Maus und Mystik
Seriöser Dungeoncrawl vor wuseligem Hintergrund
Als ich Maus und Mystik auf der SPIEL gesehen habe, hab ich einen bewusst großen Bogen herum gemacht. Es sah von der Ausstattung her teuer aus, schien der x-te unmotivierte Dungeoncrawler zu sein und dann spielt man auch noch Mäuse. Als ich es eine Woche später eher zufällig spielen konnte, gab ich dem ganzen doch eine Chance und wurde vom Gegenteil überzeugt. Mit unter 40€ ist es zwar preislich kein Leichtgewicht und der Mäusehintergrund ist nett aber immer noch nicht ganz meins, dafür begeistert mich der Dungeoncrawler mit großartigen Regeln die alles andere als ein unmotivierter Versuch sind.
Inhalt
Fangen wir aber bei den Äußerlichkeiten an: Der Crawler ist für den Preis gut bestückt, enthält aber lediglich ein gutes dutzend Gegner- und nichtmal ein halbes dutzend Heldenfiguren. Dafür gibt es acht hübsche beidseitig genutzte Bodenpläne, einen gut gefüllten Gegenstandsstapel (71 Karten), ordentlich viele Sonderfertigkeiten und zwei Sets mit Begegnungskarten. Hinzu kommt ein recht dünnes Regelheft und ein relativ dickes Kampagnenbuch. Zuletzt kommen noch 5 Spezialwürfel, ein Schwung Marker und eine Art Spieltafel hinzu. Die Figuren sind in einem abgestimmten Beige gehalten und aus etwas weichem Plastik das aber dennoch bemalbar ist. Auch unbemalt machen die Figuren einiges her, dafür habe ich leider aber auch schon leichte Fehlgüsse und unsaubere Grate gesehen. Auch ist eine Pose etwas instabil, die Figuren sind aber so gefertigt, dads sie sich zur Not gut und sauber kleben lassen.
Hintergrund
Das auffälligste, wenn auch nicht einzig besondere ist das Setting. Wie der Name verrät, spielen wir Mäuse in einer Fantasy-Mittelalter Welt, was man aus mancher Fernseh- und Comicvorlage kennen kann. Das ganze nimmt sich nicht allzu ernst, bleibt aber im vertretbaren Rahmen. Sehr putzig beginnt die Kampagne damit, dass einem jungen Mäuserich die Legende erzählt wird, wie sich der Menschenkönig mit seinen Gefährten in Mäuse verwandeln musste um aus einem Verließ zu entfliehen. Eben jene Flucht spielen wir im Folgenden nach, wobei das Setting diese Grundannahmen konsequent weiternutzt. Wir verwenden Fingerhüte und Eichelschalen als Helme, Wallnusspanzer als Rüstungen und Zahnstocher als Speere. Dennoch ist das Spiel “erwachsen” illustriert und wirkt bei allem Wuselfaktor dennoch heroisch und ernst zu nehmend. Die Umsetzung ist dabei sehr konsequent und gut gelungen. Die Bodenpläne zeigen uns überdimensionierte Räumlichkeiten, sprinten heißt “wuseln” und wir sammeln Käse als Erfolge. Einer der großen Gegner ist passenderweise ein Kater und eine Maus kann ihren Schwanz – an Warhammerskaven erinnernd – als zusätzlichen Waffenarm nutzen. Noch einmal sei dabei betont, dass dies eher in eine fabelhafte Richtung geht als in eine alberne Toy Story – auch wer auf realistische und harte Settings steht, sollte den Hintergrund verkraften oder sogar lieb gewinnen können.
