Felix A. Münter: The Rising 01. Neue Hoffnung

Orakel rezensiert etwas aus der Postapocalypse-Abteilung

Zugegeben: Mit dem Genre der Postapokalypse bewege ich mich gerade auf literarischem relativem Neuland. (In subjektiver Hinsicht, was meine persönliche, bisherige Leseerfahrungen anbelangt.) Halten wir also insofern einfach mal ein paar kurze Überlegungen fest: Postapocalypse beschreibt als Genre eine Welt die bereits in ihrer Vergangenheit eine Katastrophe erlebt hatte und dadurch einen fundamentalen Wandel erleiden musste, der die Gesellschaft in sich zusammenbrechen ließ. Die Menschheit existiert zwar weiterhin in dieser aus diesem Ereignis entstandenen Welt, kämpft aber mit dem nackten Überleben innerhalb der Trümmer der ehemaligen Zivilisation. (Innerhalb solcher Geschichten sind duchaus Themen wie Wiederaufbau oder aber aus der durch das Ereignis entstandenen Punkt X erwachsenen barbarischen Gesellschaften, die von z.B. von Warlords dominiert werden. Aber: Wir haben es bei solchen Geschichten weder mit dem Begriff der „Endzeit“ (der ohnehin ein sehr schwammiges Konstrukt ist, dass kaum mit Inhalt zu füllen ist) noch mit irgendetwas zu tun, dass auch nur am Rande mit dem Begriff „Dystopie“ zu tun hätte. (Dieser Begriff setzt zwar eine in der Zukunft gelegene, negative Gesellschaft ins zentrum der Erzählung, aber: Der Fokus einer solchen Narration liegt eindeutig in der Frage, wie es dazu kommt, dass eine solche Gesellschaft von allen Mitgliedern als positives Ergebnis getragen und Unterstützt wird.)

Der Roman „Neue Hoffnung“ von Felix A. Münter, der den Autakt für eine Reihe mit dem Namen „The Rising“ darstellt, ist eindeutig dem Genre der Postapokalypse zuzuordnen. Die Hintergrundwelt hat innerhalb ihrer Vergangenheit einen Moment erlebt, in dem der gesellschaftliche Zustand, der nur noch als „DAVOR“ bekannt ist, in den jetzigen Zustand, der als „DANACH“ bezeichnet wird sich gewandelt hat. Was genau passiert ist, kann mitlerweile niemand mehr genau erklären, fest steht aber, dass dieses Ereignis nicht länger als etwa 40-50 Jahre in der Vergangenheit liegen kann. Die Natur ist zu diesem Zeitpunkt dabei, die von der Menschheit in Anspruch genommene, domestizierte Fläche wieder für sich in Anspruch zu nehmen. Die Überlebende Menschheit lebt innerhalb der Ruinen der ehemaligen Zivilisation in kleinen Siedlungen oder schlägt sich anderweitig durch die Landschaft. (Wobei man eher von der Hand in den Mund lebt, als wirklich leben kann.) Folus der erzählung liegt in diesem Band auf den Erlebnissen von Eris, dem Anführer einer kleinen, vierköpfigen Söldnergruppe, die Außerdem aus der Scharfschützin Sal, dem Arzt Perry und dessem noch jungen Enkel Tyler besteht, welche davon lebt entweder durch die Lande zu ziehen und Handelskaravanen zu beschützen, oder wenn es harte Zeiten sind, selbige zu überfallen. Bei einem dieser Überfälle fällt ihnen ein Fragment aus der Zeit „DAVOR“ in die Hand in Form einiger mobiler Datenspeicher. Das seltsame dabei ist, dass diese Datenspeicher einen ungeheuren Wert zu besitzen scheinen, weil mehrere Interessengruppen an eben diesen rätselhafter Weise ein großer Interesse von der Art zeigen, für die man tötet, obwohl kein lebender Mensch mehr einen funktionierenden Computer seid Jahrzehnten in seinem Besitz mehr gesehen hat.

