Rattle, Battle, Grab the Loot

Piraten sind schon seit einigen Jahren verdammt cool. Und auch wenn ich den Trend nicht ganz mitgemacht habe, bin ich um einen Blick auf “Rattle, Battle, Grab the Loot” nicht herumgekommen. Das Spiel verspricht in einem nicht allzu ernst gemeinten Hintergrund ein spaßiges aber durchaus anspruchsvolles Piratenspiel zu sein. Mit schicker Coimicgrafik sollen wir unser Schiff ausbauen können, anderen Spielern und armen Handelsschiffen die Breitseite geben und unsere hart erschossene Beute im Hafen veräußern können. Na dann mal los!

Rattle, Battle…

Den Kern des Spiels machen zweifelsohne die Seekämpfe aus. Sie nehmen nicht nur mit Abstand die größte Spielzeit ein, sondern nutzen auch den Mechanismus der das Spiel von anderen am deutlichsten abhebt. Zwar geht es wenig überraschend darum die meisten neutralen Schiffe (Handelsschiffe, Royal Navy etc.) zu versenken oder zu entern, die Art und Weise wie das geschieht ist aber originell. So bestimmt eine Missionskarte eine Anzahl neutraler Schiffe (=verschiedenfarbige Würfel) und gegebenenfalls Geländemarker die in den Deckel der Spielbox gelegt werden. Zusammen mit den beteiligten Schiffswürfeln der Spieler, werden die Würfel dann mit mehr oder weniger Schwung in den Boxdeckel geworfen. Der repräsentiert nämlich hübsch illustriert den Meerbereich in dem wir uns um die Beute zoffen. Die Position der Schiffe zueinander macht das wichtigste Element aus.

So stellt sich die Start"aufstellung" einer Seeschlacht dar. Mit Bewegungen und Kanonenschüssen können wir versuchen das Glück auf unsere Seite zu ziehen und mehr von den (transparenten) Händlerschiffen erwischen als unsere Mitspieler.

So stellt sich die Start“aufstellung“ einer Seeschlacht dar. Mit Bewegungen und Kanonenschüssen können wir versuchen das Glück auf unsere Seite zu ziehen und mehr von den (transparenten) Händlerschiffen erwischen als unsere Mitspieler.

Wer hier ein Geschick oder Partyspiel wie Dungeon Fighter erwartet wird jedoch enttäuscht (oder entwarnt) werden. Mit Geschick lässt sich hier kaum etwas beeinflussen und nur durch sehr wenige Sonderkarten ein kleiner Vorteil erzielen. Stattdessen ist die Position der Würfel eine Art Startaufstellung mit der wir taktisch umzugehen haben. Liegen die Würfel nämlich erstmal, wird das Spiel deutlich klassischer. Prinzipiell schauen wir nun welches neutrale Schiff am nächsten zu einem Spielerschiff liegt und vergleichen die Zahlenwerte der Würfel. Die sind je nach Würfeltyp anders verteilt und die Stärke eines Kanonenzeichens hängt sogar mit den von uns besessenen Kanonen zusammen. Das stärkere Schiff versenkt dann das schwächere und bei Gleichstand gehen beide unter. So versenkte Schiffe geben Silber (=Siegpunkte) wohingegen eigene untergegangene Schiffe Rohstoffe bedürfen um wieder repariert zu werden.

Würde es dabei bleiben, wäre es ein einfaches Glücksspiel mit umständlicher Auswertung. Den interessanten Reiz machen aber die Sondereffekte aus. Nachdem neutrale Schiffe bei bestimmten erwürfelten Symbolen szenarioabhängige Aktionen ausgelöst haben, wie z.B. einen Volltreffer gegen das nächste Spielerschiff, eine Fluchtbewegung oder ein freiwilliges Ergeben, können die Spieler ihre Schiffe in Position bringen und andere Schiffe aktiv per Kanone versenken. So können wir die Segel unseres Hauptschiffes nutzen um je einen unserer Würfel um eine lange Kartenseite zu bewegen oder Kanonen nutzen um in kleinerer Reichweite ein neutrales Schiff zu versenken. Die Aktionen sind recht knapp bemessen und müssen gut aufgeteilt werden, da wir sie uns meist für mehrere Abenteuer aufsparen müssen, machen aber einen starken Effekt aus. So manövrieren wir uns in Positionen, die uns näher zu schwachen Gegnerschiffen bringen, können wir an andere Schiffe andocken um zu entern oder schießen einem Gegner das als sicher erbeutet geltende Schiff vor der Nase weg. Der Aktionsteil geht schnell von Statten, kann aber auch Taktikfreunde packen. Meist gibt es verschiedene ähnlich sinnvolle Aktionen, müssen eigene Gewinne und gegnerische Verluste abgewogen werden und insbesondere die Aktionen der anderen Spieler einkalkuliert werden. Liegen die Würfel einmal, bleibt wenig vom fetzigen Würfelwerfen und Battle, Rattle wird zum spaßigen aber ernst zu nehmenden Seekonflikt.

