Geschichte machen II – Fakten, Fakten, Fakten
Wie viel Recherche ist zu viel Recherche?
Eines der größten Probleme das viele Gruppen und vor allem Spielleiter mit historischen Kampagnen haben ist die Frage nach der Recherche. Wie viele Fakten kann ich als Spielleiter bei meinen Spielern voraussetzen? Wie viel muss ich als Spielleiter wissen um ein überzeugendes Szenario schaffen zu können? Die kurze, aber richtige Antwort wäre “So viel wie eben nötig ist”, aber wie so oft reicht diese Antwort nicht aus.
Die Art der Recherche die Nötig ist hängt immer auch von der Art der Kampagne ab, die ich leiten möchte, und welches Genre man bedienen möchte. Soll zum Beispiel die Piratenkampagne ein actionreiches, schnelles und cineastisches Abenteuerspiel sein reicht es vollkommen aus, sich ein halbes Dutzend Piratenfilme anzuschauen und sich zwischen zwei Scheiben Pizza Notizen zu machen – viel genauer nehmen es solche Filme ja auch nicht, und im Endeffekt geht es ja nur darum die Stimmung zu portieren. Soll es ein relativ authentisches Entdeckungs- und Erkundungsszenario werden sollte man sich vielleicht ein paar Stunden mit WIkipedia beschäftigen. Und soll es gar eine Kampagne um Intrigen und Ränkespiele zwischen den maritimen Großmächten dieser Zeit in der Karibik gehen sollte man sich aus der nächsten Bücherei ein paar Geschichtswerke leihen. Auch wichtig ist natürlich die Frage für wen man leitet und wie die Erwartungen der Mitspieler aussehen – wenn man einen Haufen Historiker vor sich hat die sich alle auf Italien in der Renaissance spezialisiert haben sollte man schon recht genau wissen und beachten welche Stadt es denn nun war die von einem Patriarchen regiert wurde (Hinweis: Rom).
Nehmen wir aber mal an, unser hypothetischer Spielleiter hat eine relativ “handelsübliche” Gruppe vor sich, besteht also nicht aus Historikern, weiß aber etwas mehr über Geschichte als es Hollywood tut (Den Rant über die amerikanische Geschichtsverfälschung habe ich mir für eine andere Gelegenheit auf…) – wie bereitet man sich da am besten vor? I’m glad you asked…
Als erstes: für die meisten Kampagnen reicht Wikipedia und die Google Bildersuche vollkommen aus. So verschrien Wiki mittlerweile ist, für die meisten Kampagnen und Gruppen finden sich dort mehr Details und Hintergrundinformationen als man jemals wird verwenden können. Und mit der Bildersuche kann man auch sehr schnell Bilder finden die einem dabei helfen ein Gefühl für das Aussehen der Umgebung zu einer bestimmten Epoche zu bekommen. Und wer Kartenfeteschist ist wie ich findet dort findet auch mehr als genug historische Karten zu den meisten Epochen. Aber nehmen wir mal an, unser geneigter Spielleiter hat vor Geld auszugeben um sich ein paar Referenztitel zuzulegen, was wäre denn die Grundausstattung? Der erste Kauf sollte der DTV Atlas der Weltgeschichte sein, falls man den nicht noch aus der Schulzeit hat. Unbedingt. Gibt es in der ein- und zweibändigen Fassung. Eine bessere allgemeine Zusammenfassung der Menschheitsgeschichte werdet ihr nicht finden. Zweiter Kauf sollte – auch wenn ihr keinen Kartenfetisch habt – ein historischer Atlas sein. Karten setzen Ereignisse und Orte in einen schicken Bezugsrahmen, und ermöglichen außerdem einen Überblick darüber, was gerade sonst noch los war. Was noch? Da wird es schon schwieriger. Historische Romane können hilfreich sein ein Gefühl für die Zeit und das Leben der Menschen zu dieser Zeit zu erzeugen, können aber auch der letzte Dreck sein, weswegen ich da keine allgemeine Aussage treffen möchte. Das Selbe gilt auch für Filme und Fernsehserien. Für jedes “Rome” gibt es ein Dutzend “Pearl Harbours”. Fachzeitschriften können brauchbar sein, aber die Artikel sind – außerhalb der GEO Epoche – fast immer zu kurz um brauchbar zu sein, und unter Fachleuten beliebt wie Fußpilz ist eh die Karfunkel.
Wir halten also fest: zuerst sollte man mit seinen Mitspielern absprechen, wie genau das ganz die Geschichte nehmen soll, dann sollte man entsprechend seine Recherche gestalten – und man sollte wissen wei viel Recherche genug ist. Ich kenne das, es ist sehr sehr leicht sich in den Details der Außenpolitik des Graeco-Baktrischen Königreiches zu verstricken wenn man eigentlich nur grob schauen wollte welche Diadochenreiche es gab, und wer zu Zeiten Hannibals wo König war. Nächstes mal schauen wir uns das ganze etwas genauer an anhand meiner Dark Ages: Vampire-Runde, welche derzeit in Konstantinopel kurz vor 1200 Anno Domini angesiedelt ist.
Das wichtigste ist, die gefundenen Informationen ordentlich zu organisieren, damit man die Fragen der Spieler schnell und kompetent beantworten kann. Themenkomplexe (Geschichte, Politik, NSC-Motivation, Orte…) haben sich dabei bewährt.
Bei der Recherche sollte man, hinsichtlich Prioritäten, auch auf die Charaktere in der Gruppe achten: ist einer davon sehr gebildet und an geschichtlichen Zusammenhängen interessiert, dann sollte man mehr lokale Geschichte aufbereiten. Ist dagegen keiner der Charaktere des Lesens mächtig, dann wird das im Spiel eher von geringerer Bedeutung sein (stattdessen sollte man lieber darauf achten, was die Charaktere sehen können).