Dragon’s Hoard – Der Drachenhort

Eine Kampagne für Das Lied von Eis und Feuer

Die Welt von Game of Thrones bedarf wohl kaum einer Vorstellung mehr. Die erfolgreichste TV-Serie aller Zeiten ist sicher jedem Fantasybegeisterten ein Begriff und konnte phantastische Literatur sogar in den Mainstream bringen. Kaum eine Bahnfahrt vergeht, in der nicht irgendjemand eins von G.R.R. Martins berühmten Büchern über Haus Stark und den Eisernen Thron liest.

Bei so einer Popularität ist es kein Wunder, dass auch ein Rollenspiel in Westeros angesiedelt ist. Das wäre aber vermutlich auch ohne den durchschlagenden Serienerfolg passiert. Schließlich ist eine Stärke von G.R.R. Martin der Weltenbau und die charakterzentrierten Intrigen- und Machtkämpfe, die sich dem Spieltisch geradezu aufrängen. Dementsprechend ist Das Game-of-Thrones Rollenspiel kein Seitenprodukt der TV-Serie und datiert sogar noch vor die erste Staffel. Ein wahrer Glücksfall, da das Produkt so auch ohne horrende Lizenzkosten umgesetzt werden konnte. Anders wäre es kaum möglich gewesen, dass das Spiel in Deutschland bei dem kleineren und dafür detailverliebten und szenenahen Mantikore Verlag erscheinen konnte.

Regeln und Hintergrund

Zum Spielsystem muss an dieser Stelle nicht viel gesagt werden, da es bereits an anderer Stelle bei uns besprochen wurde. Ganz grob gesagt haben wir es mit einem W6-Poolsystem zu tun, das sich insbesondere durch unterschiedliche Konflikttypen auszeichnet. Das System versucht so den Fokus der Buch- und Serienwelt einzufangen und ‚gameistisch‘ zu unterstützen. So werden Intrigen ähnlich detailliert behandelt wie Kämpfe und auch der politische Einfluss des Spielerhauses wird numerisch festgehalten.

Regeltechnisch wird sich also durchaus am Stil der Bücher orientiert. Das gilt natürlich noch offensichtlicher für die Hintergrundwelt. Was sich auf den ersten Blick einfach anhört, ist auf den zweiten jedoch durchaus kompliziert. Schließlich sind zahlreiche Ereignisse in den Büchern festgesetzt worden und da sich aGoT um große Konflikte dreht, war es auch nicht möglich die Spieler aus größeren Machtverschiebungen herauszuhalten. Als Lösung wurde die Welt von Westeros gewissermaßen als Sandboxuniversum betrachtet und eine Zeit kurz vor den Romanhandlungen gewählt. So ist die Ausgangslage mit der der Romane vergleichbar und konnte gleichzeitig für Wiedererkennungswert und Spielfreiheit gesorgt werden. Die Spieler kontrollieren dabei üblicherweise ein selbstgeschaffenes Haus das sich entgegen der unzähligen anderen kleinen Häuser in Westeros aus der Bedeutungslosigkeit hervorheben kann.

Wie schon erwähnt ist das Rollenspiel noch vor der Fernsehserie entstanden. Dementsprechend orientiert sich die Rollenspielinterpretation von Westeros an den Romanen und findet einen gegenüber der Serie eigenen Stil. Bei der deutschen Übersetzung wurde sich dabei für die neuere Übersetzung entschieden welche die englischen ‚telling names‘ übersetzt. Dementsprechend haben wir es mit den Sturmlanden, Königsmund, Haus Graufreud und der Nachtwache zu tun. Das lässt sich für Fans der englischen Originalvorlage problemlos rückübersetzen und vermeidet ein unangenehmes Wechseln zwischen den Sprachen am Spieltisch. Nichts destotrotz kann es manchmal etwas haken. So heißt das Spiel auf Deutsch eben Das Lied von Eis und Feuer. Das Game-of-Thrones- Rollenspiel und der vorliegende Band wie in der englischen Vorlage Dragons Hoard, obwohl wir im Band natürlich den Drachenhort suchen…

Auf der Suche nach dem Drachenhort

Mit Dragon‘s Hoard ist der langersehnte erste Kampagnenband des aGoT Rollenspieles erschienen. Nach einiger Pause gibt es damit endlich wieder etwas Material für die Rollenspielgemeinde. Leider ist es wahrscheinlich, dass es aus Lizenzgründen auch das letzte Produkt der Reihe ist.

Das Buch hat es dafür in sich. Dragon‘s Hoard ist eine fünfteilige Kampagne die auf fast 180 Seiten dargestellt wird. Die sind darüber hinaus intensiv genutzt worden. Die ein oder andere – äußerst gelungene – Illustration lockert die Seiten auf, davon abgesehen wird jedoch kein Zentimeter unbeschrieben gelassen. In einem engen zweispaltigen Layout erhält die Spielleitung wirklich alles, was sie für die Kampagne benötigt. Handlungsrahmeen, Nichtspieler-Charaktere, diverse Tabellen, Belohnungen, Konsequenzen, weiterführende Tipps etc.

