Fünf Fragen Für… Roger
Ein Interview zu den Teilzeithelden
1.) Wer ist Roger?
Ich bin 39 Jahre alt und wohne mit Frau und Sohn im beschaulichen und schönen Recklinghausen – das ist im nördlichen Ruhrgebiet, kurz vor dem Münsterland. Auch wenn ich in Deutschland geboren wurde, bin ich die ersten Jahre meines Lebens in Italien, genauer gesagt Neapel, aufgewachsen. Nach einem verheerenden Erdbeben, in dem die Firma meines Vaters den Weg alles Irdischen ging, sind wir zurück nach Deutschland gezogen. Dort, nach einigen berufsbedingten Umzügen, bin ich letztendlich im Ruhrpott angekommen. Ich habe nach meinem Abitur einige Jahre Bauingenieurswesen studiert, zuerst in Wuppertal, dann in Bochum, habe aber festgestellt, dass mich anderes weit mehr reizte und Nägel mit Köpfen gemacht. Ich habe mein Studium abgebrochen und bin als Quereinsteiger auf der letzten großen IT-Welle in diese Branche eingestiegen. Dort habe ich mich vom Programmierer über den Berater zum Projektleiter bis ins mittlere IT-Management hochgearbeitet.
Mit Phantastik kam ich das erste Mal in Berührung, als ich 1979 von meinen Brüdern im zarten Alter von 5 Jahren ins Kino in den ersten Star-Wars-Film mitgeschleppt wurde. Da war es wohl auch um mich geschehen, und so habe ich alle möglichen Fantasy- und SciFi-Bücher verschlungen, bis ich 1989 über einen Schulfreund mit DSA in Kontakt kam. Ich fand die Idee, selbst spannende Geschichten zu erspielen, derart mitreißend, dass ich (nach einigen plumpen Versuchen meinerseits) schnell selbst das Spielleiten aufgenommen habe. Der Rest ist Geschichte – verschiedene Systeme, verschiedene Welten.
Zusätzlich zum Tischrollenspiel kam recht früh Battletech als Tabletop hinzu, auch hier habe ich einiges ausgetestet, bin aber letztendlich bei den Spielen von Games Workshop geblieben, bzw. dort hinzurückgekehrt. Der Grund ist einfach: Kein anderer Anbieter hat derart auf dem Markt beständige Spiele angeboten – womit auch eine ausreichende Menge Spieler im Umkreis einhergeht.
Liverollenspiel hat mich seit den frühen Neunzigern bis in die Mitte der Zweitausender gefesselt. Zuerst Fantasy-LARP, danach Vampire Live – hier war ich später als Clanskoordinator Tremere für Deutschland wie auch als SL für die Vestische Domäne aktiv. Wir waren Teil, und gewissermaßen auch Gründer der damals weithin bekannten Chronik Eins.
2.) Was ist teilzeithelden.de?
teilzeithelden.de ist das Projekt, welches mein Team und mich seit etwas über zwei Jahren beschäftigt hält. Zunächst als Blog geboren – im Bestreben meiner Frau über unser gemeinsames Hobby zu schreiben – wurde bald etwas viel Größeres daraus. Wir bieten eine Plattform, die über Rollenspiel, LARP und andere phantastische Spiele wie Brett –und Kartenspiele informiert. Dazu gesellen sich noch Filme, Bücher, generelle Gedanken zu Spielen, Tipps für Spielleiter und Spieler, Exkurse in die moderne und historische Erzähltheorie, informative Artikel über den Bezug der Phantastik zu realer Mythologie und noch einiges mehr. Wir sehen uns als Webmagazin, welches fast täglich über Neuerungen, Produkte und anderes berichtet.
Mit zurzeit 22 aktiven Beitragenden, darunter Redakteure, Lektoren, Zeichner und Grafiker können wir auf eine gut funktionierende Basis zurückgreifen. Des weiteren sprechen wir mit zwei weiteren Leuten über den Bereich Tabletop und strategische Brettspiele, den wir weiter ausbauen werden. Auch das Thema LARP wird, wenn alles gut läuft, Verstärkung erfahren.
Wir gehen intern nach selbst aufgestellten Workflows und Prozessen vor, die uns unsere Aufgaben erleichtern, auch wenn man sich sicher erst daran gewöhnen muss. Mein realer Job im Management hilft uns viel dabei, dieses Projekt so sicher zu stemmen.
Unseren nicht-kommerziellen Claim aus Anfangstagen mussten wir zurücknehmen, denn die Kosten für so ein Projekt übersteigen das, was man bereit ist, aus eigener Tasche zu zahlen. Demzufolge refinanzieren wir uns über Affiliate-Partnerverträge mit einigen Händlern, bald auch Direct Marketing.
3.) Wer sind die Teilzeithelden?
Leidenschaftliche SpielerInnen, das vor allem! Ich denke, dass es zu weit führen würde, jeden einzelnen vorzustellen. Unsere Gründungsmitglieder sind allesamt Freunde, die wir zuerst angesprochen haben, ob sie sich an dem Projekt beteiligen wollen. Das starke Wachstum, was uns selbst überrascht hat, hat jedoch für großes Interesse im gesamten deutschsprachigen Raum gesorgt. Einige weitere Hinzukommende haben wir selbst angesprochen, andere haben sich mit echter Vita und Anschreiben nebst Schriftproben beworben.
