Kein Charakter steht alleine
Infernal Teddy über Familie im Rollenspiel
Familie. Jeder von uns hat eine. Manchmal werden Familien auch durch Ereignisse in Verwirrung und helle Aufregung gestoßen (Wie es gerade mit meiner passiert, durch einige gleichzeitig aufgetretene Ereignisse), und kein Mitglied bleibt dann vom Chaos verschont. Warum sehen wir davon so wenig im Rollenspiel? Warum ist der Charakter ohne Geschwister, dessen Eltern verstorben sind, die Norm geworden? Ist es wirklich nur die Angst davor, dem Spielleiter eine Angriffsfläche zu bieten? Schließlich verliert man meiner Meinung nach dadurch die Chance auf großartiges Rollenspiel, loyale Connections, und – natürlich auch – spannende Aufhänger für Abenteuer. Schauen wir also, was eine Familie meinem Charakter im Rollenspiel bieten kann, und warum mein Charakter eine haben sollte.
Fangen wir aber zunächst mit der Frage an, warum die meisten Charaktere eben keine Familie haben. Liegt das denn wirklich daran, das man Angst hat, den Charakter “angreifbarer” zu machen? Fast möchte man da fragen, mit welcher Art von Spielleiter diese Gruppen spielen. Oder ist es nicht die Befürchtung, der Spielleiter könnte die Familien-NSCs nutzen, um den Charakter zu schwächen, sondern könnte diese NSCs als Questgeber einsetzen, so das man gezwungen wäre, Dinge zu tun und Ressourcen einzusetzen, ohne das es eine “Angemessene” Belohnung gibt? Welche Vorteile bringen also Familienmitglieder einem Charakter und damit seinem Spieler in der Kampagne, womit machen diese NSCs es denn wett, das ein Spielleiter (Mit dem man, wenn er so drauf ist, vielleicht nicht unbedingt spielen sollte) den geliebten Charakter eins reinwürgen kann? Der erste Vorteil ist natürlich, das die Ausarbeitung einer Familie dem Charakter mehr Tiefe verleiht, und dem Spieler ermöglicht, seinen Hintergrund weiter auszuarbeiten. Zum anderen ermöglicht eine Familie sowohl dem Spieler als auch dem Spielleiter, charakterbezogene Plots in die Kampagne einzuführen – und damit meine ich nicht das übliche “Familienmitglieder retten oder ihren Tod rächen”, wie es ja recht beliebt ist. Schauen wir uns statt dessen Spiele an, in denen Familie eine zentrale Rolle spielt. Ein gutes Beispiel wäre Pendragon – hier ist die Familie nicht etwas, das einfach nur auftaucht, sondern ein zentraler Fokuspunkt, schließlich will man als Spieler das sein Charakter nicht nur möglichst vorteilhaft verheiratet wird von seinem Lehnsherrn, sondern auch das man möglichst bald einen Erben zur Welt bringt – schließlich wird das der nächste Charakter den man spielt, vor allem wenn man die große Pendragon-Kampagne spielt. Ähnlich ist es auch – je nachdem wie man es spielt – auch bei Legend of the Five Rings: die Ehre des Charakters hängt auch stark mit der seiner Familie zusammen, und ohne seiner Familie kann ein Samurai keine Ehre besitzen. Ähnliche Gedanken sollten einen Spieler auch bei anderen Spielen beeinflussen – ein Ex-Ganger in Shadowrun wird eine Familie haben, entweder seine leibliche oder die “gewählte” Familie der Gang, und diese Familie wird einen Einfluss darauf haben, wie der Charakter die Welt wahrnimmt, und wie er mit ihr interagiert.
Aber wie sieht es denn sonst aus? Natürlich sind Familienmitglieder beliebte Plotgeber, wie jeder weiß der Cthulhu spielt oder leitet, aber es ist die Frage, wie man das ganze einsetzt. Wenn man es übertreibt, und die Familie immer kostenlose Dienste vom Charakter verlangt, oder ständig die kleine Schwester entführt, oder der Erbonkel einem ein finsters alte Buch vererbt, oder oder oder, dann ist es kein Wunder wenn die Spieler irgendwann rebellieren. Es mag ja sein das ei Familie dem Charakter keine finanzielle Belohnung in Aussicht stellen kann, aber es sollte auf jeden Fall etwas für den Charakter wertvolles am Ende stehen, und wenn es nur Informationen sind, oder das Familienmitglied stellt seine Ressourcen in die Dienste des Charakters. Man sollte nur die Familie – welche für den Charakter und dessen Spieler wichtige NSCs sein sollten – nicht zu häufig einsetzen, um das Gefühl zu unterbinden, das eine Familie doch nur eine Angriffsfläche darstellt. Und im Zweifelsfall kann ja ein unbekanntes Familienmitglied aus dem Nichts auftauchen, und das Leben und das Selbstverständnis des Charakters auf den Kopf stellen – wie ich gerade am eigenen Leib feststelle.
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