Prinzipiell ist diese Geschichte erst Einmal den modernen Abenteuerromanen zuzuordnen. D.H., dass hier eine spannende Geschichte erzählt wird, welche vereinzelte Macken haben kann, aber in ihren Grundzügen immer der Unterhaltung dient. Punktuell kommt dabei aber immer wieder die Frage auf, mit der sich gerade das Genre der Postapokalypse immer auseinandersetzen muss: Warum ist diese Welt vor die Hunde gegangen? Wieso sind die Menschen nicht mit Wiederaufbau beschäftigt? Und genau in diesem Punkt springt dann innerhalb der Geschichte ein immer wieder aufkommender, andeutungsweise sehr schöner, aber nicht ganz unstrittiger, kritischer Blick auf die globalisierte Welt des „DAVORS“. (Also unsere Gesellschaft.) Ich will aufgrund der Natur dieser Rezension als Rezension nicht zu viel verraten, aber: Wie uns die immer noch nagende Weltwirtschaftskrise angezeigt hat, handelt es sich um einen Dominoeffekt aus sehr komplizierten Monokulturen. Insgesamt aber rangt sich die Geschichte um die Jagdt nach einem McGuffin, der hier als „Datenträger“ bezeichnet wird und von einem Punkt a nach Punkt b transportiert werden soll. Dabei sind die Protagonisten, welche bestimmte Fuktionen innerhalb ihrer Gruppe erfüllen, noch nicht so sehr ausgearbeitet, wie sie es sein könnten, sondern wirken für den Augenblick noch innerhalb der Konstellation an Ereignissen als reagierende Masse, anstelle von aktiv handelnden Personen gefangen. (Da „Neue Hoffnung“ aber die erste Hälfte eines Zweiteilers darstellt, will ich in dem Bereich noch nicht so viel in diesen Umstand hinein deuten. Es kann noch einiges passieren.) Für den Augenblick wird innerhalb der Gruppe erst einmal eine Art „Status Quo“ erschaffen, in dem die Welt in ihrem Ist-Zustand aufgebaut wird, und die derzeitigen Beziehungen der einzelnen Gruppenmitglieder zueinander, sowie ihrer jeweiligen Vergangenheit miteinander und innerhalb dieser Welt in teilweise nur groben Strichen angedeutet wird. (Ein paar Fragen bleiben dabei offen, da sie aufgrund der Begrenzug von 338 Seiten noch nicht bis zum letzten Ausgeführt werden können. Und ein paar Rätsel müssen ja auch offen bleiben, da die Geschichte nicht mit den beiden bereits erschienenen Büchern zu Ende erzählt wurde.) Das eine Liebesbeziehung in dem Ganzen mit drinsteckt ist wohl irgendwo dem Klischee verschuldet. Es macht Sinn, solange es für das fortlaufende Drama von Bedeutung werden kann. Genauso wie aus dem Schüler-Mentoren-Verhältnis, dass zwischen Tyler und Perry bis jetzt angedeutet wird, noch eine stärkere Beziehung erwachsen kann. Unter diesen Umständen betrachtet überzeugt „Neue Hoffnung“ allein noch nicht, aber: Sollten die hier aufgebauten Andeutungen zufriedenstellend aufgelöst werden, kann aus der Geschichte als Ganzes noch eine sehr gute, Geschichte erwachsen, zumal der Schreibstil des Autors sehr flüssig zu lesen ist.

Fazit

Da es sich hierbei um die erste Hälfte eines Auftakts einer Geschichte handelt, die sich weiter aufbauen will, kann ich für den Augenblick noch keine Grundsätzliche Basiskritik bis ins letzte Detail verfassen. In sofern betrachten wir hier erst einmal ein paar Grundsätzliche Fragestellungen für den Anfang. Die da wären: Funktioniert die Geschichte? Baut sie die für den Anfang gesetzten Zielmerkmale halbwegs überzeugend auf? Wie überzeugend ist der „Settingrahmen“?
Unter diesen Grundlagen kann man sich nämlich durchaus eine Meinungsbildung fürs erste aufbauen. Wie ich schon festgestellt habe, bleibt die Geschichte erst einmal in der Tradition klassischer Abenteuerromane enthalten. Das heißt die Geschichte baut ein paar mutige Helden auf und erschafft ein paar miese, niederträchtige Bösewichte, welche als amoralische Übermacht dargestellt werden. In dieser Hinsicht ist sehr schnell klar, wer die Sympathieträger sind und wer die „Bösen“. (Passend ist dazu, dass die Geschichte in Amerika spielt, es fehlen insofern fast nur noch weiße und schwarze Hüte, um diesen optischen Hinweis noch zu vervollständigen.) Das ist der Punkt, warum die Charakterentwicklung noch ein wenig zu wünschen übrig lässt. Eigentlich sind wir innerhalb der phantastischen Literatur auch schon deutlich stärkere Grauzonen gewöhnt. Der Punkt dabei ist aber, dass für den Augenblick aber erst einmal wie gesagt ein gänzlich neues Setting in seinem Status Quo vorgestellt wird und daher mehr Wert auf die Ereignisse innerhalb dieser Welt, die das Geschehen selbst für den Augenblick bereiten, an dem die eigentliche Zielsetzung dieser Geschichte entsteht, aufbereitet werden. Insofern funktioniert „Neue Hoffnung“ für den Augenblick erst einmal, da man bereits erahnen kann, dass hier einiges Mehr noch passieren könnte, solange der zweite Band wirklich halten kann, was der erste verspricht. Schön ist dabei auch, dass mit einiger Mühe zumindest eine Erklärung geliefert wird, wie die Postapokalypse zu einem solchen Verfall führen konnte. (Wie gesagt: Das Genre selbst hat einen ganzen Haufen Skeptiker mittlerweile an den Start gebracht, die immer wieder darauf hinweisen, dass ein „Aufbaubemühen“, um alten Luxus wieder neu zu erschaffen, doch deutlich überzeugender sei.) Das unsere vom Blendwerk des Luxus geprägte Gesellschaft aber selbst das Problem ist, dass einen Wiederaufbau nicht ermöglicht, ist dabei meistens nicht im Gespräch. Insofern überzeugt dieses Setting erst einmal.
Ob das gesetzte Ziel der Geschichte selbst aber wirklich überzeugt kann ich für den Augenblick noch nicht sagen. Ich warte da wirklich lieber den zweiten Band ab, um ein endgültiges Urteil zu treffen.
Für den Augenblick bleibt aber festzuhalten: Sehr schöne, schnörkellose Abenteuergeschichte in einer verrottenden Welt, in der überleben das wichtigste Gut zu sein scheint. Das Setting hat genügend Farbe, um lebendig zu wirken, auch wenn die Protagonisten erst einmal noch zu sehr in ihrer Rolle feststecken. Dazu kommt noch ein angenehmer Schreibstil, der das lesen zu einer Freude macht. Insofern: Guter auftakt, aber mit einem noch zu fiesem Cliffhanger, um ein sinnvolles, endgültiges Urteil zu treffen.

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