Dungeonslayers: Caera Kampagnenbox
Eine Zusatzbox Rezension
Dungeonslayers war bislang der altmodische Spielstil des in den Dungeon wandern, Monster abschlachten und deren schätze unter den Gruppenmitgliedern zu verteilen. Und kaum hatte man den einen Dungeon verlassen stand man schon vor dem Eingang zum nächsten Dungeon, während in den vier-fünf Metern Abstand dazwischen eine Tarverne, ein Auftraggeber und ein Ausrüstungsladen gequetscht wurden, die sich gegenseitig auf den Füßen standen. Galt das für das ganze Dungeonslayerland? Natürlich nicht: Ein paar wenige, kaum beachtete Seiten des Grundregelwerks deuteten tatsächlich so etwas wie ein Setting an, über das die ausführlich entwickelte Höhlenlandschaft sich verteilte. ;)
Mit der Caera Kampagnenbox aus dem Hause Uhrwerk Verlag liefert Christian Kennig jetzt für seine kleine Eigenentwicklung zur Unterstützung des Old School-Spielstils eine ausführliche Ausarbeitung des bisher nur grob Umrissenen Konzeptes des Settings „Caera“ ab.
Das heißt, dass sich hier auf einer ganzen Menge Seiten wesentlich mehr Informationen tummeln und man auf diese Weise ganze Kulturen in ihren Grundzügen um die Ohren gehauen bekommt, die im Grundregelwerk aufgrund von gerade mal sieben Seiten Umfang gänzlich ignoriert werden mussten.
Im Detail heißt das, das man eine kleine Box! (wer meine Meinung über Boxen kennt weiß warum ich gerade ein Ausrufezeichen setzen musste, doch dazu später mehr) gefüllt mit einer Beidseitig bedruckten, etwa DINA2 großen Karte, 61 Seiten umfassenden Setting-Regelband (Regeln von Caera) und einem Fluffband zu dem Setting (Almanach von Caera) der 150 Seiten umfasst. Die beiden Bändchen sind passend in einem etwa DINA6 großem Format gehalten, dass von der Box ohne Spiel umschlungen wird. (Ich will nicht sagen, dass alles Passgenau aufeinander abgestimmt ist, weil ich für dieses Urteil deutlich präzisere Instrumente bräuchte, als die mir zur Verfügung stehenden. Aber nach Augenmaß kommt es definitiv sehr nahe dran.)
Da das Cover von Box und Büchern eine Einheit bildet (sprich: das Cover der Box ist ebenfalls auf den beiden Bänden enthalten) will ich dazu nicht so viel sagen. Es ist eine typische Party aus Zwerg, Mensch und Elf, die sich scheinbar an der Oberfläche befinden und gerade in den Ruinen eines verfallenen Bauwerkes die Überreste eine Statue zu überwinden suchen um was auch immer zu finden oder anzugreifen. (Man muss hinzufügen, dass das Bild auf der matten Pappe der Box besser wirkt, als auf dem hochgläzenden Papier der Bucheinbände, zumal bei Zweiterem noch eine leichte Pixeligkeit des Bildes ins Auge springt.)
Innerhalb der Bücher wechselt sich übrigens der Stil der Illustrationen auf drastische Weise, weil hier der Dungeonslayer „Keller-Zeichner“ Thomas „Brotkop“ Krapp – wie auch schon im Regelwerk – sich verantwortlich zeichnet.
Da Geschmack bekanntlich subjektiv ist, muss hier allerdings Jeder für sich selbst ein eigenes Urteil bilden, welchen Stil er oder sie jeweils lieber mag. (Und anschließend darf man sich dann zugunsten des einen oder anderen Illustratoren jeweils die Köpfe einschlagen. Immerhin ist Geschmack zum streiten da.)
Die Karte ist normaler Standard mich Hexfelderaufteilung. Gut gemacht, um einen Überblick von Oben zu erlangen, was Caera betrifft.
Zu den interessanten Inhalten dann also: den beiden Büchern.
Die „Regeln von Caera“ sind genau das, was der Umschlag beschreibt. Regeln. Um genau zu sein werden hier eine Ganze Menge neuer Zusatzregeln, die speziell für dieses Setting ausbaldovert worden sind beigefügt. Die bislang bestehenden Rassen von Dungeonslayers (Elfen, Zwerge und Menschen) wurden Aufgebohrt (was allerdings ausschließlich die Elfen betrifft) und um zwei neue, bislang nicht im DS vorgesehen Spielerrassen erweitert. (Gemeint ist hier, dass Spieler jetzt auch Gnome und Halblinge spielen können.)
