Fünf eher unbespielte historische Epochen

Ein Friday Five mit Infernal Teddy

Derzeit lese ich den ersten Band der Mongoliad, Teil eines gewaltigen transmedialen Projektes an dem unter anderem Neal Stephenson und Greg Bear beteiligt sind, und in dem eine faszinierende und gewaltige Erzählung um das kurzlebige Mongolenreich und die europäischen Versuche dieses Reich aufzuhalten erzählt wird. Die Geschichte des Mongolenreiches und seines rasanten Aufstiegs und Falls ist episch, inspirierend… und wird im Rollenspiel fast vollständig ignoriert zugunsten klassischen mitteleuropäischen Mittelalters mit seinen Kleinststaaten und seinen Märchen. Die Zeit der Mongolen ist aber nicht die einzige „Epoche“ die im Rollenspiel sträflich vernachlässigt wird. Hier sind fünf grobe Regionen und Epochen die ihre eigene Faszination mitbringen aber leider vom großen Fantelaltermief verdrängt werden.

I.) Die Zeit der Diadochenreiche
Eigentlich ist die klassische Welt nach dem Tod Alexanders der Großen und des Zerfalls seines Reiches optimales Rollenspielmaterial – man hat ein gigantisches Gebiet mit großen Königreichen, mächtigen Stadtstaaten, Priesterkönigen, Zauberern, großen Heerführern, eine fast globale gemeinsame Sprache („Common“) und genug Mythen, legenden und Erzählungen um tausende von Kampagnen zu schrieben. Im Westen des Reiches liegen die Griechischen Stadtstaaten mit ihren Phalanxen und Philosophen, und westlich davon beginnt sich ein kleienr Stadtstaat im mittleren Italien zu regen. Südlich davon ist Ägypten, für sich schon ein riesiges Land mit einer Jahrtausende alten Kultur, inklusive Dungeons und allem. Herz dieser Zeit und dieser Länder ist Babylon, damals die größte Stadt der bekannten Welt und Mittelpunkt vieler der Erzählungen aus Tausend und einer Nacht. Und im Osten grenzt das Ganze an Indien, ein weiteres geheimnisvolles Land das man erkunden oder gar erobern könnte – da stellt sich die Frage warum das kaum im Rollenspiel aufgegriffen wird… (Wer sich damit noch ein wenig auseinandersetzen mag – Craulabesh hat mittlerweile vier Artikel zum Thema Hellenismus im Rollenspiel verfasst und hat diesen Artikel damit ein wenig inspiriert)

II.) Das Weltreich der Mongolen
Eine weitere Phase mit einem großen Reich als Schnittstelle zwischen den Kulturen, aber hier möchte ich mein Augenmerk auf die Phase der Eroberung in Russland legen, zwischen 1227 und 1241. Die Mongolen stürmten hier Russland und Balkanländer, und drohten ganz Europa in ein blutiges Schlachtfeld zu verwandeln. Kurz ging der vierte Kreuzzug in einem blutigen Gemetzel zu ende – in Konstantinopel, dem letzten Überbleibsel des römischen Reiches, und in Frankreich verfolgte die Kirche die Cathari. Was macht also „Russen vs. Mongolen“ so spannend?. Zum einen ist das mittelalterliche Russland etwas, das dem üblichen Fantelalter zwar auf dem ersten Blick recht nahe erscheint, aber sich dennoch in tausend kleinen Details abhebt. Zum anderen haben wir es auf mongolischer Seite mit einem wilden und stolzen „Barbarenkultur“ zu tun die keinen Vergleich zu alten Favoriten wie die Wikinger zu scheuen braucht und sich überraschend als Weltmacht im wahrsten Sinne des Wortes wiederfindet. Ein Konflikt also zwischen zwei spannende und stolze Kulturen mit dem Schicksal der bekannten Welt in der Schwebe, was gibt es da nicht zu mögen?

III.) Die Stadtstaaten Italiens
Auch wieder etwas, das merkwürdig erscheint – man sollte meinen der Machtkampf zwischen den Fürsten der Renaissance um Macht, Einfluss und um Ansehen sei für eine eher politisch orientierte Kampagnen wie geschaffen. man hat das politische Spiel zwischen den Fürsten und Handelsherren, gleichzeitig wollen natürlich der König von Frankreich, der deutsche Kaiser und der Papst mitspielen, und auch die Krone Aragon spielt in dieser Zeit keine kleine Rolle. Gleichzeitig ist es auch die Zeit des Mantels und des Degens, des Swashbuklers, eine Zeit in der eine Handvoll wagemutiger Männer schnell zu Macht und Einfluss kommen können. Sollte man ein Rollenspiel spielen in dem es auch noch Magie und ähnliches gibt so ist Italien zu dieser Zeit auch noch der Mittelpunkt der Geheimwissenschaften, der Wissenschaft und der Alchemie. Zugegeben, diese Epoche wäre ein eher Urbanes Setting im Vergleich zum bevorzugten Fantelaltermurks, aber die Verachtung mit der gerade diese Zeit oft geschlagen wird ist… befremdlich.