Besonders hervorzuheben ist dabei die gut durchdachte Abenteuerstruktur. Die 5 Kapitel werden jeweils mit einer Gesamtübersicht eingeleitet und dann in unterschiedliche Szenen eingeteilt. Die werden wiederum tabellarisch vorgestellt wobei Handlungsorte, Charaktere und insbesondere Belohnungen und Weiterleitungen aufgeführt werden. Das erinnert auf beste Weise an eine etwas oldschoolige Rollenspielweisen mit klaren Aufgaben und Belohnungen, welche die Spieler nicht aus narrativen Gründen verwöhnen möchte. Gleichzeitig führt der Ansatz zu einer äußerst klaren, aber leider auch gewöhnungsbedürftigen Struktur. Der Drachenhort lädt nicht zum Schmökern ein sondern will durchgearbeitet werden. Dann jedoch entspinnt sich eine detaillierte und wohldurchdachte Geschichte die dem dynamischen Charakter des Spiels durch unterschiedliche Weggabelungen und klare Machtverteilungen- und Verschiebungen entgegen kommt.

Etwas schade ist jedoch, dass sich der Komfortgedanke nur in der Struktur niederschlägt. Handouts oder zusammenfassende SL-Materialien sucht man vergeblich. Gelegentliche Raumpläne, die genannten tabellarischen Zusammenfassungen und die äußerst ansehnlichen Charakterillustrationen stehen nicht zum Download bereit und sind auch nicht zum einfachen Kopieren zusammengestellt worden. Auch gibt es keinerlei sonstige Handouts wie Briefe oder Buchauszüge obwohl sich Teile der Kampagne um Bibliotheksrecherche drehen. Das ist zwar kein Muss, hier wäre aber Luft nach oben gewesen.

Auch die Übersetzung kann mich leider nicht durchweg überzeugen. Der Stil wirkt etwas knochig und zu nah am Original. Auch kommt es gelegentlich zu kleineren Fehlern. Letztere sind verschmerzbar und ersteres ist vermutlich eine Stilfrage, beides hat mir das Lesen jedoch etwas schwer gemacht. Dem Inhalt schadet das aber natürlich nicht…

Handlung

Worum geht es aber bei Dragon‘s Hoard. Zuerst natürlich um die titelgebende Suche nach dem Drachenhort. Die Idee der Kampagne basiert auf der Annahme, dass ein Teil von Aerys Targaryens Schatzkammer in Sicherheit gebracht wurde und nun auf neue Besitzer wartet. Die Idee entspricht zwar nicht dem Kanon der Welt, lässt sich aber problemlos mit der offiziellen Geschichte in Einklang bringen und bietet einen äußerst lukrativen Anreiz für das Spielerhaus. Die Charaktere machen sich auf die Suche nach Hinweisen auf den Schatz um diesen im besten Fall zu bergen und für sich zu beanspruchen. Im Kern geht es dabei um das Erlangen von Hinweisen auf den Ort des Schatzes und das Geheimhalten dieser Informationen. Es entspannen sich genregemäß Konflikte mit anderen Häusern und der Krone, die natürlich alle gerne etwas vom Schatz abhaben würden. Die Kampagne deckt dabei alle Bereiche des Rollenspiels von Kampf bis Intrige ab, fokussiert sich aber mehr auf soziale und politische Konflikte als auf Kämpfe. Ein dynamischer Feindeszähler hilft dabei im Blick zu halten, welche anderen Fraktionen auf das Vorhaben der Charaktere aufmerksam werden und wie diese reagieren.

Das Abenteuer ist dabei durch Ton (Intrigen und Machtgewinn) und die Spielwelt eng an das aGoT Universum angelehnt. Auch wenn man als Systemfremder einiges von der Struktur und dem Ton der Kampagne lernen kann, ist Dragon‘s Hoard kaum außerhalb von Westeros zu gebrauchen.

Fazit

Vom Umfang her setzt Dragon’s Hoard einen finalen Paukenschlag. Die fünf überaus detaillierten Abenteuer bilden eine epische Kampagne die für Fans des Rollenspiels fast schon ein Muss ist. Die stimmungsvollen Illustrationen und die überlegte Struktur werten das Buch enorm auf. Für angemessene 29,95€ bekommt man einiges geboten, weshalb Fans des Spiels bedenkenlos zuschlagen können. Es wäre dem System zu wünschen, dass der Buch- und Serienerfolg eine weite Spielerschaft eröffnet anstatt Lizenzen zu verunmöglichen. Westeros gehört einfach vor und hinter den Spielleiterschirm

PS. Die Produkte für das aGoT Rollenspiel sind überschaubar. Wer sich trotz Rezension nicht sicher ist, ob das Regelwerk etwas für die Gruppe ist, kann sich die Schnellstartregeln anschauen. Die sind zwar nicht kostenfrei, enthalten unter anderem eine hochwertige Landkarte und umseitig einen Print des imposnaten Titelbildes. Teddy hat an anderer Stelle einen Charakter zum System gebaut und die meisten Produkte der Reihe für euch besprochen:

 

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