Night’s Watch – Die Nachtwache

Quellenbuch für Das Lied von Eis und Feuer, rezensiert von Infernal Teddy

Nachdem ich an dieser Stelle bereits das Grundregelwerk von Das Lied von Eis und Feuer besprochen hatte, der deutschen Übersetzung vom RPG zu den erfolgreichen Romanen und der noch erfolgreicheren Fernsehserie von HBO – und positiv überrascht war. Nachdem ich tatsächlich nur gutes über das Erzählerset zu sagen hatte. Nach all dem bleibt noch eine Frage offen: würden die Quellenbücher meine Begeisterung anhalten lassen, vor allem angesichts der Tatsache das ich mit dem Setting des Spiels bzw. den Romanen eigentlich überhaupt nichts anfangen kann? Nun, diese Frage werden wir gleich beantworten können, denn heute werden wir uns über Night’s Watch – die Nachtwache unterhalten, dem ersten Quellenbuch welches der Mantikore Verlag unter das Volk bringt. Machen wir uns also ans Werk.

Night’s Watch kommt als schicker Hardcover daher, 149 Seiten stark, und komplett in Farbe. Wie schon im Grundregelwerk ist auch dieses Buch auf stabiles Hochglanzpapier gedruckt, und auch das Layout folgt der Linie, welche vom Grundregelwerk vorgegeben wurde. Das Artwork ist atmosphärisch, und übermittelt mühelos die Stimmung die der Text zu beschwören versucht. Ein Lesebändchen fehlt leider, aber sonst kann man hier nicht meckern – Ein schickes, schickes Quellenbuch.

