Dungeoneer: Advanced Fighting Fantasy

Eine Retrobesprechung von Infernal Teddy

Ich habe den Gratisrollenspieltag 2018 in Gelsenkirchen verbracht, auf der von System Matters ausgerichteten GelsenCon. Und wie ich so dasitze und mit Daniel über die OSR, über oldschoolige Rollenspiele, und Dungeon World philosophiere stellt sich mir langsam im Hinterkopf ie Frage, was denn das oldschooligste Rollenspiel ist das ich besitze, und weder die Rote Box noch ein Retroclone ist. Die Frage hat mich tatsächlich bis nach Hause begleitet – Palladium ist es eigentlich nicht, da habe ich nur Rifts und die zweite Edition von Palladium Fantasy. Zuhause fällt es mir dann – Katzen seien gedankt – quasi aus dem Regal entgegen: Ich habe ja noch nicht so wirklich mit euch über Advanced Fighting Fantasy gesprochen, obwohl wir hier schon einige der Spielbücher der FF-Reihe gesprochen haben.

Vor endlosen Monden gab es im Vereinigten Königreich zwei extrem erfolgreiche Spielbuchreihen, Einsamer Wolf und Fighting Fantasy. Einsamer Wolf hat mich nie angesprochen, aber Fighting Fantasy ist bis heute eines meiner Steckenpferde geblieben. Aber neben der Spielbuchreihe gabe es noch das eher weniger erfolgreiche Fighting Fantasy – The Introductory Role-playing Game, welches 1984 erschien. Später erscheinen dazu noch das Monsterbuch Out of the Pit und die Weltbeschreibung Titan, welche dann 1989 erneut aufgelegt wurden als mit Dungeoneer das erste Buch der Advanced Fighting Fantasy-Reihe erschien. Ich sage zwar immer, AD&D war mein erstes Rollenspiel, weil ich damit erste Erfahrungen mit dem Hobby machte, aber tatsächlich müßte ich AFF als mein erstes Spiel bezeichnen.

Ich habe hier tatsächlich die Erstauflage des Spiels auf dem Schreibtisch, ein mittlerweile ziemlich angeschlagenes Taschenbuch im B-Format, mit 404 Seiten in Schwarz/Weiß. Illustriert wurde das Buch vom legendären John Sibbick, welcher viele von euch wahrscheinlich von seinen Arbeiten für Games Workshop her kennen. Vom Layout entspricht es mehr oder weniger dem für Taschenbücher üblichem Format, mit einer etwas größeren Schriftart – man merkt hier das es für ein etwas jüngeres Zielpublikum gedacht war.

Das Buch eröffnet mit einer lockeren und freundlichen Einleitung, welche erstaunlich gut erklärt, was denn ein Rollenspiel ist, und wie man es grob spielt, mit einigen vertiefenden Worten, welche sich an Leser richtet, welche das oben schon erwähnte Vorgängerspiel kennen. Ähnlich kurz und locker sind auch die beiden folgenden Kapitel, welche zunächst erklären was man zum spielen braucht, bzw. welche Rollen die einzelnen Spieler übernehmen (AFF bezeichnet die Spielleitung als Director, als Regisseur, und vergleicht die Gruppe mit den Hauptdarstellern eines großen Actionfilms), und dann erklären, wie denn die Charaktere aufgebaut sind und worauf man achten muss. Auf die Charaktere kommen wir später nochmal, wenn wir tatsächlich zu den Regeln zur Charaktererschaffung kommen. An dieser Stelle nimmt das Buch die sechs Beispielcharaktere als Grundlage, und empfiehlt das man zunächst das erste der beiden Abenteuer des Buches durchspielen sollte, „Tower of the Sorcerer“.

Tower of the Sorcerer erfüllt an dieser Stelle zwei Funktionen: es führt die Spieler an das Rollenspiel heran, und es präsentiert auch die wichtigsten Regeln an den Stellen, an denen sie auch tatsächlich zum Einsatz kommen. Der Spielleiter bekommt dabei jede Menge Hilfestellungen an die Hand gereicht, damit seine Aufgabe möglichst einfach wird, gleichzeitig bekommt er aber auch das Werkzeug um den Spielern zu helfen. Jedes Segment des Abenteuers ist dabei gleich beschrieben. Es gibt zunächst eine Beschreibung der Location an der dieser Akt stattfindet, und eine knappe zusammenfassung des Plots in diesem Akt. Danach folgen mögliche Antagonisten mit Werten, empfohlene Requisiten um die Szene lebendiger zu gestalten, und dann die eigentliche Handlung. Die einzelnen Akte enden dann mit einem Hinweis auf die nächste Szene, und einige möglichen Probleme und wie der Spielleiter diese beheben kann. Die Handlung des Abenteuers ist auch recht einfach gehalten: ein böser Zauberer hat die Prinzessin der Stadt Salamonis entführt, als diese auf dem Weg zu ihrem Verlobten, dem Prinzen von Chalice, war. Die Charaktere werden losgeschickt um in den Turm des Magiers einzudringen, aber es gibt natürlich einen kleine Plottwist…

