Der Antiheld im Rollenspiel
Der Karneval der Rollenspielblogs
Bedenkt man die literarischen Inspirationen für Dungeons & Dragons erscheint es eigentlich nicht weiter verwunderlich das der Charaktertyp des Antihelden von Anfang an einen Platz als normaler Spielercharakter fand. Wir verstehen den Antihelden als einen Charakter, welcher zwar ein Protagonist ist, aber nicht unbedingt altruistisch – eher im Gegenteil, er ist oft auf sich selbst fixiert, und tut was er tut nur, wenn es zu seinem Vorteil ist, entweder finanziell oder weil er sich etwas davon verspricht. Na, klingt das nach einem Charakter den ihr schon mal gespielt habt? Während ein Held im klassischen Sinne loszieht und tut was getan werden muss, eben weil es getan werden muss, ist die erste Reaktion des Antihelden oft ein lakonisches „Warum sollte ich?“ oder ein „Was springt denn für mich dabei raus?“. Vor allem diejenigen unter uns welche hauptsächlich die Straßen düsterer Zukünfte bespielen kennen solche Charaktere zur Genüge – schließlich sind ihre Spielwelten gefüllt mit Leuten, welche die eigene Großmutter verkaufen würden, falls Omi sie nicht vorher selbst erledigt. Aber macht alleine die Käuflichkeit des Protagonisten einen Antihelden aus? Nein. Die Protagonisten aus The magnificent Seven werden ja schließlich auch angeheuert, aber als Antihelden würde man diese sicherlich nicht beschreiben, oder?
Eine (zugegebenermaßen sehr einfache) Definitionsmöglichkeit wäre: „Der Held ist dank seiner Stärken erfolgreich, der Antiheld trotz seiner Schwächen“, aber auch dieser Versuch wird dem Ganzen nicht unbedingt gerecht. Vielleicht ist es das Unsympathische, welches den Antihelden ausmacht – Roland, der Revolverheld aus dem Dunklen Turm ist ein Held, ein Charakter mit Prinzipien, welcher stets versucht das Richtige zu tun, während Elric von Melniboné eher ein Antiheld ist, unmenschlich, rücksichtslos, egoistisch, und wenn er tatsächlich das Richtige tut, dann nur weil es seinen Zielen und Plänen entgegenkommt – zumindest zu Beginn seiner Geschichte. Man mag den Antihelden respektieren, vielleicht sogar sympathisch finden – aber wirklich mögen eher weniger, und darin liegt für viele denke ich der Reiz.
In gewisser Weise ist das Spielen eines Antihelden ja eine angenehme Realitätsflucht. Man – bzw. der Charakter – ist sein eigener Herr, niemand kann einem dazu zwingen etwas zu tun das man nicht möchte, und man ist sowieso der obercoole Poser vor dem Herren, weil man ist ja so ein einsamer Wolf-Typ, der mit Ledermantel und Katanas rumläuft, und auch Nachts noch die Sonnenbrille trägt. Ach nein, Moment, das ist nicht der Antiheld, der ist der Supervampir, Thema für einen anderen Rant. Der Antiheld kann ein sehr spannender Charaktertyp sein, aber so wie oft gespielt wird ist er selten gruppentauglich. Die meisten literarischen Vorbilder – und da schließe ich Film und Fernsehen mit ein – sind nun mal die klassischen Rebellen und Einzelgänger, welche zwar spannende Protagonisten abgeben, aber eher selten gruppentauglich sind. Und da Rollenspiele nun mal Gruppenaktivitäten sind ist da der Ärger quasi vorprogrammiert. Der Himmel möge verhindern das man es – wie es bei Spielen wie Shadowrun leider zu häufig passiert – mit einer ganzen Gruppe von einsamen Wölfen zu tun hat, da kann man als Spielleiter jegliche Vorstellung eines Abenteuers oft vergessen, da es bereits eine Meisterleistung darstellen würde, alle Charaktere an einen Tisch zu bekommen.
Stellt der Antiheld eine Bereicherung des Rollenspiels da? Das kommt auf die Gruppe an, und auf das gewählte Spiel – ein amoralischer Söldner passt wohl besser zu Shadowrun als zu DSA, genau wie der strahlende Held besser nach Aventurien gehört als nach Seattle. Auch fühlt sich wahrscheinlich nicht jede Gruppe damit wohl, einen Charakter dabei zu haben der keinen Finger krumm macht, wenn nichts für ihn dabei raus springt. Aber in der richtigen Runde kann ein Antiheld – vor allem einer mit einem eigenen Kodex, egal wie verdreht dieser ist – durchaus Spaß machen, und das ist wie bei jeder Charakterwahl das Entscheidende.
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