Inhaltlich teilt sich das Buch in vier Kapitel auf, zusammen mit einem Index und einer Einleitung. Die ersten beiden Kapitel behandeln dabei die Wache, die anderen Beiden wenden sich danach dem hohen Norden zu. Das erste Kapitel wendet sich dabei der Wache selbst zu, ihren Aufbau, die Wache-Kampagne, und auch die Charaktererschaffung. Dieses Kapitel umschreibt hierbei die Aufteilung der Wache in den drei „Armen“ – die Grenzer, welche man am ehesten als die kämpfenden Brüder bezeichnen müßte; die Baumeister, welche dafür verantwortlich sind das die Mauer und die drei noch besetzten Festungen stehen bleiben; und die Kämmerer, welche die Wache am Laufen halten – was passiert wenn ein Bruder Reißaus nehmen will, und auch eine kurze Zusammenfassung der Geschichte der Nachtwache, angefangen mit dem Bau der Mauer bis zum „Jetzt“ des Rollenspiels. Ebenfalls hier findet der geneigte Leser die Regeln die er braucht um ein Mitglied der Wache zu erschaffen – die Unterschiede zur normalen Erschaffung sind zwar nicht immens, aber dadurch das der Charakter seine Vergangenheit und damit auch seine Familie hinter sich lässt ändern sich doch bestimmte Dinge. Außerdem finden sich hier auch eine Reihe von spielbaren Archetypen mit denen eine Gruppe direkt losspielen kann. Letzter Punkt dieses Kapitel ist die Erschaffung einer Burg der Nachtwache – Die Burg ersetzt in vielerlei Hinsicht das Haus der Charaktere, und soll auch von ihnen verwaltet werden.
Beschäftigt sich das erste Kapitel noch mit den Menschen welche die Nachtwache ausmachen, so geht es im zweiten Kapitel um die Locations – sprich, um die Mauer, die Burgen an der Mauser, und die Schenkung, jener Landstrich südlich der Mauer mit dem die Wache versorgt werden sollte. Wer sich für die Geschichte der Wache und ihren Festungen interessiert, oder wie es zur Schenkung kam. Die drei Burgen der Wache die noch besetzt sind werden hier detailliert beleuchtet, zusammen mit den Charakteren welche diese Festungen ihr Zuhause nennen. Leider fehlen hier allerdings Detailkarten der einzelnen Burgen. Nach den bewohnten Burgen geht es dann an die verlassenen Burgen – wer an der Mauer also eine heroische Aufgabe such für die er nicht gleich hunderte von Wildlingen erschlagen muss kann ja eine der verlassenen Burgen wieder aufrichten… Auch die Schenkung und deren Geschichte werden beleuchtet, aber mit zwei Seiten ist diese Beschreibung natürlich sehr knapp. Als letztes findet sich in diesem Kapitel auch eine kleine Auswahl an – mehr oder weniger – typischen Patrollien, welche die Nachtwache jenseits der Mauer unternimmt.
Es ist selbstverständlich nicht alles mit der Mauer getan – wer eine Mauer errichtet möchte je irgendwen oder irgendwas draußen halten, und darum geht es in Kapitel drei. Hier geht es um die Wildlinge, oder wie sie sich selbst nennen, das Freie Volk. Kultur und Vergangenheit werden hier ebenso beleuchtet wie die einzelnen Stämme, die mit dem Freien Volk lose verbündeten Riesen, oder auch die Horde von Manke Rayder. Auch die wichtigsten Locations, wie zum Beispiel Crasters Bergfried oder die Faust der Ersten Menschen, werden hier betrachtet – vielleicht nicht so detailiert wie man es sich erhoffen mag, aber der Hohe Norden ist auch meines Wissens nach von George R. R. Martin noch nicht so detailliert beschrieben worden. Dieses Kapitel bietet außerdem Regeln für die Erschaffung von Wildlingen als Charaktere (Wieder inklusive spielbereite Archetypen), für die Erschaffung von Stämmen (welche hier die Häuser ersetzen) und für die Kriegsführung im Norden (Welche sehr gut zu den Regeln für die Überwindung der Mauer im vorherigen Kapitel ergänzen. Abgerundet wird das Kapitel durch eine Auswahl an Szenariovorschlägen für eine Wildlingskampagne.
Das letzte Kapitel ist auch das kürzeste, und verweist auch direkt darauf das es sich hierbei um „inoffizielles“ Material handelt – schließlich werden hier die Anderen behandelt, jene unheimlichen Wesenheiten von jenseits des Nordens. Hier geht es um beispiele für Andere, welche die Charaktere heimsuchen sollen, egal ob es sich dabei um eine Gruppe von Wildlingen oder Brüdern der Wache handelt. Dieses Material ist deswegen natürlich „inoffiziell“ weil es dazu – zumindest als das englische Original dieses Bandes erschien – noch keine klaren und deutlichen Aussagen seitens Mr. Martin gab, weswegen sich das hier präsentierte Material auch durchaus im Widerspruch mit den Romanen befinden kann. You have been warned. Dazu kommen noch eine weitere Auswahl an Szenariovorschlägen, gefolgt von einem kurzem aber brauchbarem Index.

Fazit:
Man sollte doch meinen, jemanden wie mir der sich für Westeros ungefähr so sehr interessiert wie für Post vom Finanzamt sollte mit einem Quellenbuch wie Night’s Watch – die Nachtwache nichts anfangen können, oder? Tja, weit gefehlt. Night’s Watch ist ein sehr gut recherchierter Quellenband, welcher es gelingt ein alternatives Kampagnenmodell, eines in dem es halt nicht um das Spiel der Throne geht sondern darum, eine Linie zu halten damit es dem Rest der Welt besser geht. Wer sich also eher für die Geschichte um Jon Snow interessiert als für die Erlebnisse seiner Halbschwestern ist mit diesem Buch gut bedient. Und in meinem Fall? Nun, die Night’s Watch erinnern an einen verarmten Ritterorden, die Mauer an den Limes, und der Norden könnte durchaus Caledonien sein, ich hätte hier also mehr Material für meine Britannien-Kampagne.
Night’s Watch – die Nachtwache ist jedenfalls ein sehr gutes Quellenbuch, und hält den sehr hohen Standard den Mantikore bisher vorgelegt haben mühelos. Für jeden, der sich auch nur entfernt für das Lied von Eis und Feuer Rollenspiel interessiert kann ich nur eine unbedingte Kaufempfehlung aussprechen, und bin gespannt wo die Reise als nächstes hingeht – und ob es dazu auch wieder die passenden Charakterkarten geben wird (Die für Night’s Watch konnte man jedenfalls auf der RPC am Mantikore stand abgreifen)

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