Unsterbliche Liebe

Ein Beitrag zum Karneval der deutschen Rollenspielblogs von Infernal Teddy

Weisst du noch, wie du sagtest: „Mein“?
Und ich sagte: „Für ewig.“

Du sagtest: „Bloß für ewig?“

Jetzt ist es für ewig.

– James O’Barr, The Crow

Ein Element vieler Geistergeschichten, welche literarisch ja auch der Romantik entstammen, ist die Liebe. Eine Liebe, welche vielleicht auch über den Tod hinausgeht. Welches Spiel wäre denn dafür besser geeignet als Wraith: the Oblivion, dem vierten Spiel aus der Welt der Dunkelheit, dem Spiel bei dem der Tod nur der Anfang der Geschichte ist, und bei dem oft die Lebenden die Toten heimsuchen. Willkommen bei unserem Beitrag zum Karneval der Rollenspielblogs im Monat Juli, mit dem Thema „Romantik und Liebe“.

Wraith ist, wenn man es genau betrachtet, ein romantisches Spiel. Vielleicht nicht in dem Sinne, in dem das Wort heute verwendet wird, aber durchaus im Sinne des literarischen Genres – die Liste der Symbole und Motive auf Wikipedia ist natürlich weder umfassend, noch hat sie eine definierende Qualität, aber sie umfasst bereits viele Elemente, welche auch für Wraith durchaus zentrale Rollen spielen. Der Geist, der Überrest des Menschen als Charakter, taucht hier eigentlich zum ersten Mal wirklich auf, statt als Plotelement oder Antagonist hinhalten zu müssen. Ein weiteres romantisches Element ist natürlich, das Geister als körperlose Wesen sich eigentlich rein über das Emotionale definieren, vor allem in Wraith – die dort beschriebenen Charaktere leben sogar von Emotionen, nutzen sie doch Pathos um ihre Wunden zu heilen und ihre Kräfte anzutreiben. Diese Emotionen können zu den Dingen gehören, welche den Charakter auch an die Welt der Lebenden binden. Und welche Emotion außer Hass ist stärker als die Liebe?

Das ist natürlich nicht unbedingt die Romantik, um die es bei diesem Karneval gehen soll. Vielmehr soll hier natürlich das thematisiert werden, was der Volksmund so unter Romantik versteht – Liebesdinge halt. Zu Wraith gab es einst ein Quellenbuch über Liebe und Romantik unter den Toten, Love Beyond Death, welches hauptsächlich aus mehr schlecht als recht brauchbaren Spielleitertipps und ein paar Abenteuern, welche deutlich eher im Bereich „schlecht“ anzusiedeln waren, bestand. Aber wie kann man denn jetzt Liebe und Romantik in ein Spiel einbringen, welches sich oftmals – geht man von der Mehrzahl des Quellenmaterials aus – nur um existenzielle Fragen des Ichs in einem Zerrspiegel der Welt dreht, während die eigene böse Stimme versucht einem umzubringen? Nun, wie weiter oben schon gesagt ist die Liebe eine der beiden stärksten Emotionen, zu der wir als Menschen fähig sind, und Geister in der Welt der Dunkelheit leben nun mal von sehr starken Emotionen. Außerdem nutzt Wraith Fetters (Dinge oder Personen, welche den Charakter an das Diesseits binden) und Passions (Emotionen oder Leidenschaften, welche den Charakter vorantreiben) um den Charakter ins Setting einzubinden und ihm eine Motivation zu geben. Wenn wir also einen Charakter haben, welcher als Fetter der Stufe fünf „Meine Frau“ oder „Mein Kind“ hat, und dazu noch die Passion „Meine Frau / Mein Kind wissen lassen, dass ich sie liebe“ ebenfalls auf Fünf, dann sollte die entsprechende Person einen starken Fokus in den Handlungen dieses Charakters haben. Der Charakter sollte immer wieder Versuche unternehmen, gegen das Dictum Mortuum, dem von Charon verkündeten Gesetz, zu verstoßen und Kontakt zu seiner Familie aufzunehmen. Er sollte sich sträuben, sich all zu weit von der geliebten Person zu entfernen. Und natürlich sollte der Schatten den Charakter immer wieder mit dessen Liebe in Versuchung führen, verlockende Angebote machen – oder versuchen, der geliebten Person massiv Schaden zuzufügen. Schließlich ist der Schatten eines Wraiths im gewissen Sinne auch sein dunkles Spiegelbild, und was ist der Gegensatz von Liebe? Richtig, Hass.