Regeln
Es dauerte kaum zwei Angriffe bis ich M&M in mein Herz geschlossen habe. Wie schon gesagt, war der Grund dafür nicht das mäusige Setting sondern das Regelwerk. Die Regeln wirken enorm rund, sind schmal und abwechslungsreich und bilden für mich insgesamt das beste Dungeoncrawlersystem das ich kenne. Das ganze fängt bereits bei den Würfeln an: Es wird ein Typus von Spezialwürfeln genutzt der alle Effekte abdeckt. Da gibt es eine Käseseite, zwei Bögen und drei Schwerterseiten, wobei zwei der drei Schwerter zusätzlich ein Schild zeigen. Die Hälfte der Seiten zeigt zusätzlich einen Stern und jede Seite enthält eine Ziffer, wobei die Zahlen 1-3 je doppelt vertreten sind. Mit diesen informationshaltigen Würfeln wird konsequent alles umgesetzt. Die Zahlenwerte geben im wesentlichen einen Bewegungsbonus an, die Sterne finden für Fertigkeitsproben und Suchaktionen Anwendung. Das Kampfsystem erinnert an Heroquest – zumindest wenn ich es recht in Erinnerung habe. Wer schießt trifft beim Bogen (1/3 Chance), wer schlägt trifft beim Schwert also zu 50% und der Verteidiger verteidigt bei Schild, also mit 1/3 Chance je Würfel. Die Fähigkeit der Charaktere bestimmt dann die Anzahl der Würfel. Ein guter Kämpfer wirft also beispielsweise 3 Würfel gegen die sich eine Kakerlake mit nur einem Würfel verteidigen kann. Nicht verteidigte Treffer sind Schadenspunkte, von denen Helden drei und Gegner meist einen verkraften können.
Einen entscheidenden Sondereffekt hat natürlich die Käseseite des Würfels. Die ist kein Joker, sondern versieht die Helden mit einem Käsepunkt der Fertigkeiten aktivieren kann oder neue Fähigkeiten erlernen lässt. Solch einen Marker gibt es allerdings nur, wenn wir das Symbol bei Angriff oder Verteidigung würfeln. Wenn unsere Ratten, Tausendfüßler oder Kakerlagen hingegen Käse im Kampf würfeln, gibt es einen Käsemarker für die Bösen…
Damit wären wir dann bei der wirklich guten Bedrohungsmechanik. Jeder von einem Gegner im Kampf gewürfelte Käse erhöht die 6-feldrige Käseuhr. Ist diese voll, passiert etwas schlechtes. Das Prinzip ist bekannt, die Kombination mit den Würfeln führt aber zu reichlich Spannung und etwas Unvorhersehbarkeit. Auch wird die Mechanik immer wieder anderweitig genutzt, so darf ein Charakter Käse von der Uhr klauen und erhöht sich der “Zeiger” wenn wir einen Raum leergekämpft haben und nicht weiterreisen. Ist die Uhr mit 6 Käsestücken voll, blättern wir außerdem eine “Seite” in unserer Legende vor (das ist die thematische Umsetzung dafür, das wir Zeit verlieren) und es gibt außerdem eine “Verstärkung”, was meist ein besonders harter Gegner ist, der durch die Mission oder Begegnungskarte bestimmt wird. Damit sind wir angehalten uns zu eilen, können aber auch entscheiden die Uhr füllen zu lassen um mit einer leeren Uhr in den nächsten Raum zu gehen – das will aber gut überlegt sein, da dann das Kapitelende dann näherrückt.
Und da wären wir bei der Begegnungsmechanik. Betreten wir einen Raum, decken wir je nach Mission eine leichte oder harte Begegnungskarte auf, die uns Gegner angibt, die potentielle Verstärkung benennt und entscheidet ob Fallen auf dem Raumabschnitt aktiv sind. Je nachdem wie viele Seiten (=Zeit) wir bereits umgeblättert haben, werden dabei andere Gegner ausgespuckt. Das Ergebnis ist eine sehr klare, schnelle und übersichtliche Gegnerzuteilung die mit wenig Karten (je 9 leichte und schwere Begegnungen) enorm viel Variation bietet. Auch was die Gegner angeht, holt M&M sehr viel aus den wenigen Figuren und Gegnertypen heraus. Einzelne Regeländerungen – durch Marker die passend unter die Figuren gelegt werden oder durch die Begegnungskarte angezeigt sind – verändern die Gegner deutlich.