Zusätzlich wurden außerdem Regeln für gealterte Startcharaktere (die sich auf Attribute und andere Eigenschaften auswirken) und einige Verknappungen bestimmter Klassen hinzugefügt. (Das führt dazu, dass Helden besondere Fähigkeiten vorweisen müssen, oder ihre Klasse auch den Heimatboden ihrer Wiege bestimmt.) Das sind soweit jeweils Standards, wie man sie aus einigen anderen Fantasy Systemen auch schon gewohnt ist.
Interessant hierbei ist eher ein anderer Punkt, der in den Regeln von beliebiger optionaler Tiefe gespielt werden kann: das Kapitel „Der ewige Zwist“ beschreibt den Umstand, dass die Götter Caeras zwar nicht mehr unbedingt auf dem Erdboden des Settings wandeln, allerdings trotzdem Auswirkungen auf das Leben ihrer jeweiligen Gläubigen haben.
Dieser Umstand sieht folgendermaßen aus: Caera sieht zwei große Hauptgottheiten (Helia als „Herrin des Lichts“ und Baarn als „Herrn der Dunkelheit“) vor, die das Pantheon Caeras in zwei verfeindete Lager spalten. Auf diese Weise entsteht ein Krieg, der sich auf die Ebene der Sterblichen herunterzieht und dazu fürt, dass Anhänger der jeweiligen Lager durch ihre Taten Punkte für die jeweils eigene Fraktion sammeln können und diese im Kampf zusätzlich gegeneinander Einsetzen können, was zusätzliche, besondere Effekte zur Folge hat.
Diese Regeln sind sehr Knapp gehalten, setzen aber zusätzliche Buchhaltung auf der Metaebene voraus, um auf diesem Weg gesondertes Drama zu ermöglichen.
Abgeschlossen wird der Band noch mit neuen Ausrüstungslisten, Regeln für den Kräuterkundigen und einem eigenen Kalender zu Caera.
Das Kapitel Monster und NSC enthält genau das: Werte für einige Random-NSC, die einem überall theoretisch Begegnen könnten, sowie die Monster „Bundrakbär“, „Hirs“, „Moorstelzen“, „Reitstrauß“, Werwolf und Vampir. In diesem Zusammenhang bricht Caera übrigens auch mit der Old School-Attitüde, dass Lykaner und Blutsauger reine NSC-Völker sind. DS liefert ganz explizite Regeln, was passiert, wenn man von einem Werwauzi gekratzt oder einen Fangzahn annuckelt.
Wer den zeitgenössischen „Standard“ aktuellerer Systeme genießen will auch mal das Monster zu sein, bekommt jetzt auch als bekennender OldSchooler (wenn auch nicht Retro-Clon-Spieler) hier seine entsprechende Chance. (Es ist nicht automatisch gegeben, sondern setzt einen entsprechend versemmelten Wurf voraus, wodurch diese beiden Zustände in DS als Krankheiten begriffen werden.)
Abgeschlossen wird dieser Band noch um einige Begegnungstabellen, die sich nach Jahreszeit, Aufenthaltsort und Mondphase richten. Sehr einfach gehalten, aber fürs schnelle improvisieren gut zu nutzen.
Der „Almanach von Caera“ führt einen Ausführlich in die Geschichte des offiziellen DS-Settings ein. Von dem Entstehungsmythos, über die Herkunft der einzelnen Völker und den Zwisten zwischen diesen. Sowie diversen Absonderlichkeiten wie Untote Mumien, unterschiedliche Götterpantheone und kulturelle Abspaltungen der jeweiligen Völker, welche zu den jeweiligen, bekannten Unterkategorien der bekannten Fantasyrassen führten ist hier alles vertreten. Auch wenn dabei nicht unbedingt all zu viel neues zu erwarten ist. (Man kriegt halt eben die bekannten Gruppen an z.B. Hoch-, Wald- und bösen Elfen präsentiert, was schon von ganz allein für die entsprechenden Vorstellungen an Zwistigkeiten sorgt.)
Wichtig ist, dass jede Fatasy Rasse sich über Caera in die unterschiedlichsten Regionen verirrt hat und dabei kulturelle Abspaltungen vom jeweiligen Hauptzweig durchlebt hat. Die Menschen sind dabei die man weitesten vertretene Gruppierung, welche wirklich jede Hautfarbe aufweisen kann, die man so kennt. Dabei ist das besondere, dass es sich bei den Menschen um eine ehemalige Sklavenrasse längst untergegangener Elfen- und Zwergenkulturen handelt, welche als Bauernopfer für ihre Herren auf dem Schlachtfeld bluten durften, bis sie den Spieß irgendwann umdrehten und ihre ehemaligen Herren zuerst besiegten, danach im Bündnis lebten und anschließend wieder angriffen. Der Status-Quo in Caera ist dabei, dass sich alle Rassen mehr oder weniger Skeptisch gegenüber stehen. Teilweise regional begrenzte Bündnisse Herrschen und auch offene Feindschaften durchaus ausgelebt werden.
