L steht für Lykantropie

Buchstabensalat mit Infernal Teddy

Lykanthropen. Werwesen. Gestaltwandler. Warum sind diese Kreaturen denn so beliebt unter uns Rollenspielern? Warum spielen wir denn – auch wenn wir es uns nicht immer eingestehen wollen – gerne Charaktere von solch brachialer Gewalt? Ist es unsere Vorliebe für möglichst mächtige Spielfiguren? Die Lust an der Zerstörung? Das Bedürfnis nach einer erfüllenden Geschichte um zweierlei Seelen in einer Brust? Das sind alles gute Fragen, und diese Fragen können auch gleichzeitig gute Antworten sein, aber ich glaube nicht, dass es das ist. Ich glaube auch nicht das unser Unterbewusstsein darin eine Metapher für die Pubertät sieht, auch wenn es meiner Antwort nahe kommt.

Es geht darum, einfach mal aus allen Konventionen auszubrechen, und dann zu tun was man möchte, ohne die Furcht vor den Konsequenzen.

Seien wir doch ehrlich, wer würde denn nicht gerne seinen nervigen Chef, seinen Kommilitonen oder den hirnlosen Rentnern im Bus mal die Meinung ins Gesicht brüllen, um ihnen dann langsam und genüsslich Arme und Beine auszureißen? Und genau das ist es, was der Lykanthrop darstellt, vor allem in Spielen, welche in der Gegenwart angesiedelt sind: die Möglichkeit los zu lassen, seiner inneren Bestie mal freien Auslauf zu gewähren. Ein Werwolf kann alles tun, was wir uns aus Furcht vor den Konsequenzen nicht trauen. In gewisser Weise ist ein Spielerwerwolf unser eigener kleiner Tyler Durden. Die Möglichkeit, unsere animalischen Triebe – zumindest im Rollenspiel – ausleben zu können, ohne das wir dabei Gefahr laufen uns all zu sehr bloß zu stellen. Am deutlichsten wird das bei den beiden Werwolfspielen von White Wolf bzw. Onyx Path, Werewolf: the Apocalypse und Werewolf: the Forsaken. In beiden Spielen ist der Charakter ein mächtiger Lykanthrop, ein Krieger im Dienste eines höheren Ideals und problemlos in der Lage, jedes Hindernis das uns Spielern im Alltag begegnet auf der gleichen Art und Weise zu begegnen: WERWAUZI SMASH!

Wercritter sind also mehr noch als die meisten anderen Rollenspielcharaktere ein Versuch auszubrechen, und während die meisten Paladine / Praiosgeweihte / glatzköpfige Sternenflottenoffiziere Versuche darstellen, besser zu sein als wir sind (Vielleicht auch „so gut zu sein wie wir gerne wären“), so sind Lykanthropen der Versuch zurückzukehren zu einer Welt und einer Zeit als vieles Einfacher war und man Probleme mit Keulen lösen konnte (Ich sehe hier Parallelen zu LARPern und Mittelaltermärkten, aber da können wir ein andermal drauf eingehen…). Aber das ist meine Interpretation. Natürlich gibt es noch die ganzen boah eh Powergamer, die eine Wertulpe spielen wollen, weil die ja so super kampfstark sind, und überhaupt die echt fetten Mordmaschinen sind. Steht also der Wunsch, einen Lykantropen zu spielen für unseren Wunsch nach Freiheit? Vielleicht. Auf jeden Fall steckt aber hinter dem Charaktertypen und seinen literarischen Vorbildern mehr als reine Machtsucht, und jeder der einen solchen Charakter spielen möchte, sollte sich Gedanken darüber machen, was denn der Archetyp des Gestaltwandlers für ihn bedeutet – bevor der Charakter noch ein Eigenleben entwickelt, und Dinge zum Vorschein treten, die man besser ganz tief in sich gelassen hätte…

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