Ein Magier auf Abwegen – Teil 3

Ein Morgen in Warunk

Ich hatte etwas halbwegs passabel in der Dunkelheit ausmachen können und öffnete langsam die große, schwere Eichentür des Gasthauses um in die gute Stube zu treten. Innen drin wirkte es wie ein normales Gasthaus in einer mittelgroßen Stadt im Norden Aventuriens, wenn nicht in einer Ecke ein kleines Grüppchen schwarz-roter Gestalten gesessen hätte, die sich lautstark miteinander über den Sieg hier in Warunk unterhielten.
Ich war recht froh darüber, dass ich mir ein neues Aussehen zugelegt hatte und nicht durch Zufall vielleicht einer jener mich von Beschreibungen wegen der Sache im Osten erkennen konnte und so warf ich nur einen kurzen sondierend wirkenden Blick auf die Gruppe und trat dann an die Theke heran.
Der Wirt hatte sich wohl schnell auf die Besatzer eingestellt denn er reagiert mehr oder weniger gelassen auf die Gäste in seinem Lokal. Ich bestellte ein Glas Wein und setzte mich, nachdem er es mir auf die Theke gestellt hatte, an einen Tisch in der Nähe der Soldaten um etwas ihrem Gespräch zu lauschen.
Nicht wirklich aufschlussreich war es hauptsächlich geprägt von Angeberei wer die meisten Gegner ausgeschaltet hatte und wer Seite an Seite mit einem Dämon gekämpft hatte – offensichtlich war es eine Art Spiel unter den Söldnern sich so nah wie möglich heran zu wagen – und wer dabei verlor den erwischte der Dämon… natürlich nur versehentlich.
Als wäre ein Kampf nicht schon aufregend genug.
Etwa gegen die erste Stunde nach Mitternacht erhoben sich die Söldner von ihren Plätzen und wankten noch immer lautstark prahlend aus der Tür hinaus und ich begab mich nach oben in mein Schlafgemach.
Ich wurde früh morgens durch störenden Lärm, der durch die geschlossenen Läden meines Fensters drang, aus meinem Schlaf aufgeschreckt und versuchte mich im halbdunkel zu orientieren. Der Lärm war nun als Schreie von weiter entfernt auszumachen, aber ich konnte nicht genau sagen ob es sich um söldnerische Aufwärmübungen oder um Folterungen handelte. Vermutlich ersteres, beschloß ich und machte mich auf den Weg ein bisschen Frühstück zu ergattern, bevor ich mich in die Nähe der großen Burg aufmachte.
Selbst zu dieser Stunde waren fast die Hälfte der Tische mit Gästen, hauptsächlich Besatzer, belegt und ich wählte einen der Stühle direkt vor der Theke um mein Frühstück zu mir zu nehmen. Auch jetzt hörte ich von fast allen Tischen Prahlereien über die Schlacht und konnte wiederum den einen oder anderen Namen aufschnappen. Sie schienen sich ihrers Sieges für eine längere Zeit ja sehr sicher zu sein.
Von draußen gellten noch immer Schreie in die Taverne. Der Himmel selbst war Wolken verhangen und ein Geruch nach verbranntem und verwesendem Fleisch lag in der Luft. Die Söldner schienen sich daran aber nicht zu stören, kippten die helle Plörre, die sie als Bier bezeichneten hinunter und waren mit sich und der Welt sehr zufrieden. Einer der Hauptleute schien seinen Kameraden von einer großen Aktion am frühen Abend zu berichten. Er flüsterte nur, aber an den Reaktionen seiner Zuhörer konnte man ablesen, dass wohl doch weit mehr kommen würde, als ich gerechnet hatte. Hellhörig wurde ich, als Rhazzazors Name mehrfach fiel.
Unauffällig versucht ich weiterhin dem Gespräch zu lauschen ohne direkt in den Fokus der ganzen Bande zu geraten, da das dann entweder sehr hässlich oder vielleicht auch sehr hässlich enden könnte.. irgendwie erschien mir die Auswahl arg begrenzt zu sein. Aber gut, Söldner waren Söldner und Magier eben… nun ja… Aber vielleicht ließ sich ja hier etwas über das Ziel herausfinden, dass noch immer mehr oder weniger Leer vor mir in der wartenden Luft schwebte.
“Jo, könnte glauben… Von dem Herren persönlich, heißt es. Son Magni Operio… irgendwas in der Art, soll ne Beschwörung an Thargu… Der Schwarze Drache wirkt angeblich mit. Wann den? Dummkopf, abends natürlich…” Gesprächsfetzen, mehr nicht, aber ein wacher Geist konnte weit mehr als sinnloses Gebrabbel daraus entnehmen. Die Männer waren aber so mit sich und ihrem Bier beschäftigt, dass sie mich nicht im mindesten bemerkten. Trotzdem hatte ich so ein verräterisches Kribbeln im Nacken.
