Sommerlund
Einsamer Wolf Mehrspielerbuch 4
Das vierte Mehrspieler Buch für „Einsamer Wolf“ (EW) behandelt die Region Sommerlund die Schauplatz der meisten EW-Spielbücher ist. Es ist das erste Quellenbuch das für die Einsame Wolf Reihe erschienen ist und steht damit etwas zwischen den Stühlen. Auch wenn es in der Mehrspielerreihe erschienen ist, ist es ein so reines Quellenbuch, dass es nur wenig an das aktive Rollenspielen gekoppelt ist. Im Gegensatz zu den meisten anderen Quellenbüchern finden sich keine neuen Regelvorschläge, Klassen, Monster oder Einkaufslisten und auch wenige und dann nur versteckte Abenteueransätze. Stattdessen ist „Sommerlund“ eher ein lexikalisches Buch das die Region und all ihre Sehenswürdigkeiten, wichtigen Persönlichkeiten und historische Wandel beschreibt. Dabei ist das Buch nicht allzu ausführlich und leider auch nicht sonderlich geordnet, umfasst dafür aber eine wirkliche Menge an interessanten und abwechslungsreichen Orten. Zahllose Gasthäuser der einzelnen Städte, Krämerbuden, Regierungsgebäude und Wehrsysteme werden ebenso beschrieben wie wirtschaftliche Verflechtungen, Rechtssysteme und Denkmäler.
Die einzelnen Abschnitte sind alle recht knapp gehalten, wenn auch durchaus farbenfroh geschrieben. So bleibt es zumeist bei einer groben Beschreibung des Ortes, gegebenenfalls der Nennung und Beschreibung von Besitzern oder Fürsten, so wie im besten Fall ein paar interessanten Fakten. Ausführlich werden die Beschreibungen da, wo es sich um Orte handelt die auch in den Abenteuerspielbüchern besucht wurden. Hier werden die Ereignisse grob nacherzählt und in ein größeres Bild eingefügt. Das ist sowohl für Abenteueraufhänger gut als auch für Fans der Spielbücher, führt aber zu einigen holprigen Stellen. So beispielsweise, wenn die Ortsbeschreibung plötzlich im Futur beschreibt was einem einsamen Wolf geschehen werden wird…
Ansonsten beginnt das Buch gut strukturiert mit einer Einleitung in die Geschichte Sommerlunds. Wie hat die regionale Lage die kriegerischen Ereignisse und die Mentalität der Bewohner – etwas ungeschickt als Sommerlendinge bezeichnet – beeinflusst. Darauf folgen einige Seiten über Kai und Ishir – den Sonnengott und die Mondgöttin sowie einige Seiten über die Geographie – also die drei Flüsse und die Bergketten.
Den Hauptteil machen die vier großen Städte (Homgard, Toran, Tyso, Anskaven) sowie die drei großen Regionen (Südmark, Kirlundin-Inseln, Ruanon). Auf jeweils etwa 20-30 Seiten werden die Städte und Gebiete mit kleinen Orten, Ereignissen, Gebäuden, rechtsformen etc. beschrieben. Eine Karte für die Städte und eine stimmungsvollen Illustration je Region und Stadt hilft dabei sich in die Gebiete einzudenken. Abgeschlossen wir das ganze mit einer – meines Erachtens unbrauchbaren – Tabelle aller 48 Herrscher Sommerlunds.