…Grab the Loot!

Aber natürlich beschränkt sich das Spiel nicht auf die Würfelschlachten. Haben wir die gegnerischen Schiffe versenkt gibt es nicht nur Siegpunkte für jedes gekenterte Schiff, sondern je nach Szenario „Beute“. Das sind zufällig gezogene Plättchen in 4 Arten: Rum, Stoff, Gewürze und Wertgegenstände. Für jedes geenterte Schiff (also versenktes Schiff das einer unserer Würfel berührt hat) gibt es nochmals ein Plättchen mehr und jedes eigene untergegangene Schiff will für ein Plättchen nach Wahl seetauglich gemacht werden. Die Beuteteile geben dabei nicht unmittelbar Vorteile, sondern wollen erst in den Hafen gebracht werden. Jedes unserer Schiffe kann dabei ein Plättchen tragen und unser Hauptschiff hat je nach Ausbau zusätzlichen Laderaum. Der Haken dieser Sache ist, das transportierende Schiffe nicht für die nächste Seeschlacht zur Verfügung stehen. Wir müssen also gut planen was wir in welcher Kombination zurückbringen wollen und wie stark wir uns an der zweiten Seeschlacht beteiligen wollen.

Im Hafen

Nach zwei Seeschlachten geht es in den aus 6 hübsch illustrierten Häusern bestehenden Hafen. Die Aktionen sind schnell überschaut und fast alle attraktiv. So haben wir zuerst die Möglichkeit je zwei ungewollte Plättchen auf dem Markt in ein anderes unserer Wahl umzutauschen. Danach können wir in der Hafenkneipe für zwei Rummarker einen Matrosen anheuern. Diese haben verschiedene Effekte die entweder Siegpunkte am Ende des Spiels bringen, uns erlauben bestimmte Ausrüstung zwischen Seeschlachten aufzubereiten oder vergünstigen unsere Einkaufsoptionen im Hafen. Da wir je 3 Karten ziehen beginnt hier die strategische Komponente. Wollen wir unsere Kanonen in beiden Seeschlachten nutzen, oder lieber die Segel? Möchten wir mehr Beute finden oder weitere Matrosen für nur ein Rumplättchen anheuern? Oder wollen wir gar auf See unser Schiff ausbauen können und bestimmte Beute direkt auf dem Wasser einsetzen? Alle Seeleute sind dabei ähnlich stark und die Entscheidung fällt selten leicht, sofern man sich nicht bereits auf eine Strategie festgelegt hat.

So kann ein ausgebautes Schiff aussehen. Die drei Segel erlauben uns drei Bewegungen. Die zwei Kanonenteile lassen uns schießen und die "Dicke Bertha" in der Mitte gibt uns einmalig unbeschränkte Reichweite. Zusätzlich zu einem Stauraum haben wir auch den Ausguck ausgebaut und uns ein paar Enterhaken zugelegt.

So kann ein ausgebautes Schiff aussehen. Die drei Segel erlauben uns drei Bewegungen. Die zwei Kanonenteile lassen uns schießen und die „Dicke Bertha“ in der Mitte gibt uns einmalig unbeschränkte Reichweite. Zusätzlich zu einem Stauraum haben wir auch den Ausguck ausgebaut und uns ein paar Enterhaken zugelegt.

Ähnlich ist es um den Schiffsausbau bestellt. Für ein „Tuch“ können wir ein Segel, eine Kanone oder neuen Laderaum erwerben. Faktisch bedeutet das eine Bewegung oder ein Schuss mehr oder der langfristige Vorteil mehr Beute in den Hafen bringen zu können. Noch spannender wird das bei den mächtigen Ausbauten. Der Stapel enthält 20 einzigartige Objekte die wir – auch per passendem Pappteil – auf oder an unser Schiff schrauben können. Für Gewürz und Stoff wählen wir ein Upgrade aus drei Gezogenen aus und können dann deutlich spürbare aber trotzdem ausgewogene Effekte nutzen. Bombenwerfende Affen erhöhen die Stärke unserer Schiffe, Sondersegel verdreifachen einmal unsere Geschwindigkeit und die „dicke Bertha“ erlaubt uns einen Schuss über das ganze Spielfeld. Da die Effekte in der Regel normale Schiffsteile voraussetzen und nur einmal pro Seegang nutzbar sind sollte man sich jedoch nicht nur auf die spannenden Gimmicks verlassen sondern die Grundausbauten nicht vernachlässigen.

