Fünf Dinge die uns an Engel… stören
Ein Friday Five von Infernal Teddy und Caninus
Engel ist ja schon ein echt interessantes Setting und uns gefällt eigentlich das meiste davon auch sehr gut. Es gibt aber leider ein paar Punkte, die sich wie kleine Stacheln in das sonst so weiche Settingfleisch bohren und sich einfach nicht entfernen lassen wollen. Vielleicht geht es ja da draußen noch mehr Spielern so, wir wollten euch heute einfach mal unsere fünf Dinge präsentieren, die das Spiel unangenehm werden lassen. Ich muss hier allerdings noch darauf hinweisen, dass wir natürlich auch auf den Metaplot eingehen werden und daher Spieler, die sich das Geheimnis noch erhalten möchten, bitte nicht weiterlesen sollten!
Hotels?!
Okay.. wir haben da diese Himmel und inzwischen auch per Roman eine Erklärung dafür bekommen, was denn eigentlich die Himmel waren, bevor sie zu Himmeln deklariert wurden. Nämlich riesige Hotels. Das ist ja eigentlich alles schön und gut, erklärt auch irgendwo warum sie etwas größer geraten sind.. aber was es nicht erklärt ist folgendes: Warum bitte schön stehen die da wo sie stehen? Wenn ich ein Mega-Hotel bauen möchte, dann pack ich das doch da hin, wo ich auch Touristen habe, die mir dann entsprechende Einkünfte bringen. Also entweder in eine große Stadt, die eh schon viel hat, oder in entsprechend landschaftlich geprägte Orte, an denen sich aber auch schon viele Touristen tummeln. Rom etwa ist natürlich wunderbar geeignet als Ort für ein solches Vorhaben. Prag. Klar. Lässt sich auch erklären – ist ein touristisch erschlossene Stadt.. aber bei Nürnberg wird es dann schon etwas dürftiger (warum nicht München?), ebenso wie Trondheim (das mitten im Nichts an der Küste liegt) und noch mehr Mitten im Nichts in den Bergen zwischen Frankreich und Spanien lässt sich dann nun wirklich gar nicht mehr erklären. Und das ist echt schade. Denn mit ein bisschen mehr Planung hätte man das sicherlich deutlich runder machen können. So wirkt es einfach als hätten die Macher nicht von Anfang an darüber nachgedacht, was denn die Himmel wirklich waren, oder mitten drin einfach die Idee geändert.
Ich bin Technik, ach ne doch der Teufel
Laaaaaange Jahr haben ja die Spieler und Fans des Settings darüber gerätselt und diskutiert, was denn nun der Herr der Fliegen, die Traumsaat und die Fegefeuer wirklich sind. Unzählige Ideen wurden vorgestellt und meistens lief es auf eine von zwei Möglichkeiten hinaus, nämlich Technik oder Übernatürlich. Jetzt ist Engel aber nun ein Setting, das mit den Vorstellungen seiner Spieler spielt und sie zunächst glauben macht, tatsächlich Boten von Gott auf einer post-apokalyptischen Welt zu sein, die dort hin gesandt wurden um Gutes zu tun. Erst nach und nach sollten die Spieler (und Charaktere) herausfinden, dass das alles ziemlicher Humbug ist und ein Engel eigentlich ja ein nanotechnologisch gepimpter Kindersoldat. Soweit so cool irgendwo (wenn man das mag). Und so wurde natürlich von vielen Fans angenommen, dass auch die Traumsaat eine Art gentechnisch veränderte Tiere sind, die entweder von einer (menschlichen) unbekannten Macht kontrolliert werden oder aus ihrem Versuchslabor entkommen sind. Für die Fegefeuer wurde immer vermutet, dass es sich um Ergebnisse von Super-Mega-Satelliten-Strahlen aus dem Weltraum handeln muss. Und von Seiten des Verlags wurde (zumindest nachdem die Geschichte aus dem Comic und dem ersten Regelwerk zu einem Teil als Nicht-Canon erklärt wurde) auch die Technik-Seite immer als die wahrscheinlichere herausgestellt. Mit den letzten Romanen wurde das aber alles über den Haufen geworfen und nun war es eben doch der Teufel. Punkt. Das wirkt einfach so.. als hätte man absichtlich genau das gemacht, was die Fans nicht erwartet haben nur um was anderes zu haben. Natürlich hat eine Welt in der es nur das personifizierte Böse aber eben nicht das Gute gibt etwas, aber es passt einfach nicht in das Setting wie es eine technologische Lösung getan hätte.