Inhaltlich ist das Buch also eine umfassende Darstellung der Region. Davon ab ist der Band wie gewohnt ein wirklich nett anzusehendes Buch. Das Cover gefällt mir außerordentlich und das hochqualitative Papier sowie der lockere Schriftsatz machen einiges her. Auch die Hochglanzkarte und die Illustrationen werten das Buch auf. Damit einher geht jedoch leider auch der recht hohe Preis (14,95€) für ein etwa 200 Seitiges Buch. Hinzu kommt, dass das Format das Buch nicht gerade zu einem guten Nachschlagewerk macht. Quellenbücher in üblicher Größe sind deutlich angenehmer und bieten mehr Raum für Infokästen oder andere Spielereien. Besonders das fehlen einer Mehrspaltigkeit fällt auf, da die Abschnitte schnell ineinander verlaufen. Deshalb wäre gerade auch wegen des Formats ein besonders guter Aufbau vonnöten gewesen. Leider gelingt dies dem Band nicht. Auch wenn der grundlegende Aufbau logisch nachvollziehbar ist und die Orte der eingepflegten Karten der vier großen Städte grob in der Reihenfolge der Beschreibungen nummeriert sind, verliert man sich schnell im Text. Die unteren Überschriftenebenen heben sich nicht stark genug ab und der Absatzreiche Stil erschwert die Orientierung noch einmal. Hinzu kommt das Fehlen eines ausführlichen Inhaltsverzeichnisses und eines Glossars. Auch sind die Karten nicht optimal genutzt. Die kleinen Stadtkarten sind zu klein um übersichtlich zu sein und die große Karte ist aus früheren EW-Bänden übernommen und umfasst das ganze nördliche Magnamund. Dadurch fehlen leider Teile der beschriebenen Region (z.B. Ruanon) und Beschriftungen (z.B. die Südmark, die man sich über die geographische Eingrenzung erschließen muss).
Überhaupt fällt es schwer den Nutzen des Buches genau zu bestimmen. Es richtet sich sowohl an Spielleiter die eigene Abenteuer mit Lokalkolorit füllen wollen, liefert aber kaum konkrete Ansätze für neue Abenteuer. Infos über Preise, Rabatte für einzelne Klassen und einzelne Geheimnisse bieten aber immerhin etwas an Stoff. Für Spieler bietet das Buch die Möglichkeit sich näher mit der Region zu beschäftigen und Charaktere zu spielen die nicht planlos über ihre eigene Heimat sind. Gleichzeitig können sie einzelne Orte noch einmal Revue passieren lassen. Das gleiche gilt für Fans der EW-Spielbücher. Für sie lohnt sich das Buch meines Erachtens am meisten, da es hilft die Abenteuer des letzten Kai-Lords in einen größeren Kontext einzuordnen und die Orte und Geschehnisse in Verbindung zu setzen. Außerdem kann man sich an vielen Stellens einer früheren Abenteuer zurückerinnern.
Das beste und schlechteste an „Sommerlund“ ist daher zugleich , dass es sich an Fans der EW-Reihe richtet. Egal auf welcher Seite des Spielleiterschirms sie sitzen, oder ob sie den Kai-Lord alleine im Sessel spielen. Gerade das Format macht das Buch dabei zu einem guten Geschenk an Spieler die vielleicht noch nie ein Quellenbuch gelesen haben oder auch Sammler der alten EW-Bände (weshalb es meines Erachtens passender gewesen wäre „Sommerlund“ und weitere Quellenbände allgemeiner als Begleitbände für die EW-Reihe und nicht als Rollenspielbücher zu bezeichnen). Gleichzeitig führt diese Offenheit jedoch auch dazu, dass das Buch keinen wirklichen Fokus hat. Es ist nicht für die Anwendung durch Spieler gedacht – dafür fehlt anwendbares wie genaue Beschreibung von Riten, Zitate oder in-Game Mythen; Es richtet sich nicht an Spielleiter – dafür fehlen Plothooks, Spielhilfen, Regelelemente, Tabellen, NPCs mit Stats etc.; Und es richtet sich nicht an reine Fans – es ist nicht am Stück zu lesen und die einzelnen Regelandeutungen stören den Lesefluss.
Dennoch gefällt mir „Sommerlund“ trotz seiner Unbestimmtheit recht gut. Es ist ein Buch das die Region mit ihren Verflechtungen, Ereignissen und betretbaren Orten beschreibt, wie man es von simulierenden Rollenspielen kennt. Man kann sich in die Welt vertiefen und eine in sich recht schlüssige und ‚funktionierende‘ Region erkunden. Jeder der mehr über die Welt des einsamen Wolfes erfahren will, kommt also voll auf seine Kosten. Als Makel bleibt dennoch dass es seinen Zweck als Rollenspielquellenbuch etwas verfehlt, der recht geringe Umfang für den Preis (wettgemacht durch eine qualitative Aufmachung) und ein nicht immer optimal geordnetes Material.
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