf dem Boden angezeigt – man kann allerdings auch weiter laufen (der Kreis ändert dann seine Farbe), verliert dann aber seine Aktion (kennt man ja aus vielen Rollenspielen). Grundsätzlich kann man eine Aktion und eben eine Bewegung machen, wobei man auch nach und nach die Schritte machen kann, die Bewegung also nicht mit einem Klick zu ende ist – dummerweise wird einem das aber nicht sinnvoll angezeigt, so dass man durchaus sich Schritt für Schritt bewegt um optimal zum Gegner zu stehen und dann doch keine Aktion mehr hat. Die meisten Aktionen betreffen Angriffe mit der eigenen Waffe oder einem Zauber oder einem Gegenstand (einem Cypher). Aber auch Anwenden von Heilung, anderen Fähigkeiten, sich-verstecken, oder die Interaktion mit Leuten und der Umgebung fallen darunter. Es gibt auch Interaktionen, die keine „Bewegungspunkte“ brauchen und immer gehen.
Performance:
Obwohl das Spiel erst dieses Jahr erschienen ist, haben auch ältere Rechner absolut kein Problem mit der Darstellung. Es mag mal ruckeln bzw kurz nicht aktualisieren, aber im Grunde läuft es sehr flüssig und verbraucht auch nicht viele Ressourcen.
Sound:
Die Musik im Hintergrund ist stark an Planescape: Torment angelehnt und auch vom selben Komponisten verfasst. Spieler, welche PT kennen, werden sich dank der Musik schnell heimisch fühlen. Aber auch neue Spieler finden einen sehr stimmungsvollen Soundtrack vor. Was allerdings deutlich besser hätte sein können ist die Sprachausgabe. Nicht in seiner Qualität, aber in seiner Quantität. Es gibt kaum gesprochene Szenen und die begleitenden Charaktere unterhalten sich auch nur kurz.
Schwierigkeit:
Das Spiel ist ziemlich einfach. Man kann den meisten Kämpfen aus dem Weg gehen oder innerhalb dieser eine andere Möglichkeit als das Zerhauen der Gegner wählen und wenn man einen Kampfcharakter hat, ist das Zerhauen auch kein Problem. Bis auf ein zwei Rätsel, bei denen man etwas nachdenken muss, sind auch diese sehr einfach und (leider) nicht zu vergleichen mit denen in Planescape: Torment. Man sieht auch an den Erfahrungspunkten, dass das Spiel jeder schaffen sollte, denn man erreicht vermutlich rein mit den Must-have Questen das Maximum an EP, welches man ausgeben kann, so dass die Nebenquesten völlig egal sind.
Fazit:
Wer ein Spiel wie Planescape: Torment erwartet wird sicherlich in einigen Punkten enttäuscht werden. Die Spieltiefe des Originals, die Länge, die Interaktion der Charaktere und deren Entwicklungsmöglichkeiten und Geschichten – all das schafft Torment: Tides of Numenara nicht. Deswegen ist es aber noch lange kein schlechtes Spiel. Es hat eine interessante Storyline mit einem sehr schönen, runden Abschluss, interessante Orte und deren grafische Gestaltung ist auch mitnichten zu verachten. Auch das generelle Spielprinzip mit Attributen als Punktegeber und Entscheider ist mal etwas Neues und sinnvoll umgesetzt (wobei die Macher des Spiels dieses ja nun nicht erfunden haben, sondern die Macher vom Numenara Rollenspiel).
Im Grunde fällt das Spiel in die „wirklich schade“ Kategorie. Eine Kategorie in der jene Spiele landen, die viel Potential zu Großem hatten und es dann aus verschiedenen Gründen einfach nicht hinbekommen haben. So wurde etwa im ursprünglichen Kickstarter eine Menge mehr angekündigt als nun letztlich geliefert wurde. Mehr Charaktere, die dann doch zu aufwendig waren und eine weitere „Basis“ um nur mal zwei Punkte zu nennen. Auch wäre es sicherlich schick gewesen, wenn man später nochmal zur ursprünglichen Stadt hätte zurückkehren können um etwa zu sehen was in der Zwischenzeit passiert. Denn natürlich haben die eigenen Verhaltensweisen einen Einfluss auf das Spiel (zum Teil einen sehr großen, da ganze Gebäude verschwinden können), aber wirklich viel davon sieht man nicht. Auch ist es schade, dass sich die Charaktere nur so kurz entwickeln können, obwohl im Spiel deutlich mehr Erfahrungspunkte vorhanden sind und man sicherlich locker ein oder sogar zwei Tiers drauf packen hätte können.
Letztlich darf man aber gespannt sein ob noch etwas als Add-on nachgeliefert werden wird, wenn erstmal weiteres Geld durch die Verkäufe eingenommen wurden.
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