Lesen, Schreiben und Handel
Da haben wir eine Welt in der die einfach Bevölkerung nicht lesen und schreiben kann, weil es die angelitische Kirche als.. gefährlich einstuft. Zeitgleich haben wir aber eine Welt in der der Handel mit durchaus weit entfernten Gebieten floriert. Das funktioniert nicht. Um wirklich sinnvoll über weite Strecken Handel zu treiben, vor allem mit größeren Mengen an Gütern ist eine Schriftsprache unersetzlich. Alleine schon, weil man auch Inventar besitzt, und dieses verwalten will. Man führt Buch darüber, welche Güter man hat, was man wo wofür eintauschen kann, und so weiter. Und die Hochzeit der Handels- und Bankenhäuser wurde in Europa erst durch die Erfindung des Wechsels ermöglicht, also Schriftstücke, welche dem Überbringer von einem bestimmten Handelshaus gegen Übergabe eine bestimmte Summe versprechen. Aber all das gibt es in den Chroniken der Engel nicht. Warum? Weil niemand Lesen und Schreiben kann. Und man kann sich ja nicht mal damit rausreden das die großen Händler ja für die Diadochen und die Urbanis-Liga arbeiten, denn das ist ja laut Quellenbücher eben nicht so. Uns ist ja bewusst, das man hier versucht, eine Art Neo-Mittelalter heraufzubeschwören, aber es gibt so viele Stellen an denen das Setting auseinander fällt wenn außer einem einzigen Orden niemand lesen und schreiben kann, selbst in den großen Städten.
Druidenkult?!
Auf dem gesamten europäischen Festland bis hinein nach Russland hat sich die angelitische Kirche ausgebreitet und alles andere an Glaubensgemeinschaften verdrängt. Und nur ein kleines Dorf im Westen… ne, falsch.. also eine kleine Insel im Westen des Kontinents trotzte dieser Kirchenwerdung und baute sich einfach mal so eine ganz andere Religion?! Hallo? Wie realistisch ist das denn bitte? Zumal ja nun Großbritannien nicht gerade als anti-christlich gilt. Eher im Gegenteil. Warum also hat sich dort etwas druidisches durchgesetzt? Ach.. ja.. weil die Macher von Engel auch mal was anderes haben wollten? Man würde, ausgehend von Groß-Britannien heute, eher einen schrecklichen säkularen Staat erwarten, welcher die Schrottbarone unterstützt, oder eine alternative Form der Angelitischen Kirche, welche sich im Streit mit Roma Aeterna befindet (Und damit hätte man auch einen sinnvollen Grund für die Invasion…), statt einem Pseudo-Druidenkult, welcher aus dem Nichts entstanden sein muss. Aber über die Britischen Inseln wird sich Teddy wohl auslassen, wenn er beim entsprechenden Quellenband angekommen ist.
Common
Also, halten wir mal fest. Es gibt keine Schulen, niemand kann lesen und schreiben, und die meisten Leute werden sich niemals mehr als 5 Kilometer von ihrem Heimatdorf entfernen. Aber alle sprechen ein Englisch, welches sich Common nennt, und zwar von Spanien bis nach Moskau, und zwar ohne fürchterliche Dialektverschiebungen, so das jeder jeden versteht? Im Ernst jetzt? Wie soll dieses kleine Wunder funktionieren? Vor allem, wodurch wurden denn jetzt die alten Sprachen der jeweiligen Regionen so vollkommen ausgemerzt das es nicht mal ein paar lokal eingesprenkelte Wörter aus den alten Sprachen gibt? Schließlich klappt das ja nicht mal heute: Teddy hat lange Zeit in der Pfalz gelebt, in einer Region wo man zum Teil den Dialekt der Leute zwei Dörfer weiter kaum versteht – da finden wir dieses einheitliche Common doch ein wenig arg an den Haaren herbeigezogen. Vor allem ohne Schulen und so (Und wenn wir schon dabei sind, diese plötzliche Wiederbelebung des Latein leuchtet auch nicht wirklich ein, wenn man sich vor Augen führt, wer die Überlebenden der beiden Veitstänze waren, aber das ist Stoff für einen anderen Rant…).
Das passiert also, wenn man die Simulations-Brechstange an ein narratives System legt.
Oder wenn man narritative Konsistenz in einem narritative Spiel erwartet.
„Narrative Konsistenz“ ist ein Gummiparagraph.
Das ist „Simulations-Brechstange“ auch ;)