Spells and Chrome
Eine Sammlung von Kurzgeschichten zu Shadowrun
Hach ja. Wer von euch erinnert sich eigentlich noch an die guten alten Tage als man zu bestimmten Spielreihen in jeder Buchhandlung von einer schier endlosen Reihe von Romanen erschlagen werden konnte? Ihr wisst schon, die ganzen in Aventurien angesiedelten Romane die eine Generation von Spielleitern verdorben haben, die Sternenkrieger des Battletech-Universums, die ganzen Vampire-Romane die dazu beigetragen haben das ich um LARP-Runden einen sehr großen Bogen mache, oder die Shadowrun-Romane deren Autoren keine Ahnung von Cyberpunk hatten? Oh, klar, natürlich gab es in jeder Reihe auch Perlen (Außer bei den Romanen zum Schwarzen Auge…) wie Stackpoles Battletech-Trilogien, oder Ian Watsons wirklich abgedrehte Geschichten im 41. Jahrtausend, aber irgendwie… Und heute? Heute gibt es scheinbar nur noch die durchwachsenen Reihen zu Warhammer Fantasy und 40K, und ab und an einen DSA-Roman, und das wars dann schon, dabei sind gut gemachte Romane einer der besten Wege sein Spiel einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Ein Beispiel? Während Catalyst Game Labs den größten Teil ihrer literarischen Bemühungen auf PDFs in ihrem Webshop beschränkt haben sie doch eine Printveröffentlichung gemacht: die Anthologie Spells and Chrome, eine Sammlung von Kurzgeschichten zu Shadowrun 4.
Spells and Chrome präsentiert sich als Taschenbuch im „Trade paperback“-format, und bietet auf 304 Seiten 16 Kurzgeschichten, eine Vorschau auf einen Roman (Der aber scheinbar nicht erschienen ist), und eine Einleitung. Layouttechnisch gibt es – wie meistens bei Romanen – nicht wirklich viel zu sagen, da man sich hier für angenehmen Minimalismus entschieden hat. Was mir gefallen hat waren die Kurzbiographien zu den einzelnen Autoren, die jeweils am Anfang der Geschichte stehen.
Die Autoren die sich hier in dieser Anthologie tummeln sind alle relativ bekannt, wenn auch nicht alle sich zum Zeitpunkt des Erscheinens schon mal im Shadowrun-Universum verirrt hatten, dennoch gelingt es allen hier ein glaubwürdiges Bild vom Leben in der Unterwelt der 2070iger zu zeichnen. So handelt eine Geschichte davon wie ein Detektiv – Leser die noch die alte Romanreihe kennen werden sich an Dirk Montgomery erinnern – aufgrund einer Bitte sich mit einem jungen Mann trifft, der sich bei einem Überfall als Technomancer herausstellt, während eine andere Geschichte darstellt was passiert wenn Shadowrunner alt werden – und was mit Gangs passiert die einen alten Mann nicht in Frieden lassen. William H. Keith, einer der Battletech-Autoren der ersten Stunde, verbindet Wahnsinn, den Cthulhu-Mythos und Shadowrun, während Michael Stackpole, ein weiterer FASA-Veterane, zu einem seiner bevorzugten Schauplätzen zurückkehrt und die Ancients, eine elfische Gang, im Jahre 2053 besucht. Jede der Geschichten beleuchtet einen eigenen Aspekt des Shadowrun-Universums, sei es Magie, Rassismus, modernste Technologie oder das organisierte Verbrechen.
Fazit:
Anthologien sind meist schwer zu beurteilen, vor allem wenn es sich um Rollenspielanthologien handelt – oft hat man es mit einer bunten Mischung aus Rollenspielautoren zu tun die gerne Romane schreiben würden, und um Romanautoren die sich nicht mit dem Setting auskennen aber dafür etwas Geld brauchen. Spells and Chrome ist glücklicherweise kein solcher Fall. Die Geschichten malen ein sehr lebendiges Bild der sechsten Welt, und beweisen zumindest das die Autoren ihre Hausaufgaben gemacht haben. Was mir hier auch sehr gut gefällt ist das die Geschichten nicht – wie es früher zu oft der Fall war – alle in Seattle spielen, sondern hier wirklich über den ganzen Globus verteilt erzählt wird: Eine Geschichte spielt in London, eine andere in Lagos, wieder eine andere in den Trümmerfeldern von L.A., und wieder eine andere in Sydney. Wer eine schöne und gut geschriebene Einführung in die Welt von Shadowrun 4 sucht, vielleicht auch um Kumpels anzufixen, oder um Anregungen zu sammeln, der kann hier gerne zugreifen. Man sollte nur nicht vergessen das es doch „game fiction“ bleibt.
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