Abgerundet wird das ganze dabei von durch jeweilige regionale Beschreibungen, welche einen guten, wenn auch pointierten Übersicht über die jeweilige Geschichte der dort lebenden Bevölkerung liefern, ihre Beziehungen zu eventuellen Nachbarn und ihr leben mit der entsprechenden Umwelt.
Den Rest dabei bildet dann noch ein Überblick über alles mögliche, was einen noch so interessieren könnte: Namen von Sprachen und ihre jeweilige Verbreitung, Finanzwesen, besondere Artefakte und ihre jeweilige Wirkung, Wetter und die Einstellung zum Wunderheilen.
Man fühlt sich zwar von all diesen Informationen nicht Erschlagen, wie es bei größeren Hardcovern gleichen Hintergrundes ist, glaubt aber auch nicht mehr wirklich daran, dass man auf irgendeine Settingspezifische Frage, die auftauchen könnte, keine Antwort in diesem Büchlein – so Knapp die Antwort auch umrissen sein mag – zu finden.
Fazit
Zuallererst einmal: Ich hasse Boxen. Da meine Rollenspielsozialisierung Ende der 90er stattfand habe ich die damals schon sehr verbreitete Buchkultur in unserer Szene schätzen gelernt. Das ich also das Konzept der Caera-Box positiv beurteile soll schon etwas heißen: Andere Boxen der klassischen Einstellung sind Platzräuber sondergleichen im Regal, ohne das es dafür einen wirklich vertretbaren Grund gibt. Schlicht und ergreifend, weil in den entsprechenden Boxen der Inhalt so viel Spielraum hat, dass man sich ernsthaft fragt, was diese Platzverschwendung soll, wo es doch die alternative „keine Box“ gibt. Caera macht mit genau diesem Punkt Schluss: die beiden Büchlein haben kein Spiel in ihrem kleinen Pappkarton, sondern beides ist genauest passend aufeinander abgestimmt. So kann man damit leben.
Ansonsten erfüllt die Settingbox alle Anforderungen, die normalerweise an eine solche Publikation gestellt werden. (Das schöne hierbei ist, dass dabei die entsprechenden Regeln soweit modularisiert sind, dass sie, wenn man auf sie zurückgreift, mehr oder weniger heftig ins Gewicht fallen können. Alles entsprechend von Herstellerseite aus bereits mit bedacht.
Irritieren hingegen ist die Auswahl an neuen Spielerrassen: Ich bin verständlicherweise mit der vollständigen Historie von Dungeonslayer nicht vertraut. Sicher, dass es sich hierbei um ein Projekt in Heimarbeit handelte, war mir bekannt. (Genauso wie das mit Dungeonslayers verbundene Konzept der One-Page-Dungeons, die so ziemlich das erste waren, was mir „unter die Nase gehalten wurde“, als die RPC das erste mal in Köln seine Pforten öffnete.) Die Frage die sich mir beim Lesen von Caera irritierent stellte war aber, warum die „Hobbits“ (was die Halblinge ja letzten Endes dann doch sind) erst mit Caera auftauchen und nicht schon von Anfang an zum DS-Kosmos gehörten? (Wenn man bedenkt, dass sie ja eine von fünf weltbekanntem Rassen sind, die versuchen boshafte Artefakte in aktive Vulkane zu schmeißen.)
Aber das ist wie gesagt nur eine Irritation.
Die Frage, die man sich hier vermutlich eher stellt lautet ja: Braucht man Caera? Und das lautet die Antwort: Kommt drauf an. Der klassische DS-Spieler scheint das System ja tatsächlich nur für den schnellen Spaß zwischendurch bislang genutzt zu haben. Sprich: Wer mit dem One-Page-Dungeon allein für einen Oneshot hervorragend auskam, wir hier nicht viel für ihn zufriedenstellendes finden.
