Ausnahmezustand
Totes Land 1
Wer kennt das nicht? Gerade war man noch auf einem Endzeit-LARP und im nächsten Moment steht schon die ganz reale Zombieapokalypse vor der Tür. Genau so ergeht es Markus und einigen seiner Freunde im Auftakt zur Endzeittrilogie Totes Land von M. H. Steinmetz. Ausnahmezustand setzt mit eben diesem Twist in eine spannende Zombiehorrorerzählung ein. Langsam – zugegeben, wir Leser ahnen es ab Seite 1 – eröffnet sich das Grauen einer Zombieapokalypse die bis auf das Rollenspielhobby ganz normale Menschen überrascht, welche sich in der neuen, schutzlosen Welt orientieren und behaupten müssen.
Zombies vor der Haustür
Im Zuge der Zombiewelle ab etwa 2001 ist dieser Plot nichts allzu besonderes. Und tatsächlich bekommen wir als Leser das was man von einer Zombieapokalypse erwartet. Survivalhorror, etwas Splatter und einen Einblick in die im Verfall befindliche Endstufe der Zivilisation. Hier ist Steinmetz recht gnadenlos. Mit teils brachialer Sprache beschreibt er den mit dem Zerfall einhergehenden Ekel und die verfallenden und dennoch wandelnden Toten. Mit großer Regelmäßigkeit erwischt dieser Ekel auch die Charaktere, die sich übergeben oder vor Angst einnässen. Explizite Kampfszenen und teils detaillierte Ekelsbeschreibungen sind in der Form bei Klassikern wie den Walking Dead nicht üblich.
Was Steinmetz äußerlich durchaus gut gelingt, fällt jedoch auf der psychologischen Ebene etwas knapp aus. Dem detaillierten Blick auf den Zerfall der Zivilisation, die körperlichen Folgen des Todes und die teils heftigen Einzelschicksale der Zombies nehmen die Charaktere zwar mit Entsetzen wahr, mehr als Übelkeit und kurze nervliche Zusammenbrüche hat das aber nicht zur Folge. Hier versucht der Roman zwar seinen düsteren Realismus unterzubringen, so ganz nehme ich den Charakteren ihre Ängste und Sorgen jedoch nicht ab. Ungewöhnlich ist auch der sehr offene aber ebenfalls sehr rohe Umgang mit Sexualität. Sex und sexuelle Gewalt machen zwar nur einen kleinen Teil aus, der ist dafür sehr explizit und simpel gehalten.
Außergewöhnlicher als Ekel und etwas Sex sind sicher das Setting und die Charaktere. Der Einstiegstwist ist zwar bloß ein netter Türöffner, die Nähe zur eigenen Erlebniswelt bleibt aber durch das ganze Buch präsent. Dabei ist vor allen Dingen die Ortswahl entscheidend. Nicht nur sind die Charaktere Menschen wie du und ich, die sogar ein gemeinsames Hobby teilen, auch leben sie eben in der BRD und nicht in Georgia oder Texas. Dadurch fällt zwar so manches liebgewonnene Zombieklischee weg, die lokale Verortung unterstützt aber die Immersion, zumal sich Steinmetz viel Mühe dabei gibt, die Welt ‚realistisch‘ abzubilden. Zwar werden bekannte Orte nur selten direkt besucht – es findet also kein Sightseeing statt –, dadurch, dass die Charaktere das bekannte Autobahnnetz nutzen und bekannte Städte als Ziel haben, wird der Zerfall aber vor die eigene Haustür gebracht. Überhaupt zeichnen sich die Beschreibungen durch einen hohen Grad an Detailverliebtheit aus. Insbesondere wenn es um Kämpfe geht, nutzt Steinmetz seine mutmaßliche Rollenspielerfahrung und gibt gut nachvollziehbare und actionreiche Beschreibungen. Besonders wenn das Militär – also konkret die Bundeswehr – auf den Plan kommt, blüht Steinmetz auf. Dienstgrade, Panzertypen, Waffenanwendungen etc. werden detailliert beschrieben. Hauptcharakter Markus, der offensichtlich an dem Autor selber angelegt ist, ist immer in der Lage uns die militärischen Details zu vermitteln, die er alle bei seinem Wehrdienst erlernt haben dürfte. Das ortsnahe Setting und die rollenspielaffinen Charaktere schaffen es, Totes Land von der Normalkost abzuheben und vermeidne dabei allzu offensichtlichen Fanservice. Das Markus auch Parallelen zu Filmen und Serien zieht ist sogar plausibel, zumal uns Leserinnen und Leser ähnliche Assoziationen beschleichen dürften. Es ist im Gegenteil verwunderlich, das in manch anderen Zombiewelten keiner vom Wort Zombie gehört haben will…
Unterwegs ins Nirgendwo
Die eigentliche Handlung des Romans soll natürlich nicht vorweggenommen werden. Im Wesentlichen haben wir es mit einem Road Movie zu tun. Markus und andere sind auf der Suche nach Angehörigen, wodurch sie motiviert sind das Land zu durchqueren. Gerade die anfängliche Orientierung in der noch frisch verpesteten Welt ist dabei sehr gelungen. Die (militärischen) Aktionen sind plausibel und so manche Anekdote am Rand vertieft das Gefühl für die Geschehnisse. Stellenweise hat diese Vorgehensweise Ihre Längen, bis sich neue Rätsel in Bezug auf die Zombies – bzw. Leichen- oder Drecksäcke – auftun. Der Plot ist dabei plausibel, die Charakterentwicklung aber nicht immer ganz überzeugend. Wie schon erwähnt, stecken die Charaktere die Geschehnisse etwas leicht weg und manche Charaktere werden etwas unvermittelt eingeführt und abgelöst. Dadurch wirken manche Zwischenstopps etwas beliebig und bis auf die Konstante Markus austauschbar.
Kritisch muss leider auch das Lektorat angemerkt werden. Einem kleineren Verlag wie Mantikore sehe ich gerne ein paar Fehler nach, die Fehlerquote in Ausnahmezustand ist aber doch etwas hoch und auch kleinere stilistische Makel hätten auf diesem Wege vermieden werden können.
Fazit
Auch wenn Totes Land Verlagsseitig als ‚geniale Endzeit-Trilogie‘ angekündigt wird, scheint mir das zumindest am ersten Band etwas vorbeizugehen. Vielmehr handelt es sich bei Ausnahmezustand um eine solide Zombieerzählung die bekannte Narrative nach Deutschland verlegt und eine interessante Charakterwahl hat. Sicher, auch die Seuche weist ihre Unterschiede zum üblichen Zombiemythos auf, wirklich genial ist aber auch dieser Dreh nicht, wenn er auch im späteren Verlauf des Buches für einige Spannung sorgt. Ausnahmezustand ist ein gelungener und unterhaltsamer Zombieroman der weitgehend zu überzeugen weiß. Wer sich für die Zombiapokalpyse vor der Haustür erwärmen kann und etwas Ekel abkann, darf unbesorgt zugreifen.
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