Religionen im Rollenspiel
Infernal Teddy hat Gedanken zur Weltgestaltung
Etwas, das mir bei Fantasy-Rollenspiele immer wieder auffällt, ist die Art und Weise, wie Religionen behandelt werden – genauer, wie Tempel behandelt werden. Wir sehen immer wieder etablierte Pantheons, Familien von Göttern welche zusammengehören, aber bei denen jeder Gott seinen eigener Tempel hat. Der Gott des Wetters hat seinen eigenen Tempel, die Göttin des Krieges hat ihren Tempel, und so weiter und so fort. Das ist mittlerweile so sehr Teil unserer Rollenspielgewohnheiten, das wir gar nicht mehr darüber nachdenken. Wenn man sich aber vor Augen führt das unsere Götter meist nach dem graeco-romanischen Vorbild vom Autor oder Spielleiter geschaffen werden erscheint das eher ungewöhnlich. Aber wie könnte man das denn anders machen?
Warum haben denn die Götter in euren Spielwelten jeweils eigene Tempel? Klar, folgt man dem griechischen Vorbild, so hat man bestimmte Tempel und Schreine, welche dafür berühmt sind, das dort einem bestimmten Gott gehuldigt wurde, wie das Orakel von Delphi, welches Apollo gewidmet war, aber viele Tempel waren nicht einem Gott, sondern dem ganzen Pantheon (Oder zumindest den Göttern, welche lokal als besonders wichtig angesehen wurden) gewidmet, mit Priestern und Dienern, welche allen olympischen Göttern gedient haben. So könnte ein Tempel beispielsweise hauptsächlich Zeus geweiht sein, aber für Hera und Athene wären ebenfalls Altäre vorhanden. Damit würde man der etwas befremdlichen Situation entkommen, das eine Kleinstadt oder ein Dorf mehr Tempel hätte als realistisch von den Einwohnern unterstützt werden könnten. Schließlich gehören die Götter eines Pantheons zu einer Art “Familie”, und hatten zumindest in der irdischen Geschichte auch selten Probleme damit, unter dem selben Dach verehrt zu werden.
Wer mehr Authentizität in seinen Religionen haben möchte, der sollte sich auch mal anschauen wie die Bewohner seiner Welt ihre Götter verehren. Die meisten Fantasywelten – vor allem das deutsche Paradesystem DSA – lassen ihre Bewohner die Götter auf die selbe Art und Weise anbeten wie es in unserer Welt die meisten Christen tun, eine Art anflehen und betteln, bei der sich der Bittsteller völlig der Gnade seines Gottes ausliefert. Wie die Römer das sahen, sieht man beispielsweise in der Serie Rome von HBO – dort streben die Charaktere regelmäßig einen Handel an, und nicht mit einem bestimmten Gott, dem sie sich geweiht haben, sondern dem Gott, der in der jeweiligen Situation angemessen erscheint. So bietet einer der Protagonisten das Leben einer Schabe den Göttern Janus, Gaia und Dis, im Austausch dafür, das sie über das Leben seiner Geliebten wachen. Für die Menschen der Antike waren die Götter keine fremden, fernen Wesen, sondern wie übermächtige, unsterbliche Menschen, welche zwar über sie wachen, aber die man unter Umständen auch überzeugen musste.
Das sind nur zwei Gedanken, die mir im Moment zum Thema Religionen im Kopf umhergehen. Meiner Meinung nach sollten wir aufhören, alle Religionen in unseren Rollenspielen bewusst oder unbewusst auf das mittelalterliche katholische Christentum zu basieren, und sollten uns nach Beispielen und Vorstellungen aus anderen Zeiten und Kulturen richten, zumindest wenn wir versuchen, jenseits von Aventurien zu spielen.
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