Bolt Action
Eine Tabletop-Rezension von Infernal Teddy
Mit Bolt Action liegt uns heute etwas ungewöhnliches vor – es handelt sich nicht nur um ein historisches Tabletop in deutscher Sprache, sondern sogar um eines, welches den Zweiten Weltkrieg behandelt, ein Thema mit dem hierzulande immer noch sehr vorsichtig umgegangen wird. Ich habe mir lange überlegt, wie ich denn diese Rezension beginnen sollte, bzw. wie ich mit dem Thema “Zweiter Weltkrieg” umgehen sollte, und habe folgendes beschlossen: wir reden hier von einem Spiel. Es ist zwar ein Spiel, welches in einer Zeit angesiedelt ist, die zu den unschönsten der Menschheitsgeschichte gehört, aber es ist ein Spiel. Die Schlachten, die wir mit diesen Spiel nachspielen können haben mit der Realität ähnlich viel gemeinsam wie es unsere Raumschlachten und Elfenheere haben. Nachdem wir dieses Thema also hinter uns gebracht haben – was ist Bolt Action?
Bolt Action ist ein Tabletop, ein Miniaturenspiel für Figuren im 28mm-Maßstab, welches vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkrieges spielt. Dabei beschreibt es nicht die großen Gefechte, welche man im Geschichtsunterricht vielleicht behandelt, oder die von Spielen im kleineren Maßstab dargestellt werden, wie Flames of War, sondern eher Kämpfe zwischen kleineren Einheiten – ein guter Vergleich wäre die HBO-Serie Band of Brothers. Gelingt es dem Spiel, diese Gefecht überzeugend darzustellen? Um das herauszufinden sind wir heute hier.
Bolt Action präsentiert sich als schickes kleines Hardcover-Regelwerk mit 216 Seiten, im D4-Format (Wenn ich mich nicht täusche). Das Buch ist komplett in Farbe gehalten, und die Bilder, welche nicht Fotos von Miniaturen und Gelände sind, sind Illustrationen, welche vom berühmten Osprey-Verlag zur Verfügung gestellt wurden, welcher dieses Spiel zusammen mit der britischen Firma Warlord Games geschaffen haben. Gedruckt wurde das Buch auf stabilem Hochglanzpapier, das Layout ist locker und gut lesbar, mit angenehmer Schriftart und Schriftbild. Es gibt kaum eine Seite, auf der es kein Bild oder kein Diagramm gibt, welche den Text auflockern. Uns wurde die deutsche Übersetzung freundlicherweise von Warehouse Games zur Verfügung gestellt, welche das Buch auch übersetzten und jetzt auf deutsch veröffentlichen.
Bolt Action unterteilt sich in achtzehn Kapitel, zwei Anhänge, eine Einleitung und eine Regelzusammenfassung. Auffällig ist das Fehlen eines Index, aber durch die Gliederung der Kapitel und Unterkapitel ist das dem Rezensenten noch nicht negativ aufgestoßen. In der Einleitung geht der Autor des Spiels kurz darauf ein das es sich hier um ein Spiel handelt, weswegen man darauf geachtet hat, alle enthaltenen Parteien möglichst ausgewogen zu gestalten – Spielspaß stünde hier höher als historische Korrektheit. Nach der Einleitung geht es auch schon mit dem ersten Kapitel los, in der erklärt wird, was man zum Spielen benötigt. An dieser Stelle möchte der Rezensent einwerfen das man hier auch schon erkennen kann, warum ein Index nicht so sehr vermisst hat: jeder Themenkomplex ist ein eigenes Kapitel. Bewegung ist ein Kapitel, das Befehlssystem ist ein Kapitel, Beschuss ist ein Kapitel, und eben auch die Grundausrüstung. Was braucht man also, um Bolt Action spielen zu können, außer dem vorliegenden Buch und genügend Miniaturen? Einen Stapel w6, Maßband, einige verschiedene Marker, und einen Beutel mit Tokens die man aus einem Beutel ziehen kann. Jeder Spieler sollte so viele Tokens haben, wie er Einheiten aufstellt. Einfache Glassteine tun hier ihre Wirkung, empfohlen werden allerdings die Befehlswürfel, die der Hersteller auch selbst anbietet, da man diese Würfel nutzen kann um anzuzeigen welchen Befehl eine Einheit in der jeweiligen Runde erhalten hat. Als nächstes werden einige Grundregeln des Spiels erklärt, wie Sichtlinien und das Messen von Entfernungen. Ebenfalls kurz angerissen werden die Arten von Einheiten die das Spiel kennt, und wie Formationen einzuhalten sind.