Im „Pit“ schließlich können wir Beuteplättchen in Silber umtauschen und uns in der Gilde für Silber repräsentative Objekte kaufen. Letztere geben uns Bonussiegpunkte wenn wir eine gewisse Summe an Silber haben. Für 5 Silber gibt es so beispielsweise ein Portrait von uns das uns 6 Siegpunkte beschert, eine Privatinsel im späteren Spielverlauf beschert uns aber bereits 2 Bonuspunkte, hier ist etwas Timing gefragt, da die Objekte in einem vorsortierten Stapel liegen und die Karten nur nacheinander kaufen dürfen und wer zum richtigen Zeitpunkt die geforderte Silbersumme hat wird so mit Bonuspunkten belohnt. Sind alle Stationen abgehandelt, werden unsere Schiffsteile bereit gemacht und es geht wieder auf See.

Der Spielspaß besteht weitestgehend darin, die schnellen Seeschlachten zu schlagen und die erworbene Beute später im Hafen gegen tolle Ausbauten einzutauschen die uns mehr Optionen in der Seeschlacht bieten. Dabei sind ganz unterschiedliche Wege möglich und wir werden mit einer sehr gelungenen Optik belohnt. Unser Schiff wird aus massiven Pappteilen zusammengesetzt und jede Kanone, jedes Segel und jeder Ausbau hat einen eigenen Marker. Die verlängern unser Schiff indem sie dazwischengehakt werden oder können stimmig an Mast, Bug, Heck oder auf dem Deck angebracht werden. Dadurch entsteht ein Aufbaugefühl das auch noch praktische Funktionen übernimmt. Jede genutzte Bewegung halten wir so z.B. nach indem wir unsere Segel umdrehen. Das funktioniert gut, ist aber im Endeffekt nur eine schön visualisierte Spielhilfe. Es repräsentiert nicht konkret eines unserer Schiffe und Karten hätten den gleichen – wenn auch langweiligeren – Effekt gehabt.

Leider kann die Visualisierung an einzelnen Stellen sogar verwirren. Kaufen wir beispielsweise ein Segelupgrade haben wir es neben unseren normalen Segeln am Mast, es funktioniert aber deutlich anders als die üblichen Segel. Auch Spezialkanonen werten lediglich unsere üblichen Kanonen auf, werden aber als zusätzliche Kanone dargestellt. Haben wir das einmal nachvollzogen ist das nicht hinderlich, gerade in der ersten Partie kann es aber zu Verwirrung führen.

Kampagnen

Der Ablauf eines Spiels teilt sich in 5 Questen die jeweils aus 2 Seeschlachten und einem nachherigen Hafenaufenthalt bestehen. Dies wird in einer kleinen Kampagnenübersicht festgehalten die außerdem die Zusammensetzung des Abenteuerstapels bestimmt. So geht es erst mit leichteren Begegnungen los, bevor die großen und spannenderen Schlachten beginnen. Am Ende gibt es dann die siegpunktreiche Finalschlacht. Eingestreut sind außerdem 3 besondere Abenteuer, die meist ein kleines Würfelspiel darstellen und noch einmal Beute oder 1-2 Siegpunkte ausspielen. Auch das passt thematisch und lockert das Spiel auf.

Um den Widerspielwert zu erhöhen kommt das Grundspiel bereits mit zwei Kampagnen daher die sich in den genutzten Abenteuerkartensets unterscheiden und die Interaktion leicht verändern. In der ersten Kampagne geht es gegen Admiral Norrington, der dem Piraten mit den meisten Siegpunkten etwas mehr Ärger macht, aber ansonsten einfach leichte Beute ist. In der zweiten Kampagne geht es ebenfalls darum möglichst viele Schiffe zu plündern, diesmal dürfen wir aber auch direkt auf die Mitspielerboote schießen. Beide Abenteuerdecks sind stimmig und abwechslungsreich und wir können variieren wie direkt wir uns attackieren wollen. Da es doppelt so viele Abenteuerkarten je Kampagne gibt als angespielt werden können, werden wir im Regelfall auch beim dritten und vierten Spiel noch neue Begegnungen haben. Das Spiel leidet jedoch auch nicht wenn alle Karten bereits bekannt sind, da das Spiel weniger durch Erkundung als durch Taktik und Aufbau lebt. Man möchte dennoch wissen wie die Belagerung eines Hafens von Statten geht, was der Malmström macht und was der Sirenentoken mit uns anstellt…

Fazit

Rattle, Battle, Grab the Loot konnte mich rundum überzeugen. Das Spiel ist nicht günstig, enthält aber sehr viel hochwertiges Spielmaterial und ein tolles Regelsystem. Entgegen des ersten Eindrucks ist es kein Partywürfelspiel sondern bietet gute taktische und strategische Entscheidungen ohne zu ernst zu werden. Das Thema und manche Zwischenabenteuer halten das Spiel locker und spaßig, dahinter verbirgt sich aber einiges an taktischem Potential. Wer es dazu mag Dinge aufzubauen und eine Spieldauer von ca. 30 Minuten je Spieler verkraften kann dürfte begeistert sein. Egal ob man sich recht harmlos zu zweit um Beute streitet oder direkt zu viert oder fünft vor den Bug schießt – man wird ein intensives und originelles Spiel erhalten, das nicht nur Piratenfreunde begeistern kann.

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