Kurz ist (vielleicht) gut
Ein Plädoyer für die Kurzkampagne
Vor kurzem habe ich mich mit einer befreundeten Spielleiterin über Kampagnen und Spielrunden unterhalten als sie ein warf, dass sie keine Lust mehr hätte auf Kampagnen bei denen man gerade anfängt seinen Charakter zu spielen und zu entdecken. „Aber vielleicht eine geplante Kurzkampagne,“ meinte sie, „etwas bei dem man von Anfang an weiß das die ganze Angelegenheit nicht auf Dauer angelegt ist, so das man alles viel intensiver ausspielt weil nicht die Zeit bleibt um den Charakter langsam zu erkunden.“
Das ist tatsächlich etwas, über das ich im laufe der Jahre immer mal wieder nachgedacht habe, aber so noch nicht ausprobieren konnte – eine Kampagne mit einem festen Start- und Endpunkt, und für die man ein festes „Zeitfenster“ hat um es durch zuspielen. Wie – zumindest meiner Erfahrung nach – die meisten Spielleiter auch – träume ich natürlich von der jahrelangen, epischen Kampagne welche scheinbar nie zu Ende gehen will, aber die Realität sieht doch anders aus. Spieler ziehen weg oder verlieren das Interesse, der Spielleiter hat fürchterliches Gamer-ADS (*Hust*) und will was neues ausprobieren, oder es stellt sich heraus das die Gruppe und das Kampagnenkonzept inkompatibel sind. Ist ja alles schon vorgekommen. Aber wie würde die Alternative aussehen? Vor allem wenn man als Spielleiter eher zur improvisierenden Fraktion gehört, und sich mit der Planung schwer tut? Darauf kann es vermutlich keine allgemeingültige Antwort geben, aber ich gebe euch gerne mein Rezept an die Hand, wie ich das ganze aufziehen würde. Der erste Schritt ist natürlich, sich eine grobe Handlung zu überlegen. Das könnte bei Deathwatch das erkunden eines Space Hulks, bei Adventure! die suche nach Dr. Demento sein oder bei Shadowrun der Versuch, es einem besonders fiesen Johnson heimzuzahlen. Außerdem sollte man sich überlegen, wie lange es dauern sollte diese Handlung durch zuspielen, sei es „das sollte in acht Sessions durch sein“, oder „ich denke, mit 15 verknüpften Abenteuern müsste das zu schaffen sein“. Ich persönlich würde zu 12 Abenteuern neigen, dem Gegenstück zu einer britischen Staffel einer Fernsehserie. Mit diesen Überlegungen sollte man dann bei seinen Spielern – egal ob es sich dabei um eine feste Gruppe handelt oder um einige handverlesene Leute handelt – nach horchen, ob Interesse an der Idee besteht, und welche Charaktere ihnen dazu vorschweben.
Gegeben den Fall das die Spieler Feuer und Flamme sind und sich direkt entsprechende Charaktere ausgedacht haben kann man dann zurück an den Schreibtisch und sich überlegen, wie man die einzelnen „Zeiteinheiten“ aufbauen möchte, sprich die einzelnen Abenteuer oder Spielabende planen. Das kann unter Umständen sehr knapp werden – wenn ich zwölf Abenteuer habe, ein Eröffnungs- und ein Showdownabenteuer leiten möchte und dazu für alle vier Charaktere jeweils ein Abenteuer leiten möchte das auf den Hintergrund des Charakters eingeht stehen mir nur noch sechs Abenteuer zur Verfügung um mich rein auf die Handlung zu konzentrieren. Besser also wenn die „Hintergrundabenteuer“ auch direkt wieder mit der Handlung verknüpfen und nicht nur Spotlights für den jeweiligen Charakter sind. Man sollte also als Spielleiter dafür sorgen das jedes Abenteuer, jede Spielsession zählt, denn alles andere ist verschwendete Zeit, die man in dieser Kampagne nicht wiederbekommt. Das letzte Abenteuer sollte sich auf jeden Fall der Auflösung des Konflikts widmen, um den es in der Kampagne geht – die Spieler dringen in die innere Festung des Bergkönigs ein und stellen ihn, die Cyberlegion macht Johnsons Operationsbasis unschädlich, oder es kommt zum Showdown der Redner vor dem römischen Senat. Gleichzeitig sollte man ein paar Rätsel und Plots ungelöst lassen – für den Fall das die Spieler am Ende doch noch weiterspielen wollen…
Eine Kurzkampagne kann auf jeden Fall eine interessante Abwechslung für eine Gruppe sein, die schon lange zusammen spielt, und bietet Spielern die Möglichkeit sich an Leiten zu „probieren“, ohne das sie vor der Wahl stehen, entweder ein Einzelabenteuer leiten zu müssen oder gleich eine Langzeitkampagne. Zudem sind solche Kampagnen auch eine gute Gelegenheit neue Spiele auszuprobieren oder andere Facetten eines Lieblingsspiels zu beleuchten.
Ich persönlich würde empfehlen, ab der Feststellung, dass man eine Kurzkampagne in einem Setting spielen möchte, schon die übrigens Spieler mit ins Boot zu holen und die Gruppe (und damit die Kampagne, die auf der Gruppenplanung aufbaut) zusammen zu bauen. Die Handlung erwächst idealerweise aus den Charakteren bzw. der Gruppe dann fällt das Zeitproblem flach, weil jedes Spotlight für einen Spieler handlungsrelevant ist.
Ich würde auch die Verantwortung, das ganze konzise zu halten, auch nicht beim Spielleiter alleine lassen. Die Spieler wissen auch, dass die Zeit begrenzt ist, dementsprechend sollten die auch nur das spielen, was sie für wichtig halten.
Naja, ich greife ja bei dem Artikel auf meine eigenen Erfahrungen als SL zurück, und ich hatte in den letzten zehn jahren nur sehr passive gruppen mit „Bespaßungsspielern“…
Amen. Gerade der Punkt mit dem „sich Probieren“ halte ich mittlerweile für besonders wichtig an der ganzen Sache. (Auch wenn man hin und wieder für Einsteiger die noch nicht so viel erfahrung im gro haben sammeln können auch das Einzelabenteuer nicht madig machen sollte.)
Ich spiele und leite ja gar keine Endlos-Kampagnen mehr. Ich mache ausschließlich Sachen, die auf ein definitives Ende zusteuern. Wieviel Umfang rauskommt, hängt von verschiedenen Faktoren ab (z.B. Befindlichkeit der Spielerschaft, Umfang des Materials o.ä). Manchmal sind das One-Shots andermal Kurzkampagnen und gelegentlich (wie zur Zeit eben) auch mal eine längere Kampagne.
Ich hab mit Kurzkampagnen sehr gute Erfahrungen gemacht. Es ist mehr Platz also in nem One-Shot aber das Finale ist trotzdem klar im Blick und rückt mit jeder Episode deutlich spürbar näher. Meine letzte hatte 10 Episoden und lief grob im Monatsturnus über ein Jahr.