Wir unterscheiden grundsätzlich zwischen vier Ebenen. Zum einen gibt es natürlich die Chefredaktion, die alle Zügel zusammenhält, Außenkontakte und Social Media pflegt und dafür sorgt, dass das Projekt wächst und seine Qualität behält.
Dieser zur Seite stehen die Lektoren, die auch die Chefredaktion beraten. Gerade hier haben unsere Artikel massiv an Qualität gewonnen, als ein studierter Journalist dazu stieß.
Die nächste Ebene sind die Redakteure/Autoren. Diese unterliegen der Pflicht, monatlich mindestens einen Artikel beizusteuern und sind frei in der Wahl ihrer Themen. In dieser Ebene haben wir einige Germanisten, die auch in anderen Bereichen bereits schreiberisch aktiv sind. Diese Ebene ist bei weitem die Größte.
Die letzte Ebene sind freie Mitarbeiter. Diese schreiben auf freiwilliger Basis und tragen unregelmäßig zu den Inhalten bei, oft mit Rezensionen.
Wichtig ist übrigens, dass unsere Teamkollegen unentgeltlich arbeiten. Entlohnung findet in Form von kostenlosem Rezensionsmaterial, Einladungen zu Sonder-Events wie z.B. Filmpremieren und Conventions oder auch Übernahme von Spritkosten und/oder Verpflegung auf Events statt.
4.) Wo siehst du die Stärken und besonderen Vorteile von Teilzeithelden.de?
Ich denke, dass es da zwei, vielleicht drei Punkte gibt. Zum einen sind wir eine Multimeinungs-Plattform. Es gibt nicht die einhellige Teilzeithelden-Meinung. Insbesondere Rollenspiel (in allen Formen) ist ein Thema, in welchem man (lacht) fünf Menschen darüber sprechen lassen kann und sieben Meinungen herausbekommt.
Daher ist es für uns sehr wichtig, dass jede AutorIn ihre eigene Meinung beibehält und diese auch offen vertritt. Im Team sind Immersionsfanatiker, Mathcruncher, Simulationisten, Bevorzuger von narrativen Systemen, Hardcore-Regel-LARPer und noch viel zu viel Meinungen mehr, als dass ich sie alle hier nennen könnte. Wir achten natürlich darauf, dass im Fall einer Rezension das richtige Spiel beim richtigen Redakteur besprochen wird. Ein Mathcruncher wird einem stark narrativen Spiel keine Gerechtigkeit in der Besprechung zukommen lassen.
Der zweite Vorteil: Neutralität. Natürlich haben wir unsere Lieblingsspiele und auch Verlage, deren Mitarbeiter wir auf einer rein menschlichen Ebene mögen. Das darf und wird aber unsere Besprechungen nicht beeinflussen. Jede Szene, jede Branche hat ihre Seilschaften. Aus diesen halten wir uns soweit es geht heraus. Es ist uns sehr wichtig, dass wir jederzeit ohne schlechtes Gewissen in den Spiegel sehen können wenn wir an einen Artikel denken. Wir sind nicht käuflich und wir werden es auch nie sein.
Der dritte Punkt, der aber kein echtes Alleinstellungsmerkmal ist, ist die Artikelhäufigkeit. Wir haben fast jeden Tag neuen Content online und oft sind diese Artikel detailreicher und länger als auf so manch anderem Medium.
5.) Was ist deine Lieblingsfarbe – dein derzeitiges Lieblingsspiel?
Blau – blau ist die Hoffnung und Zuversicht. Und zudem verbreitet sie eine so schöne Ruhe.
Mein derzeitiges Lieblingsspiel – das schwankt je nachdem, welche Runde gerade wieder gespielt hat. Ich bin ein großer Freund des Trinity Universe von White Wolf und bin da in Aberrant undTrinity besonders stark verhaftet. Auch wenn die Regelmechanik oftmals nicht bis ins letzte ausdefiniert ist und auch echte Lücken/Fehler hat, mag ich die White Wolf’sche Grauzeichnung von Welten und Akteuren. Ein plumpes Schwarz/Weiß hat mich noch nie gereizt. Besonders fasziniert mich an diesen beiden Systemen, dass die Welt so offen ist und daher sehr viele Geschichten ermöglicht, angefangen von Kriminalistik, über Horror, bis hin zu von Intrigen und Action durchzogenen Politthrillern. Zudem bin ich, wie gesagt, ein großer Science-Fiction- und Superhelden-Fan.
Mir ist an einem Spiel besonders die Welt das wichtigste. Mit generischen Systemen konnte ich bis vor Kurzem wenig anfangen, FATE hat hier durch seinen besonderen narrativen Ansatz ein Aha!-Erlebnis ausgelöst. Daher hat mir auch Malmsturm sehr viel Spaß gemacht und hier besonders die deutliche Ab18!-Plakette im so wunderbar durch Lüge und Sex geschwängerten Imperium. Übrigens das erste Mal, dass ich seit langer Zeit mal wieder in eine Fantasy-Welt eingetaucht bin. Entgegen dem Trend geben mir klassische EDO-Welten eher wenig. Dark Fantasy und auch Sword&Sorcery sind da schon eher mein Fall.
Vielen Dank für das nette virtuelle Gespräch