Cold City

Ein Rollenspiel um Vertrauen, Geheinisse und Monster

Ich mag seltsame Rollenspiele und Welten. Das mag jetzt nicht unbedingt offensichtlich sein wenn man sich meine Rezensionen hier anschaut – Shadowrun-Anthologien, Warhammer-Quellenbücher, Savage Worlds oder die Mephisto sprechen jetzt nicht unbedingt für „Seltsam“, aber dennoch – seltsames erweckt immer mein Interesse. Ein gutes Beispiel dafür ist Cold City von Contested Ground Studios, ein Spiel dessen „Version one point one“ (Grundlage dieser Rezension) als Druckfassung 2010 unter Lizenz bei Cubical 7 erschien und das auf mich eine seltsame Faszination ausübte als ich es im Rollenspielladen meines Vertrauens entdeckte.

Die vorliegende Version von Cold City ist Taschenbuchgroß, ca. 160 Seiten, und wahrscheinlich das fokussierteste Spiel das mir in je untergekommen ist. Nach Außen macht der Softcovereinband nicht viel her, mit seiner weißen Schrift auf schwarzem Hintergrund, nur aufgelockert durch die roten Flecken die wie Blutspritzer wirken. Das Layout im Inneren wirkt dagegen recht modern, und trägt zusammen mit dem Artwork dazu bei, die leicht paranoide Stimmung des Spiels zu übertragen. Apropos Artwork, das besteht zum größten Teil aus Fotos aus dem Nachkriegsberlin die am Computer bearbeitet wurden, die wenigen Zeichnungen dazwischen wirken eher Comichaft. Jedes Kapitel beginnt mit einem von Oben abgebildeten Stapel authentisch wirkender Dokumente und einem ganzseitigen „Foto“ eines potenziellen „Falls“.Aber kommen wir zum eigentlichen Spiel. Was daran fasziniert den Rezensenten so?

Die Grundprämisse ist recht einfach – Wir schreiben 1950, und die Charaktere sind Mitglieder einer geheimen Polizeieinheit der Allierten, welche unter den Trümmern Berlins nach den Überresten von Hitlers okkulter Wissenschaft sucht. So weit, so gut, mag sich jetzt der eine oder andere denken, alles klar – Monsterjagt und Verschwörungen,X-Fileszu Beginn des Kalten Krieges – und tatsächlich könnte man Cold City auch so spielen, aber darum geht es nicht bei diesem Spiel.

Es geht um Vertrauen.

Die Regeln von Cold City sind eigentlich recht einfach und – ehrlich gesagt – vernachlässigbar, wo das Spiel aber wirklich auftrumpft sind die Vertrauensregeln. Jeder Spieler hat bei der Charaktererschaffung einen Pool von (Anzahl der Charaktere -1) x2, und verteilt diese Punkte auf die anwesenden Charaktere (Zusammen mit einem Satz darüber, was er von diesem Charakter denkt, nationale Stereotypen sind hier natürlich willkommen), und zwar verdeckt. Die Menge an Vertrauen, die ein Charakter dem anderen gegenüber an den Tag legt, kann als Bonuswürfel in Konfliktsituationen benutzt werden – natürlich lässt es sich leichter Schlösser knacken wenn jemand Schmiere steht dem man vertraut – und jemand, der seine Mitspieler verrät (An einander, an die Parteien die ein Erfolg der Gruppe verhindern wollen, egal an wen) kann das Vertrauen das der Verratene in ihn Hat als Bonuswürfel bekommen. Nach jedem Konflikt kann ein Spieler sein Vertrauen in einem seiner Mitspieler um eins erhöhen, oder um eine beliebige Menge senken.

Dieser Mechanismus ist ziemlich cool, meiner unbescheidenen Meinung nach, und würde sich ohne Probleme auf alle Möglichen Szenarien übertragen – Ein Spiel um politische Macht und Machtspiele? Check. Ein Highschool Drama (OHNE gesang)? Check. Ja,Cold City ist ein Spiel vor dem Hintergrund okkulter Spionage und dem Kalten Krieg, und dieses Setting stellt es verdammt gut da – die Critter die da beschrieben werden und die Abenteuerideen im Regelbuch alleine lesen sich in einem anderen System wunderbar in explosive Actiongeschichten oder spannende Thriller umsetzen, vielleicht auch (Bei der World of Darkness oder bei KULT) als okkulten Schocker, aber darum geht es nicht, es geht um Vertrauen und dessen Missbrauch, und da wird alles andere zum bloßen Hintergrund.

Wie schon gesagt, der Rest der Regeln ist recht Vernachlässigbar, und auch das Buch an sich verwendet mehr Zeit darauf das Setting aufzubauen, wobei auch beim Settingaufbau viel gemeinschaftlich durch die Spieler beschlossen wird. So entscheiden die Spieler gemeinsam ob es ein „offenes“ Spiel wird (Die Spieler wissen wie die geheimen Ziele ihrer Mitspieler aussehen, die es zu erreichen gilt) oder ein „geschlossenes“ (Was die Paranoia und das Misstrauen forciert), was das Thema der Runde sein wird, ob es eher pulpig oder noir werden soll, und so weiter. Das enthaltene Settingmaterial über das Berlin der Fünfziger mit dem es die Spieler zu tun bekommen und die okkulten Hinterlassenschaften und Schrecken die von ihnen gejagt und zerstört werden sollen (oder doch nicht) machen aus Cold City ein hervorragendes „was wäre wenn“-Szenario.

Fazit:
Man nehme die Stimmung eines Noir-Films, die Paranoia eines Cyberpunk-Thrillers und den kosmischen und doch so menschlichen Schrecken des Cthulhu-Mythos, und mische es mit der Verzweiflung Berlins nach dem zweiten Weltkrieg. Und dennoch ist es das nicht, worum es in Cold City geht. Cold City ist ein faszinierendes Indie-Rollenspiel um Vertrauen, und Setting und Regeln bilden hier eine faszinierende Einheit zu bilden die dies deutlich macht. Als Spiel für auf Cons oder für immer-mal-wieder-zwischendurch Runden ist Cold City keine falsche Wahl, ob es auch Langzeittauglich ist kann ich nicht sagen. Empfehlen tue ich dieses Spiel aber auf jeden fall, fast so sehr wie Hot War, der indirekte Nachfolger den wir demnächst ebenfalls hier besprechen. Gruppen die mal was seltsames ausprobieren wollen sind hiermit aber auf jeden fall gut bedient.

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