Abends. Aha. Na das war ja noch ein wenig hin. Konnte ich also doch meinen geplanten Ausflug durch die Stadt machen und mich ein wenig mehr mit den Straßen und Gebäuden herum plagen. Zu hoffen, dass ich mir den Weg merken könnte, wagte ich erst gar nicht. Musste ich eben bei eventuellen Fluchten auf meine Intuition und gewisse andere Möglichkeiten vertrauen.
Ich zuckte kaum merklich mit den Schultern, zum Teil auch um das unangenehme Gefühl zu vertreiben und begab mich auf den Weg zur Tür um das Lokal zu verlassen.
Die Quelle des Kribbelns war unverkennlich zu sehen. Ein junger Mann, vielleicht 25 Götter- oder wohl eher Erzdämonenläufe alt, struweliges blondes Haar, strahlend grüne Augen. Die strahlend rot und dumpf schwarze Uniform schien ein paar Nummern zu groß zu sein, zwei schmale Säbel und mehrere Dolche vervollkommneten das Bild von ihm. Als ich den Raum verließ, nickte er sehr leicht und vielleicht lächelte er sogar kurz.
Der Platz vor der Taverne war leer, einige Teile von Menschen lagen vom Kampf noch auf der Straße, niemand schien sich die Mühe gemacht zu haben sie zu beseitigen. Doch die Schreie gellten noch immer aus der Unterstadt. Im Osten konnte ich drei schwarze Punkte im Himmel sehen, wobei einer größer wirkte.
Hmph. Ich fragte mich wer das wohl ist… dämliche Neugier. Aber zunächst… Mit diesen Gedanken ging ich die Straße weiter hinauf in der Hoffnung dort irgendwo einen Hinweis auf das Zentrum dieser neuen Macht zu treffen, die Leichenteile ab und an eher aus anatomischem Interesse genauer betrachtend.
Viele einzelnen Gliedmaßen, selten noch intakte tote Körper. Doch je länger ich so rast und ruhelos durch die Straßen striff, je mehr sah ich, wie Häuser doch wieder aufgebaut wurden, Schmiedefeuer schon wieder loderten und auf größeren Plätzen blutjunge Männer und Frauen gedrillt wurden. Und trotzdem hallten unablässig diese Schreie durch die Straßen, wie die gefolterten Seelen in der Seelenmühle selbst.
Als die Straßen langsam breiter wurden, fanden sich auch mehr und mehr Menschen mit Abzeichen oder Rangzeichen auf den Straßen. Hier und da sogar ein typischer Priester von Belhalhar oder eine Paktiererin des Blakharaz.
Nutzloses Gesindel. Aber in kaputten Städten kann man nicht herrschen und wer auch immer hier bleiben wird und nicht weiter mit dem Heer reisen, wird mit Sicherheit lieber in einer intakten Stadt wohnen.
Ich fegte mir die blonde Strähne, die sich dreist immer wieder vor die Augen schob, beiseite und bleibe mehr oder weniger mittig auf der Straße stehen.
Und nun? Ich suchte die nahe gelegenen Häuser nach einem Hinweis auf etwas Interessantes ab. Direkt zu den Führern vorzudringen ist vielleicht doch etwas riskant.
Interessantes lag bekanntlich im Auge des Betrachters. Links die Straße entlang führte zu dem großen Westtor der Stadt. Von meiner erhöhten Position konnte ich dort viele Menschen auch außerhalb erkennen. Wie es schien wurde dort ein provisorisches Lager errichtet. Die Straße weiter, kämme ich zum ehemaligen Palast, über dem rot-schwarz das Banner des Dämonenkaisers wehte. Der rechte Weg führte nach Osten, durch die Stadt, vorbei an den Villen, wo die Prister, Kommandanten und Magier lebten und mir vermutlich  durchaus Dämonen und Daimoiden begegnen können.
Instinktiv wendete ich mich nach rechts, obwohl ich normalerweise mehr der Linksgänger bin, aber vermutlich dürfte ich hier eher finden was ich suche und nicht draußen im Söldnerlager, dass vermutlich eh innerhalb der nächste Wochen einem weiteren verdorbenen Flecken Erde weichen würde.
Ich beschaute mir die einzelnen Häuser an den Straßenseiten.
Hier schien der Krieg nicht so stark gewütet zu haben, anfangs waren viele Krämer, Kontors und gehobene Gasthäuser zu sehen. Ja sogar einen kleiner Schrein des Nandus, bisher auch kaum zerstört, fand sich. Vielleicht hatte der Schrein einfach Glück gehabt? Weiter den Weg hinauf sah ich die hohen Villen, umzäunt und zum Teil schon jetzt wieder von menschlichen Söldnern bewacht. Hier waren auch einige Leute auf Pferden unterwegs, insgesamt beachtet man mich derzeit aber eher weniger, wirklich viel war auf den Straßen und Gassen nicht zusehen.
Was nun… hmm… vielleicht melden.. das könnte klappen. Ich drehe mich wieder um und ging zurück in Richtung Lager der Söldner.

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