Eine Runde bei Bolt Action besteht angenehmerweise aus nur zwei Phasen, der Befehlsphase und der Endphase. In der Befehlsphase wird blind ein Würfel (Oder Token) aus dem Beutel gezogen, und der Spieler, dessen Farbe gezogen wird, aktiviert eine einzelne Einheit und führt mit ihr eine Aktion aus. Danach wird der Token (oder der Würfel) neben der Einheit gelegt um anzuzeigen das sie schon zum Einsatz kam, und der nächste Würfel (oder Token) wird gezogen. Ist der Beutel leer, sprich, alle Einheiten wurden aktiviert, geht es über zur Endphase. Für jede Einheit die ausgelöscht wurde wird ein Token (oder Würfel) aus dem Vorrat entfernt. Danach komme die übrig bleibenden zurück in den Beutel, und es geht weiter mit der nächsten Runde. Diese Methode, die Initiative abzuhandeln, spiegelt wunderbar die chaotische Natur einer Schlacht wieder, und verhindert das langweilige Rumsitzen, welches man von der üblichen “IGYG” (I Go, You Go) Routine von Spielen wie Warhammer kennt.
Kommen wir also zu den Befehlen – davon gibt es sechs verschiedene, die eine Einheit ausführen kann: Feuer, Vorrücken, Rennen, Hinterhalt, Sammeln und Kopf Einziehen. Wird der Befehl Feuer gegeben bewegt sich die Einheit nicht, sondern eröffnet direkt das Feuer auf eine feindliche Einheit. Jede Figur der Einheit, die eine klare Sichtlinie auf die feindliche Einheit hat würfelt einen w6, und jedes Ergebnis von 3+ ist dabei ein Treffer, wobei es da verschiedene Modifikationen gibt, je nach Umstanden. Jeder Treffer löst dabei einen Schadenswurf aus, und abhängig davon, auf was für eine Einheit geschossen wurde fällt da der Mindestwurf aus um zu verwunden – Infanterie die noch grün hinter den Ohren ist, ist leichter zu verwunden als alte Veteranen oder ein Panzer. verliert die Einheit die Hälfte oder mehr ihrer Modelle muss ein Moraltest durchgeführt werden, und wenn da der Erfolg ausbleibt wird die Einheit vom Tisch genommen. Das sind zumindest die Grundregeln für das Schießen, da kommen natürlich noch zusätzliche Modifikationen dazu, Sonderregeln durch Waffen, und so weiter.
Vorrücken ist eine Bewegung auf den Feind zu, bei der die vorrückende Einheit auf den Feind schießen kann, aber dafür Abzüge auf ihre Proben bekommt – wobei manche Waffen beim Vorrücken überhaupt nicht abgefeuert werden können.
Wer den Feind allerdings Mann gegen Mann gegenüberstehen möchte benötigt den Befehl Rennen. Eine rennende Einheit kann sich mit ihrer doppelten Bewegung auf den Feind zubewegen, darf aber dafür nicht auf den Feind feuern. Sagt der aktive Spieler dabei noch einen Angriff an geht es in den Nahkampf. Wir ein Nahkampf angesagt darf die angegriffene Einheit sich für eine Reaktion entscheiden, sprich: auf die Angreifer schießen, bevor es zum Kampf kommt. In der ersten Runde führt zuerst der Angreifer seine Angriffe durch, gefolgt von möglicherweise stehenden Verteidigern. Sollten danach noch Kämpfer stehen prügeln sich beide Seiten simultan weiter, bis einer der beiden Seiten aufgerieben wird.
Einheiten welche den Befehl Hinterhalt erhalten dürfen sich weder bewegen noch schießen, sonder halten ihre Stellung bis sie die Gelegenheit erhalten, einen unvorsichtig vorbeiziehenden Fein nieder zuschießen.
Durch feindlichen Beschuss bekommen Einheiten eine oder mehrere Beschußmarker, welche sich kumulativ durch Abzüge auf den Moral und der Feuerkraft der Einheit bemerkbar machen. Um solche Marker los zu werden kann der Befehl Sammeln eingesetzt werden – dadurch werden 1w6+1 Beschußmarker entfernt. Da Einheiten mit Beschußmarker Moraltests bestehen müssen um Befehlen nachzukommen empfehlt sich dieser Befehl – für den kein Test nötig ist.
Der letzte Befehl, Kopf Einziehen, wird am besten Einheiten gegeben die in Deckung und unter schwerem Beschuss sind – die Soldaten pressen sich dann an ihre Deckung, und sind dadurch schwerer zu treffen. Dieser Befehl geht auch automatisch an Einheiten, welche Beschußmarker erhalten haben und ihren Moraltest nicht bestehen.