IV.) Urgeschichte
Bei all der Aufmerksamkeit die man in den letzten Jahren der „Barbarenfantasy“ hat zukommen lassen wundert es schon fast das man noch nicht die ultimative Barbarenepoche als Setting erarbeitet hat – unsere eigene Urgeschichte. Schaut man sich die Erde des Jahres 1300 vor Christus an, als Beispiel, so entstehen gerade die ersten Zentren der Kultur im Zweistromland, am Nil, am Hindus und in China. Dazwischen liegen weite, offene Länder deren Bewohner ideales Material für Geschichten über stolze und tapfere Barbaren wären, welche gegen diese geheimnisvollen und schrecklichen Stadtbewohner und ihrer ruchlosen Magie wären. Warum also in ein erfundenes hyperboräisches Zeitalter entschwinden wenn die eigene Geschichte so viele ungeklärte Rätsel bieten kann?

V.) So vieles mehr
bei den Überlegungen zu diesem Artikel habe ich mit Caninus noch eine ganze Reihe mehr an Optionen durchgesprochen: die Afrikanischen Reiche südliche der Sahara, die Eroberung Australiens, Südamerika vor dem Einfall der Europäer, die Nordamerikanischen Stämme vor dem Einfall der Europäer (Generell lässt sich sagen das die meisten Epochen und Regionen interessant waren „bis zum Einfall der Europäer“ und danach sehr viel uninteressanter oder deprimierender. oder WILL jemand UNBEDINGT das dahinmetzeln hunderttausender Eingeborenen durchspielen?). Schwierig erschienen uns auch Zeiten näher an unserer Gegenwart – schnell taucht da das „Cthulhu-Problem“ auf – die 1950er mögen ja interessant sein, geprägt vom Kampf gegen den Kommunismus/Kapitalismus, Spionage und Gegenspionage, aber schnell kommt auch die Frage auf „Gab es da schon XY?“, oder einer der Spieler versucht etwas zu nutzen das es damals schlicht und ergreifend nicht gab – wir vergessen gerne das vor 15 Jahren noch nicht jeder ein Handy hatte.

Welche historischen Abschnitte würden euch denn so als Rollenspielsetting interessieren, soweit ab vom Fantelaltereinheitsbrei?

5 Kommentare zu Fünf eher unbespielte historische Epochen

  1. Schöner Beitrag, ich wundere mich auch, dass es relativ wenig „geschichtliche“ Rollenspiele gibt.
    Woher hast du denn die schöne Karte unten im Beitrag? Gibt’s die noch in höherer Auflösung?

  2. Zum Thema Italien und Invasion Karls des VIII. gibt es hier (http://lairoflubidius.blogspot.de/search/label/Italian%20Wars) gerade eine Reihe Artikel, die sich mit den Kriegsregeln von „By this Axe“ (http://hillcantons.blogspot.de/2013/05/by-this-axe-fantasy-battle-rules.html) vor diesem Hintergrund befassen. Sehr Cool.

    Ich hab‘ schon ewig vor mal ’ne Kampagne um 1300 vor unserer Zeitrechnung zu machen. Heutzutage würde ich die allerdings anders machen als noch vor zwei, drei Jahren – mit weniger historischer Akuratesse und mehr Spacealiens und Gonzokram. Hehe.

  3. Alles sehr interessante Settings!

    Die Stadtstaaten Italiens sind dabei ein für mich sehr interessantes Setting: Riecht für mich ein wenig nach dem Flair von Assassin’s Creed Brotherhood, da könnte man je nach Schwerpunktsetzung interessante Kampagnen spielen!

    Auch die Diadochenreiche gefallen mir als Setting, vor allem die hier vorgestellte Idee das ganze ins Low-Fantasy zu ziehen mit Priestern und Zauberern. Evtl. würde sich dafür ja als System A Song of Ice and Fire anbieten? Das hätte ein ähnliches Magieniveau, denke ich…

    Das Weltreich der Mongolen als Setting klingt zwar historisch interessant, und auch der Blickwinkel lässt sich leicht verändern: Ob nun auf Seiten der Mongolen, einer des von ihnen unterjochten Völker das unter ihrer Führung mitkämpft, einem Spionagesetting oder auf Seiten der europäischen oder sonstiger Verteidiger oder der Flüchtlinge, die sich vor dem Mongolensturm in Sicherheit bringen wollen…
    Auf der anderen Seite ist natürlich durch die historische Vorlage so ein kleines bißchen die Spannung herausgenommen, da ja abzusehen ist, dass das Reich zerfällt..

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