Die eigentlichen Regeln des Spiels folgen dann auf Tower of the Sorcerer, und nehmen mit 120 Seiten inklusive Zaubersprüche und einigen Spielleitertipps angenehm wenig Raum ein. Die Spielregeln basieren natürlich auf denen der Spielbücher: Charaktere haben einen Skillwert, welcher in der Regel zwischen sieben und zwölf liegt, und den man mit 2w6 zu unterwürfeln hat. Gelingt ihm der Wurf war die Probe ein Erfolg. Der Regelteil beginnt mit der Charaktererschaffung, und da mit dem Auswürfeln der drei Attribute Skill, Stamina und Luck. Ein Beispiel für die Charaktererschaffung haben wir bereits vor einigen Jahren hier präsentiert. Die Charaktererschaffung ist – passend zum Rest des Spiels – denkbar einfach, und es ist durchaus möglich eine komplette Gruppe in einer Viertelstunde spielbereit zu haben. Kämpfe sind ähnlich einfach, beide Kämpfenden machen eine vergleichende Probe gegen ihre Angriffsfertigkeit, und wer mit seiner Probe Erfolg hat macht gemäß seiner Waffe Schaden bei seinem Gegner. Schaden kann gerade auch für zaubernde Charaktere gefährlich werden: Zaubersprüche werden ähnlich wie Fertigkeiten behandelt, aber ein erfolgreicher Zauber wird durch die Lebensenergie „bezahlt“ – jeder Zauber hat einen Kostenfaktor in Staminapunkten. Die restlichen Regeln bauen auf diesen einfachen Grundprinzipien auf, und erweitern sie.

Das zweite Abenteuer des Bandes trägt den Titel „Revenge of the Sorcerer“, und setzt kurz nach dem Ende des ersten Abenteuers an. Die Abenteuerer – AFF bezeichnet sie ähnlich wie bei DSA als Helden – erhalten den Auftrag, den Zauberer zu suchen, welcher im ersten Abenteuer die Prinzessin entführt hatte, aber im Finale entkommen konnte. Nun sollen die Helden zur finstersten und gefährlichsten Stadt des nördlichen Allansias, Port Blacksand, um die Spur des Zauberers aufzunehmen und ihn in den Tunneln unter der Stadt zu stellen und zu vernichten. Und möglicherweise wecken sie dabei ein viel älteres Übel – aber das ist eine Geschichte für den nächsten Band… Das Abenteuer ist etwas komplexer als der Vorgänger, aber immer noch relativ einfach, um die Spielergruppe nicht zu überfordern, und enthält immer noch vielen Hilfestellungen, auch wenn nicht mehr jede Regel nochmal erklärt wird.

Das letzte Kapitel enthält dann die Regeln für Erfahrungspunkte, zusammen mit Tipps für den Umgang mit erfahrenen Helden, und Hilfestellungen für neue Spielleiter beim Erstellen von Abenteuern, inklusive einer Auswahl an Monstern (Aber zu den Monstern werden wir an anderer Stelle noch kommen…). Abgerundet wird der Band durch die bereits erwähnten sechs Beispielcharakteren.

Fazit:
Dungeoneer ist für mich immer noch das beste Einsteigerprodukt das mir je untergekommen ist. Das System ist einfach, die Erklärungen sind elegant, und der Tonfall der Autoren ist angenehm locker, ohne ins flapsige umzukippen. Wer jüngere Geschwister bzw. Kinder hat und sie möglichst schmerzfrei ins Hobby führen möchte wird nur wenige Spiele finden, welche sich besser dafür anbieten. Dazu kommt noch, das sich dieses elegante System auch sehr leicht erweitern lässt – was zum einen durch die Folgebänder Blacksand! und Allansia geschieht, zum anderen lassen sich auch viele der Zusatzregeln aus den verschiedenen Spielbüchern ohne größere Komplikationen einbringen.
AFF bleibt eines meiner absoluten Lieblingssysteme, und begleitet mich seid fast 30 Jahren imemr wieder auf Cons und Treffen als Backup-System. Ich empfehle es wärmstens.

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