Nach den Grundregeln die wir gerade vorgestellt haben geht es dann an das ergänzende Material. Als erstes kommen die Stabsabteilungen. Hier fasst Bolt Action Einzelfiguren zusammen, welche durch ihre Aufgaben besondere Effekte erzeugen. Hier gibt es neben dem Offizier, der die Truppen durch seine bessere Moral unterstützt, den Sanitäter verhindern kann das Modelle ausgeschaltet werden, oder den vorgeschobenen Artilleriebeobachter, der den Tod von oben herabregnen lassen kann. Es gibt eine kurze Liste an Sonderfertigkeiten, die manche Einheiten im Profil haben, wie “Scharfschützen”, “Panzerjäger” oder “Grün”. Abgerundet werden die Regeln noch durch Artillerie, Fahrzeuge und Gebäude – gerade die Fahrzeuge können gewaltige Auswirkungen auf ein Gefecht haben, ohne gleich das Spiel zu dominieren, fallen aber auch nicht zu schwach aus. Das Kapitel “Bolt Action spielen” enthält dann sechs Szenarien zum spielen, welche jedem bekannt vorkommen sollten, der länger Tabletops spielt. Danach folgen die vier Armeenlisten die in diesem Buch enthalten sind, die Amerikaner, die Briten, die Deutschen und die Russen. Es gibt hier natürlich auch eine Liste von Vorgaben, wie viele Einheiten welcher Art man mitnehmen kann. Die Listen sind Umfangreich, und bieten dem Spieler genügend Optionen – wer allerdings mehr ins Detail gehen möchte, dem seien die ebenfalls erschienenen Armeenbücher empfohlen. Natürlich hat jede Armee auch ein oder zwei Sonderregeln, um ihr einen eigenen Flair zu geben, so haben die Deutschen bessere Moral und bessere Maschinengewehre, während die Briten mehr einleitende Bombardements durchführen dürfen, und kostenlose Artilleriebeobachter erhalten.
Das eigentliche Buch endet mit einer Chronologie des Zweiten Weltkrieges, wobei hier fast ausschließlich auf die Gefechte und Kampagnen des Krieges eingegangen wird, und die politischen und anderen Aspekte außen vor gelassen werden – in meinen Augen in Anbetracht des Themas sicherlich die richtige Wahl. Danach folgen zwei Anhänge. Das erste ist ein Aufsatz des Autors, welches das zum teil merkwürdige Verhältnis vieler Tabletopspieler zur Geschichte beschreibt, während der zweite Anhang eine Zusammenfassung der Spielregeln präsentiert.
Fazit:
Beim Lesen von Bolt Action habe ich mir immer wieder zwei Fragen gestellt: Kann ich hiermit die Gefechte aus Band of Brothers nachspielen? Und warum fühlt es sich irgendwie nach Warhammer 40K an? Die Frage, warum sich Bolt Acion nach Warhammer 40K anfühlt ist schnell beantwortet – mit Alessio Cavatore und Rick Priestley waren hier zwei erfahrene Spieldesigner am Werk, deren Arbeit jahrelang die beiden großen Spiele von Games Workshop beeinflusst haben, und das merkt man dem Spiel auch an. Das ist dabei in keinster Weise negativ gemeint, man merkt nur die Vorlieben der Designer bei der Entwicklung dieses Werkes. Man könnte sogar sagen das Bolt Action sich anfühlt als hätte man Warhammer 40K komplett neu erschaffen, und hätte dabei normale Menschen als Grundlage genommen, statt den Marines.
Und wie sieht es mit der zweiten Frage aus? Da kann ich ganz klar sagen: Ja, man kann Band of Brothers problemlos nachspielen. Von der gewählten Spielgröße ausgehend bewegen wir uns hier eindeutig auf dem Niveau auf dem die meisten Gefechte in der Serie dargestellt werden. Und dadurch das die Regeln so entworfen wurden, das es hier nicht um eine historische Korrektheit geht, sondern um ein Spiel, bei dem alle Beteiligten gleiche, faire Chancen erhalten sollen, stellt sich das geschehen auch ähnlich nervenaufreibend da, wie man es aus der einzigen HBO-Serie kennt, in der ich keine unnötigen Nacktaufnahmen gesehen habe.
Kann man also Bolt Action empfehlen? Wer keine historisch korrekte Simulation sucht, wer ein schnelles Spiel sucht mit dem man moderne Gefechte brauchbar darstellen kann (Und ich bin mir sicher das man Bolt Action auch problemlos auf die Gegenwart übertragen könnte), und wer nicht sofort in ein moralisches Dilemma stürzt, weil man während des Zweiten Weltkrieges spielt, dem sei dieses Spiel wärmstens empfohlen, entweder mit dem Regelbuch alleine, welches wir hier besprochen haben, oder in Form des zwei-Spieler-Sets D-Day Firefight, in dem sich alles befindet (Inklusive dieses Regelwerks) was man braucht, um direkt loszulegen.
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