Die letzte prägende Regel ist die Initiativreihenfolge. Jeder Charakter und jeder Gegnertyp wird durch eine Karte repräsentiert. Diese Karten werden gemischt, offen ausgelegt und bilden so die Initiativreihenfolge. Die führt nicht nur zu übersichtlichen aber gemischten Spielerreihenfolgen, sondern auch zu dynamischen Gegneraktivitäten. Zusätzlich bestimmt sie die Priorität mit der die Gegner angreifen: Wer oben liegt wird im Zweifelsfall zuerst attackiert. Diese simple Mechanik wird auch wieder kreativ genutzt. Gegen den hinterhältig geführten Dolch haben alle Gegner einen Nachteil die nach dem Angreifer handeln, Ratten steigen dafür jeden Durchgang eine Position auf und wenn wir unten angekommen sind ohne Gegner mehr zu sehen gibt es wie gesagt einen Käse für die Uhr. Collin – unser Anführer ist dafür der geborene Vorkämpfer und wird mit einem Käse entschädigt wenn er nicht zu Beginn handelt.
Schon dieser grobe Regelüberblick dürfte zeigen dass M&M eine sehr verzahnte, simple und doch variationsreiche Regelapparatur verwendet. Sehr viele Regeln lassen sich intuitiv anwenden und alle sind eindeutig formuliert. M&M wird damit sicherlich kein Schwergewicht, genug taktische Möglichkeiten bietet es aber allemal um auch erfahrene Spieler zu fordern. Besonders schön ist, dass durch die Verzahnung viele Regeln quasi indirekt mitlaufen, also sich logisch aus anderen ergeben. Überhaupt ist der Verwaltungsaufwand sehr gering und wird dann noch vom Spielmaterial entlastet. Die Initiativreihenfolge lässt sich auf vorgefertigten Feldern für die Karten nachhalten, hervorgehobene Körperteile auf Ausrüstungen zeigen an welche “Slots” belegt sind etc. Regeltechnisch wirft mich Maus und Mystik mit seiner Eleganz bei geichzeitiger Tiefe regelrecht um.Schnelle, schlüssige Regeln die dennoch Spielraum haben. So muss das sein.
Kampagne
Zuletzt noch ein paar Worte zur Kampagne. Der Box liegt ein Kampagnenbuch mit elf Kapiteln bei, die allesamt mit einer schönen Einleitung versehen sind und sich spielleiterlos spielen. Um die Stimmung zu erhöhen sind weitere Flavortexte im Spielverlauf angesetzt. Solche Texte, ebenso wie die Platzierung von Gegnern, Fallen und Zielen sowie Sonderregeln sind klar angegeben. Dabei kann jedes Kapitel während des Spielens gelesen werden,so dass man sich überraschen lassen kann. Bestimmt man einen Spieler zusätzlich zum Spielleiter kann man den anderen noch etwas mehr Spannung geben, nötig ist das aber kaum.
Etwas schade ist, das bei der Kampagne aus Balancinggründen nicht alle Ausrüstung mitgenommen werden kann. Wer sich an einem zu einfaches Spiel nicht stört, kann das aber sicher Hausregeln. Auch sollte man mit genau 4 Mäusen spielen, da das System nicht für andere Zahlen skalieren kann, auch zu 2 Spielern á zwei Mäusen macht es aber Spaß. Ein weiterer klitzekleiner Wermutstropfen ist schließlich, dass die Erzählungen alle Mäuse einschließt, diese aber nicht alle im Spiel sein müssen. Dadurch wird der wirklich schöne Effekt, dass die Charaktere an Farbe gewinnen und direkt adressiert werden etwas abgeschwächt, eine Lösung dafür fällt mir aber nicht ein und es tut dem ganzen keinen ernsthaften Abbruch.
Fazit
Auch wenn ich es erst zu spät entdeckt habe ist Maus und Mystik mein nachträgliches Messehighlight geworden. Das Setting – dem gegenüber ich zuerst skeptisch war – hat mich doch etwas gepackt und macht es paradoxerweise sogar für nicht-Fantasyspieler tauglich (mit etwas Regelunterstützung vielleicht sogar ein gutes Spiel für Elternteil und Kind?). Die Regeln machen die Fabel zu einem ernsthaften und runden Spielerlebnis, dass sich schnell, intensiv und durchdacht spielt. Alles in allem 6 von 6 Mäusemarkern, die man mir aber bitte nicht auf die Käseuhr legt…
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