Konstantinopel bei Nacht
Eine Besprechung aus der Welt der Dunkelheit, von Infernal Teddy
Ich bin bekanntlich der Meinung das Vampire im Rollenspiel besser im finsteren Mittelalter funktionieren als in der Gegenwart. Ich habe das auch schon letztes Jahr bei meiner Besprechung der Jubiläumsausgabe von Vampire: the Dark Ages erwähnt, und ich stehe dazu. Aber womit beginnt man denn am besten, nachdem man sich das Grundregelwerk zugelegt hat? Das Buch bietet einem zwar eine sehr grobe Übersicht über Italien im Jahre 1242, aber da ist nicht wirklich genug um damit losspielen zu können. Das ürsprüngliche Dark Ages bot allerdings als zweite Veröffentlichung nach dem Grundregelwerk ein interessantes Settingbuch: Konstantinopel bei Nacht.
Konstantinopel bei Nacht liegt mir in der deutschen Übersetzung von Feder und Schwert vor, veröffentlicht im Jahre unseres Herren 1998. Es handelt sich dabei um einen Softcoverband mit 126 Seiten Umfang, komplett in Schwarz Weiß gehalten. Das Layout entspricht dem der restlichen Reihe, wobei die Randgestaltung des Buches sich von der englischen Originalausgabe leicht unterscheidet. Stören tut mich an dieser Stelle nur das etwas wabbelige COvermaterial, welches aber zu dieser Zeit bei Feder und Schwert üblich war.
Inhaltlich unterteilt sich das Buch in fünf Kapitel, zu denen sich die Einleitung gesellt. Chronologisch ist das Buch wie der Rest der ersten Edition im Jahre 1197 angesiedelt – wer sich ein wenig an seinen Geschichtsunterricht erinnert weiß das in nur sieben Jahren der Vierte Kreuzzug über die Stadt hereinbrechen wird… Die Einleitung gibt dem Leser eine erste Übersicht über Konstantinopel, und wie die Stadt und ihre Bewohner sich von den meisten Städten des Westens unterscheidet. Schließlich geht es hier um die größte Stadt Europas zu dieser Zeit, die Hauptstadt eines Reiches, welches sich als Römisch bezeichnete, und eines der spirituellen Zentren christlicher Philosophie. Der Einleitung gelingt es, dem Leser ein Gefühl dafür zu geben das man es hier eben nicht mit einer umlackierten Version von Chicago zu tun hat. Das erste Kapitel wendet sich dann der Geschichte der Stadt und deren näheren Umgebung zu, und verschmilzt dabei sterbliche und kainitische Geschichtsschreibung. Der Fokus liegt dabei natürlich auf die vampirische Geschichte, aber der historische Überblick dürfte für die meisten Kampagnen vollkommen ausreichend sein. Außerdem gibt das Buch noch eine kurze Aussicht auf die kommenden Jahre, endend mit 1204 und dem Vierten Kreuzzug.
Das zweite Kapitel wendet sich dann der Beschreibung der Stadt selbst zu, mit Beschreibungen der einzelnen Vierteln und der jeweils wichtigsten Gebäude und Örtlichkeiten. Was hier aber auch nicht zu Kurz kommt sind die Mauern der Stadt, die Anreise auf dem Landweg, und was sich direkt vor den Mauern befindet. Eine schematische Karte der Stadt findet sich am Ende des Buches. Dem Kapitel hat man aber auch noch eine grobe Übersicht über das spendiert, was man noch als das „Römische Reich“ bezeichnete. Diese zwei Seiten können natürlich keine besondere Tiefe bieten, aber sie reichen meiner Meinung nach durchaus als Anhaltspunkt aus, wenn man vorhaben sollte im Umfeld Konstantinopels zu spielen. Herzstück des Buches ist allerdings in meinen Augen das dritte Kapitel, Bündnisse. Vieles in Konstantinopel fußt auf christlicher Mythik, und das gilt auch für die herrschenden Strukturen in der Stadt selbst. Aus kainitischer Sicht wurde die Stadt durch drei Methusalems gegründet, welche als die „Trinität“ bekannt wurden. Deren Bruten machen den Kern der Vampirgesellschaft aus: Michael von den Toreador, welcher den Vater verkörpert und sich dem religiösem Leben in der Stadt verschrieben haben; die Ventrue-Nachkommen des Antonius, des Sohnes, die sich dem politischen und militärischem Wohl der Stadt zugewandt haben; und die Obertus-Tzimisce, Nachkommen des Dracon, welche sich um das spirituelle Wohl des Untoten Konstantinopels kümmern. Zu jeder der Trinitäts-„Familien“ gesellen sich noch Vasallenfamilien, wie die Magnus-Lasombra, welche Michael dienen, oder die Lexor-Brujah im Dienste der Ventrue. Zu diesen Hauptfraktionen, welche zum Teil mit- und zum Teil gegeneinander agieren, gesellen sich noche ine Auswahl an kleineren Gruppierungen, welche um Macht und Einfluss feilschen, wie der Traumzirkel, die Auserwählten Calomenas, oder die Inconnu. Die wichtigste dieser kleineren Fraktionen dürften allerdings die Latiner sein, ein Klüngel westlicher Kainiten, welche im „Fremdenviertel“ der Stadt hausen und auf Betreiben ihrer Herren im Westen versuchen die Stadt und ihrer Herrscher zu unterminieren – diese könnten in einigen Jahren besondere Bedeutung erlangen… Kapitel Vier präsentiert dann die wichtigsten untoten Bewohner der Stadt, mit Hintergrund, Werten und Rollenspielhinweisen – und ja, wir haben hier einen Toreador der vierten Generation. Mit Werten. Am schwächsten ist dann auch das letzte Kapitel im Buch, eine Sammlung von Abenteuervorschlägen, welche in und um Konstantinopel angesiedelt sind. Glücklicherweise fallen diese fünf Seiten aber nicht ins Gewicht.
Fazit:
Konstantinopel bei Nacht ist ein herausragendes Buch. Es präsentiert eine Stadt, welche eben nicht aufgestellt ist wie man es vom Standardmuster von Masquerade gewohnt ist, aber gleichzeitig nicht wirkt als sei es anders um des anders sein wollen. Konstantinopel war zu diesem Zeitpunkt die größte und einer der wichtigsten Städte der Christenheit, und also solches auch ein guter Startpunkt für eine Untersuchung des dunklen Mittelalters. Für mich ganz klar nicht nur das beste Bei Nacht-Buch für Dark Ages, sondern das beste Bei Nacht-Buch überhaupt. Für jeden der einen geeigneten Startpunkt für eine Chronik sucht eine klare Empfehlung.
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