Der Rabe
Ein Roman von Lionel Davidson
Stellt euch vor, ihr seit ein alternder Professor an einem der Colleges in Oxford und bekommt plötzlich eine geheime Nachricht zugespielt von der ihr keine Ahnung habt, wie ihr die interpretieren sollt, aber zum Glück eine Form des britischen Geheimdienstes (welche eng mit der CIA zusammenarbeitet) das Ganze für euch entschlüsseln kann, ihr dann erfahrt, dass ein alter Kollege von euch irgendwo in einem sibirischen Forschungslabor steckt und von euch gerne möchtet, dass ihr einen ebenfalls alten Bekannten dazu bringt ihn dort aufzusuchen. Genau so passiert es nämlich Professor Lazenby. Der zunächst Schwierigkeiten hat sich überhaupt an die Begebenheiten zu erinnern, da er besagte Personen zusammen nur einmal kurz auf einer Konferenz vor mehr als 10 Jahren gesehen hat. Und dummerweise ist der gemeinsame Bekannte auch noch sehr gegen jegliche Regierungsbehörden eingestellt und muss erst einmal gefunden werden. Dann jedoch lässt er sich recht schnell von der Sache überzeugen – immerhin ist er durch sein Sprachtalent und Aussehen wirklich gut geeignet dort im hohen Norden in die russische Forschungsstation einzudringen. Der Rabe, so haben sie ihn auf jener Konferenz genannt, bricht auf nach Japan um dann von dort mit einem mehr alt als neuen Schiff unerkannt in Sibirien zu landen. Doch vom Hafen aus ist es noch ein weiter Weg bis zu Station in die nur ausgewählte Wissenschaftler für den Rest ihres Lebens und die nomadisch lebenden Ewenken gelangen können. Und was er dann dort von seinem alten Bekannten in Erfahrung bringen kann, ist mehr als ungeheuerlich…
Nach dem der Roman im ersten Abschnitt die Vorgeschichte mit Nachricht und Finden des Raben beschreibt, startet der Hauptteil: das Eindringen in die Station selbst. Relativ genau wird dabei die Reise ab Japan beschrieben, wie der Rabe das vom Geheimdienst ausgewählte Schiff besteigt, am richtigen Hafen auch wieder verlassen kann, und dann von dort den beschwerlichen Weg bis zu Station findet. Dabei werden die unterschiedlichen Völker Sibiriens wenn schon nicht beschrieben, so doch erwähnt, da der Rabe dank seiner indianischen Herkunft leicht für einen der ihren ausgegeben werden kann. Ebenso wird das Leben der Menschen so weit im Norden recht glaubhaft dargestellt. Der Fokus des Buches liegt, wie auch der deutsche Titel vermuten lässt, auf der Person des Raben bzw. auf dem Eindringen in die russische Forschungsstation (und natürlich dem daran anschließenden Entkommen). Tatsächlich kaum Fokus liegt auf dem was in dieser Station getrieben wird. Dies ist nur Mittel zum Zweck und könnte letztlich auch durch ein neues Eisrezept ausgetauscht werden ohne das die Geschichte groß an Inhalt verliert.
Leider hat der Autor seine Hausaufgaben mindestens im Bereich der Biologie nicht gemacht (vielleicht auch nicht im Bereich der Völkerkunde, da kennt sich die Rezensentin aber nicht aus). Erstens: Das ein Mikrobiologieprofessor von einer von einem Satelliten aufgenommen Explosion auf die Sicherheitsstufe einer Forschungseinrichtung schließen kann, ist schon arg an den Haaren herbeigezogen. Das dann jener aber mitteilt, dass es sich um eine P4 Stufe handelt (P wird laut Wikipedia nur in Frankreich verwendet, überall anders heißt es S) und dann meint, dass das ja nur gentechnisch veränderte E.coli Bakterien sein können, ist ein starkes Stück [für jene, die sich damit bislang nicht beschäftigt haben: biologische Arbeitsstoffe werden in vier Risikogruppen eingeteilt, je nachdem wie schwerwiegend eine Infektion beim Menschen ist (und die dazugehörigen Räumlichkeiten entsprechend in Sicherheitsstufen mit bestimmten Verhaltensweisen). Schnupfen (also Rhinoviren) sind auf Stufe 2, ebenso wie Hepatitis A. HIV ist auf 3. Auf Stufe 4 finden sich nur eine handvoll fieser Dinge, wie Ebola oder die Poken. Natürlich ist da nicht E.coli. Das ist auf 2, bzw 3, je nach Stamm]. Und auch wenn diese Forschungsstation einen E.coli erzeugt haben sollte, der in 4 sein müsste, so kann das jener Professor ja wohl kaum wissen – und als wäre das noch nicht genug spielt es für die Geschichte überhaupt keine Rolle was da für eine biologische Sicherheit ist. Zweitens: Um auf das japanische Schiff zu gelange wird eine künstlich erzeugte Krankheit genutzt, welche im Krankheitsbuch des Kapitäns, so wie dem eines russischen Krankenhauses als javanisches Gelbfieber identifiziert wird, welches durch Kontakt mit Wasser (oder infiziertem Material) übertragen wird. Dumm nur, dass jegliche Gelbfieberstränge durch Mücken übertragen werden und nicht durch Wasser… Drittens: Der Leiter der Station vor dem jetzigen hat Experimente mit Affen gemacht um diese intelligenter zu züchten. Jetzt ist es aber nun mal so, dass Bonobos (die bislang intelligentesten Menschenaffen und wohl jene, welche verwendet wurden) eine Generationenfolge von etwa 15 Jahren haben. Man also eine verdammt lange Zeit benötigt um immer wieder die intelligentesten miteinander zu verpaaren. Ein Menschenleben reicht da bei weitem nicht aus.
Über die eigentliche Forschung in der Station sollte man hingegen lieber gar nicht reden. Das Ganze ist arg an den Haaren herbeigezogen und könnte, wie oben erwähnt auch durch eine beliebige andere Sache ersetzt werden, da die Geschichte damit letztlich nichts zu tun hat und der Autor bloß einen Grund brauchte warum ein indianischer Biologe/Antropologe mit Sprachkenntnis jenseits von Gut und Böse *hust* Gary Stu *hust* in diese Foschungsstation und wieder heraus muss. Und selbst da hakt es am Anfang ziemlich, denn alleine das das CIA sich für eine Nachricht auf einem Zigarettenapier interessiert und sie dann jede Menge Agenten beauftragt irgendwelche Schiffsbesatzungen zu befragen ist schon haarsträubend – als hätten die nichts besseres zu tun (hätte ja auch ein totaler Fake sein können und dann wären Regierungsgelder zum Fenster hinausgeworfen worden). Wenn die Handlung dann aber beim Raben angekommen ist und es wirklich um die Tätigkeit geht, ist der Roman sehr angenehm zu lesen und man kann einige interessante Ideen daraus nehmen.
Fazit:
Wer sich biologisch (bzw vermutlich auch antropologisch und physikalisch) nicht auskennt, oder über solche Dinge hinweglesen kann, bekommt eine durchaus spannende Geschichte über das Eindringen in eine sibirische Forschungsstation.
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