Dieses Wechselspiel zwischen Liebe und Hass kann man sogar noch einen Schritt weiterführen. Das Quellenbuch The Risen präsentiert eine Spieloption, welche dem Charakter noch einmal die Möglichkeit bietet, die Grenze zwischen den Welten zu überqueren, und seinen eigenen Körper wieder zu bewohnen. Nicht umsonst auch als „Wraith: the Crowing“ bekannt ermöglicht es also einem Wraith, in den Landen der Lebenden zu agieren. Der geneigte Leser mag jetzt zunächst an die Crossover-Möglichkeiten denken, aber dieses Wiederauferstehen hat seinen Preis – ohne die Einverständnis des Schattens ist es schlicht nicht möglich. Man hat also alles getan, inklusive einen Pakt mit etwas, das man nur als den Teufel bezeichnen kann, um seiner Liebsten wieder nahe zu sein – nur um sie dann möglicherweise in Gefahr zu bringen, nur um möglicherweise seinem Schatten die Gelegenheit zu geben, eben dieser Person das Lebenslicht auszupusten. Wie besessen ist der Wraith denn von der Person um die es geht (Man mag mir in diesem Zusammenhang das Wortspiel verzeihen), dass er oder sie bereit ist, alles inklusive das eigene Fortbestehen auf diese eine Karte zu setzen?

Besessenheit führt mich zum nächsten Punkt: Was, wenn besagter Wraith sich in eines der für ihn oder sie gefährlichsten Wesen der Welt der Dunkelheit verliebt – einen Nekromanten? Ob jetzt Giovanni, Heckenmagier oder Magus, die Frage stellt sich immer ob es denn wirklich eine Beziehung zwischen den beiden geben, die über Sklave und Meister hinausgehen kann. Und wenn doch, wie freiwillig ist denn eine solche Partnerschaft überhaupt? Liebt der Wraith wirklich den Nekromanten, oder glaubt er das, weil der Nekromant ihm das eingibt? Oder wie ist es denn beim Nekromanten selbst? Erwidert er wirklich die Gefühle des Wraiths, oder nutzt er dessen starke Emotionen aus, um einen Diener zu haben, den er nicht ständig magisch kontrollieren muss? Wraith ist so schon ein Spiel bei dem zum Teil sehr unbequeme Themen auf den Spieltisch kommen können (Das einzige Spiel der WoD, ob Alt oder Neu, welches ähnlich unbequem werden kann, ist Changeling: the Lost), da ist man ,wenn man diesen Weg geht, auch schnell bei Stockholm Syndrom, possessive Partner und abusive relationships. Das da Vorsicht am Spieltisch geboten ist, muss ich, denke ich, nicht extra erwähnen.

Liebe und Romantik sind vielleicht nicht unbedingt einfache Themen, gerade für das Rollenspiel. Wer aber nicht gerade reine langweilige Dungeoncrawls und „lasst uns die Welt retten“-Ploteisenbahnen bespielt, sollte diese Themen zumindest ab und an am Rande behandeln, und wenn es nur die Frage ist, ob der adlige Charakter schon verheiratet ist, ob es gegen seinen Willen geschah, und wenn nein – warum denn bitte nicht? Wraith: the Oblivion bietet sich durch seine Natur stärker für diese Themen an als die meisten anderen Rollenspiele, schließlich sind die Charaktere in finaler Betrachtung normale Menschen, welche sich am Ende ihrer Existenz befinden und sich mit der Frage beschäftigen müssen, was denn wirklich wichtig für sie ist. Der eine oder der andere mag das für „Misery Porn“ oder „Langweilig“ halten, oder der Meinung sein, diese Themen gehören nicht ins Spiel. Meiner Meinung nach beraubt sich aber eine solche Gruppe um spannende Spielmomente und hervorragende Abenteuerauslöser und -motivationen.

Wenn dein Leben vorbei ist, und du vor der letzten Auslöschung deiner Existenz stehst – wer ist denn für dich die wichtigste Person deines Universums?

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