Ab dem Zeitpunkt, wo man die Abenteuer aber nicht mehr einfach so als One Shot zwischendurch durchführt und eine größere Geschichte abseits der Höhlensysteme spinnt beginnt beginnt es für fiele eher bitterlich zu werden, wenn sie zwar eigene Ideen durchaus haben, jedoch nicht den Vollständigen Weltenbau-Horizont gänzlich auskosten wollen. (Ein Dorf mit ein paar Konflikten ist an sich relativ schnell gebaut. Aber was liegt hinter dem Horizont des Dorfes? Ich denke hier wird es für einige Leute in der Regel durchaus aus Bequemlichkeitsgründen schon interessant sein, ein wenig „globalere“ Politik abzubekommen. (Und vor allen Dingen ein paar Gründe in die Hand zu bekommen, warum etwas exotischeres auch mal in der dunklen Kaverne auftauchen mag.) diesen speziellen Zweck erfüllt Caera wirklich gut. Und mit den Regeln für Licht und Dunkelheit als immer währender Konflikt bekommt man sogar noch ein kleines Hilfsmittel in die Hand gedrückt, mit dem man als SL durchaus auch mal ein wenig fies und Sadistisch an die Sache herangehen darf. (Typen mit fiesen Bärtchen, die sich kaum von der Gruppe an sich unterscheiden sind ja schon nicht all zu selten vertreten. Nur erhält man dadurch zwar ein durchaus spannendes Grau in der Moralschiene, das für Low Fantasy einen besonderen Reiz ausmacht, aber wer halt dann doch die eindeutigen, starken Guten aus einem Heldenepos spielen will braucht entsprechende Motivationen, um nicht eine Gruppe von Anti-Helden am Ende zu leiten.)
Was mich dann allerdings mal wieder an mein Box-Problem zurückdenken lässt ist allerdings der Preis, der für die DINA6-Größe des ganzen ein wenig happig wirkt. Was die Dungeonslayer-Fanszene beim Umstieg des Grundregelwerkes vom Büchlein zur Box noch als großen Wurf gefeiert hat, könnte jetzt durchaus ein paar Fragen aufwerfen. Man muss sich dabei der Tatsache bewusst sein, das man in diesem Fall für ein modernes Nostalgieprodukt Geld ausgibt. Wer wirklich an einer Box als Identifikationsmerkmal für ein Spiel hängt muss sich im Falle von Caera also der Tatsache bewusst sein, dass er auf diesem Weg durchaus ein Stück Kindheitserinnerung auf der emotionalen Ebene geboten bekommt. Das kann durchaus ein Grund sein, um über den Preis hinwegzusehen. (Zur Zeit beträgt der Preis der Box 29,95€)
Was man hier bekommt ist ein sehr schön ausgearbeitetes Setting, das es durchaus mit Produkten aus dem gleichen Bereich ohne sich zu schämen aufnehmen kann, solange man „normale“ Fantasy mag. Das ganze wird von Illustrationen begleitet, die keinen realistischen, sondern eher einen comicartigen Charme versprühen und schon allein deswegen eine sehr angenehme Abwechslung für das Auge sind, wenn man keinen zu ernsten, versuchten Hyperrealismus, wie ihr die großen Namen betreiben, mehr sehen kann.
Außerdem hat man als „alter Hase“ eine heißgeliebte Box aus sehr stabilem Karton für ein aktuelles System, anstelle eines Retro-Clones. (Auch wenn das ein Argument ist, das eher für Personen zählt, die wirklich Wert auf ausgegorene Regeln legen. Fans der Retro-Clone-Szene dürften diesem Umstand eher Neutral gegenüber stehen.)
Diejenigen, die in Dungeonslayer eine gute Alternative für längere Kampagnen mit möglichst viel Zusammenhang gefunden haben, dürfte Caera also durchaus eine interessante und nützliche Erweiterung sein, die dabei Hilft der gesamten Geschichte ein wenig mehr Fluff zu verpassen. Für Nostalgiker und Personen, die ihre Charaktere gerne mit blutsaugenden Absichten langfristig in die Welt schicken wollen, wird hier durchaus der eine oder andere gute Aspekt geboten.
Die Personen, die allerdings tatsächlich nur den kurzen One-Shot zwischendurch im Dungeon brauchen, weil sie DS eh nur als Lückenfüller sehen, der zwar Spaß macht, aber nichts langfristiges darstellt, müssen sich hier sehr genau überlegen, ob sie sich die Sache wirklich antun wollen. Boxen-Nostalgie ist zwar schön und gut, aber für ein paar mehr Rassenunterschiede (oder auch die neuen Rassen) bietet Caera dann doch ein bisschen zu wenig, um es feiern zu können.
In dieser Hinsicht stellt die Kampagnenbox also wirklich ein Produkt da, an dem sich die Geister scheiden können, weswegen man sich sehr genaue Gedanken über die eigenen Motivationen machen muss.
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