Middleschool
Gedanken von Infernal Teddy
In den letzten Jahren haben sich die großen Diskussionen im Rollenspielbereich immer wieder um zwei große… große… nennen wir es Philosophien gedreht. Zwei große Schulen, welche den Diskurs geprägt haben in den letzten Jahren. Auf der einen Seite wäre das die OSR, die Old School Renaissance… Resurgence… Revival… wie auch immer man die Bewegung jetzt genau bezeichnen möchte. Eine Bewegung, welche geprägt wurde durch den Wunsch, zu einer älteren Spielweise zurückzufinden, und einem DIY-Ethos, einer Bewegung in welcher der Gedanke vorherrscht, das jeder Spieldesigner sein kann, in der Praxis vor Theorie geht. Die zweite große Bewegung ist die Indie-Szene, ursprünglich ausgehend von der Forge und ihren Nutzern, und mit dem Ziel, Systeme zu schaffen welche ihre jeweiligen Spielziele und vor allem Spielweisen optimal in Regeln fassen kann. Wir haben also zum einen eine Bewegung, welche versucht das Spielgefühl der Frühzeit des Rollenspiels bis 1985 wieder einzufangen, zum anderen eine Bewegung mit dem Ziel, neue Wege zu gehen und Spiele zu entwickeln welche die gewünschte Story unterstützen. Aber was ist mit der Zeit dazwischen? Was ist mit den Neunzigern?
We’re the middle children of history, man. No purpose or place. We have no Great War. No Great Depression. Our Great War’s a spiritual war… our Great Depression is our lives.
– Tyler Durden, Fight Club (1999)
Ich weiß nicht, wann ihr zum Rollenspiel gekommen seid, aber in meinem Fall war das 1990, und damit genau zum Beginn des Jahrzehnts, welcher scheinbar zur “lost generation” unseres Hobbies geworden ist. Dieses Jahrzehnt wurde rollenspielerisch geprägt vom Verfall von TSR, und vom Aufstieg einer Gruppe von Spielen, welche damals gerne als “Story Games” bezeichnet wurden, die ich aber nach Sean Patrick Fannon in seinem “Fantasy Roleplaying Gamer’s Bible” gerne als “Attitude Games” bezeichne. Die Rede ist von Spielen, welche auf der einen Seite vorgaben, Story und Charakterspiel in den Vordergrund zu stellen, anderseits aber mechanisch dies nicht unterstützten, zum Teil sogar Regelsysteme mitbrachten, die man bestenfalls als dysfunktional bezeichnen könnte. Vorreiter in dieser Kategorie war natürlich die Welt der Dunkelheit mit Vampire: the Masquerade, aber auch Legend of the Five Rings, Tribe 8, und bis zu einem gewissen Grad auch Shadowrun. Wenn man die Definitionen etwas strecken möchte, kann man hier auch als äußersten Eckpunkte Ars Magica (1987) ansetzen und die Neue Deutsche Endzeit (NDE) als verspätete lokale Reaktion.
Worauf will ich denn jetzt eigentlich hinaus? Wenn man dem “öffentlichen Diskurs” folgt kommt man unweigerlich zur Erkenntnis, das wir, die Rollenspieler welche in den Neunzigern ihre Lieblingsspiele entdeckt haben, eigentlich gar nicht mehr existieren. Wir sind für die Szene als solches nicht mehr relevant. Aber ich glaube, wir repräsentieren etwas, das meinem Empfinden nach zumindest in der einen Richtung verloren gegangen ist – Spielspaß. Während die Indiefans immer wieder dem neusten heißen Scheiß nachrennen, etwas das durch Kickstarter und ähnlichen Plattformen noch beschleunigt worden ist, sind halt auch nachdem Gygax TSR verlassen hat noch interessante Sachen in unserem Hobby passiert, welche das Hobby verbessert haben. Manche von uns suchen etwas, das über das reine Monsterschnetzeln und Dungeonerkunden hinausgeht. Nichts von dem was ich hier schreibe soll eine der beiden im Moment dominanten Philosophien oder ihre Anhänger angreifen oder niedermachen. Aber ich glaube, wir… “Attitude Gamers” haben dem Hobby auch noch etwas zu bieten, und vielleicht finden wir auch wieder eine Stimme, mit der wir ebenfalls wieder etwas zur Unterhaltung beitragen können.
Wir haben alle einen Platz im Hobby, wir haben alle etwas beizutragen.
Danke für den Artikel. Da finde ich mich denke ich ganz gut darin wieder. Ich kam auch am Ende der 90er zum Hobby, so richtig sogar noch etwas später. Ich kann weder mit so richtig OSR etwas anfangen, noch muss immer der neuste heiße Scheiß her. Ich bin Happy mit dem, was ich habe und schaue, dass ich das Maximum raushole. Gute und schlechte Regeln hin oder her. Wenn ich dann manche Rezensionen lese, verstehe ich die Kritik manchmal kaum. Ecken und Kanten gehören für mich eben dazu und man holt eben trotzdem seinen Spielspaß raus.
Zugegeben, mit Fate spiele ich dann doch was modernes. Aber ganz ehrlich, ich habe auch coole Geschichten mit DSA 3 (in völliger Unkenntnis der Spielwelt), D&D 3 und World of Darkness erlebt. Das war weder old school, noch Erzählrollenspiel. Unsren Spaß hatten wir seinerzeit trotzdem. Und die Story stand auch so oft im Vordergrund.
Wollte kommentieren, habe dann aber doch selber gebloggt… siehe meine Webseite!
Danke für den Beitrag!
Hier ist der link:
https://ackerknecht.wordpress.com/2017/02/23/vorliebenzyklen-und-die-mittlere-schule/
Nachdem der Kommentar lang (und trotzdem irgendwie unfertig) war, werd ich nen Blogartikel draus machen.
Was ich jetzt schon sagen kann: Die Attidude-Games gehören zu den wenigen Design-Strömungen mit denen ich mittlerweile wirklich wenig anfangen kann. (Die anderen sind: “Define anything” (DSA4, D&D3, Pathfinder ggf. Phoenix Command)und “Dice prescribing dramatic structure” (WFRP3, FFG Star Wars, 2d20.)
Ich jedenfalls bin sehr dankbar für die Indie-Bewegung, um die OSR und die RuneQuest-Revitalisation.