Warum Science Fiction?
Gedanken des infernalen Bären
Eigentlich ist Clawdeen schuld. Clawdeen hatte im Tanelorn mal in die Runde gefragt ob überhaupt noch jemand Shadowrun spielt, und wie immer ist die Diskussion ein wenig abgeglitten in Richtung „ist Shadowrun überhaupt Cyberpunk“, als mir eine Antwort auf die ursprüngliche Frage kam. Das Problem ist, das meine Antwort relativ kurz ist, aber eigentlich eine längere Erklärung benötigt. Warum spiele ich also keine Cyberpunk-Rollenspiele?
Ich mag meine Zukunft optimistisch, und ich mag keinen Retrofuturismus.
Brechen wir mal die Antwort auf ihre beiden Komponenten herunter, und fangen an mit „Ich mag meine Zukunft optimistisch“. Ich bin trotz der politischen Weltlage, trotz gelegentlicher Depressionen, trotz Weltwirtschaft, Kapitalismus und vor sich hinsterbender Umwelt, trotz all den anderen Gründen vom Wesen her ein Optimist. ich glaube immer noch daran das die Zukunft – zumindest auf mittlerer und längerer Sicht – besser wird. Schließlich ist unterm Strich die Welt ein besserer Ort als sie es während meiner Kindheit war. Dementsprechende mag ich auch meine Science Fiction optimistisch. Das bedeutet nicht das ich eine Science Fiction ohne Konflikte will – Konflikte und Probleme wird es immer geben – Aber ich glaube halt das die Zukunft besser wird. Weswegen ich mich auch entsprechend mit Dystopien und kaputten Zukunftsbildern nicht sonderlich glücklich werde. Wobei die meisten ursprünglichen Cyberpunkt-Romane und -Kurzgeschichten nicht sonderlich dystopisch waren, wenn man so zurückschaut. Mein 2018 ist jedenfalls ein dystopischerer Ort als es die meisten dieser Geschichten waren. Ich mag also bessere Zukünfte – nicht umsonst gehören Iain M. Banks Culture-Romane zu meinen Lieblingsbüchern aus der SF (Und Banks ist nicht sonderlich zimperlich wenn es um seine Protagonisten geht, George R. R. Martin könnte sich da was abgucken…).
Okay, aber war ist mit „ich mag keinen Retrofuturismus“? Für mich hat SF viel mit einem Blick auf die Gegenwart und zugleich auf die Zukunft zu tun, weswegen ich meine Probleme damit habe wenn mir in einer SF-Verpackung die Vergangenheit präsentiert werden soll. Cyberpunk, beispielsweise, ist für mich ein Blick auf die Achtziger Jahre, und die sind nun mal vorbei. Ich habe keine Geduld für Geschichten die heute geschrieben werden und mir diese vergangenen Zukünfte verkaufen wollen. Ich brauche auch keine Geschichten die heute geschrieben werden und mir von venusianischen Urwäldern oder marsianischen Prinzessinnen erzählen wollen. Die Autoren die DAMALS diese Geschichten geschrieben haben, haben nach bestem Wissen ihrer Zeit Prognosen gewagt, aber wir sollten es heute besser wissen. Da bricht mein Sense of Disbelief einfach in tausend kleine Stücke.
Aber was hat das jetzt mit Rollenspiele zu tun? Natürlich prägt diese Grundhaltung auch meine Einstellung zu SF-Rollenspiele. Ich tendiere eher zu Space Opera im Rollenspiel, weil es GROßE Zukunftsbilder sind, mit einer positiven Grundstimmung (Fading Suns ist da eher die Ausnahme). Bis auf Eclipse Phase und Transhuamn Space sind Near Future und Cyberpunk-Settings gänzlich aus meiner Sammlung verschwunden (Bis auf The Sprawl, aus… nennen wir es Nostalgie). Ich werde versuchen in nächster Zeit ein wenig mehr über Science Fiction (und vielleicht auch Science Fantasy) zu reden, was mir gefällt, was ich erwarte, und vielleicht auch was ich da gerne im Rollenspiel sehe. Wir werden sehen, der Juli hat ja erst angefangen…
Eigentlich schreibe ich diesen Kommentar aus reiner Freude darüber, dass anderen offensichtlich auch der CyberpunkT-Tippfehler unterläuft :D
Damit hier aber noch was halbwegs Brauchbares steht:
Ja, SF ist ein Spiegel ihrer Zeit und man blickt da stellenweise mehr auf die Gegenwart als auf die Zukunft. Dementsprechend reizt mich alte SF, weil sie einen Zugang zur Zeit bietet, in der sie entstanden ist.
Goßartig neue Impulse bekommt man davon freilich eher nicht – wobei auch zeitgenössische SF mit ihrem Transhumanismus-Gedöns für mich längst zu drögem Einheitsbrei verkommen ist. Und obendrauf nervt mich das gerade durch den weitgehend aus der Luft gegriffenen impliziten Anspruch, die zumindest aktuell „richtige“ Zukunftsvorhersage zu vertreten. Das sollte man doch mittlerweile echt besser wissen…
Völlig davon getrennt ist für mich das Thema Space Opera. Venus-Urwälder und Marsprinzessinnen hatten auch damals schon nichts mit bestmöglicher Vorhersage zu tun. Allerhöchstens lasse ich da ein „Aber es könnte doch sein!“-Deckmäntelchen gelten und natürlich beeinflusst das, wie man Space Opera heute aufzieht. Im Zweifelsfall dann eben nicht mehr auf dem Mars, sondern lieber z.B. „a long time ago in a galaxy far, far away“ – damit ist man nämlich aus aller diesbezüglichen Kritik raus.