Fünf Cyberpunkrollenspiele (Die nicht Shadowrun sind)

Ein Friday Five vom höllischen Cybär

Ich wettere ja gerne wenn es um Cyberpunk geht. Schließlich ist der Cyberpunk als literarische Gattung – tolle Anthologien aus deutschen Landen zum Trotz – spätestens Anfang der Neunziger gestorben. Dennoch kann ich nicht leugnen das diese ganzen Dark Future Rollenspiele eine gewisse Faszination auf mich ausüben. Ob das an eine Kindheit in Thatcher’s England liegt oder eine gewisse „Sod the Man“-Attitüde sei mal dahingestellt. Natürlich unterscheidet sich der „Cyberpunk“ des Rollenspiels vom „Cyberpunk“ der Literatur – da wo im literarischen Cyberpunk die Vermenschlichung der Maschine und die Entmenschlichung des Menschen ein großes Thema ist, greifen die Rollenspiele dieser Gattung oft zu Menschlichkeitswerten die ihre Abstammung von der Geistigen Stabilität aus Call of Cthulhu nur schwer leugnen können um zu verhindern das Spieler vor lauter Coolnesssucht ihre Charaktere in wandelnde Waffenfabriken verwandeln, welche noch weniger Persönlichkeit aufweisen als ein Zylonenkrieger bei Battlestar Galactica. Aber wie dem auch sei, hier sind fünf Cyberpunk- (oder Cyberpunkige) Rollenspiele (Die nicht Shadowrun sind) von denen ich der Meinung bin, ihr solltet sie euch mal anschauen.
1.) Trinity
White Wolfs erstes SF-Rollenspiel (Und zweiter Ausflug jenseits der World of Darkness) hat zwar Psioniker als die primären Spielercharaktere und als Fokus des Spiels, dennoch ist die Welt des frühen 22. Jahrhunderts wie es in diesem Spiel beschrieben wird, definitiv eine Welt des Cyberpunks. Die Welt erholt sich immer noch von den Folgen globaler Katastrophen, und in vielen Ecken der Welt ist die Zukunft immer noch Dunkel: Nordamerika ist unter der Kontrolle einer faschistischen Regierung des Militärs und des Big Business während der Mittlere Westen eine unfruchtbare Einöde geworden ist; Europa – und da vor allem Frankreich – leidet immer noch unter dem Absturz einer Raumstation die Paris atomisiert und große Teile de Kontinents schwer in Mitleidenschaft genommen hat; Asien ist zum größten Teil unter der direkten oder indirekten Kontrolle Chinas, der größten noch existierenden Supermacht welche zufällig auch noch den Telepathenorden kontrolliert, und Südamerika wird von den Drogenkartellen regiert. Das Aeonverse ist in der Trinity-Epoche definitiv eine Dark Future in der es zwar Hoffnung gibt, aber dennoch die Welt auf der Kippe steht.
2.) Rifts
Steht die Welt in Trinity noch am Rande der Klippe, so ist sie bei Rifts längst über den Rand gesprungen und mit so viel Schwung unterwegs gewesen, dass sie auf der anderen Seite wieder rauskam. Die Menschheit hatte einen überlegenen technologischen Standard erreicht, nur um sich mit neuen Superwaffen in die Steinzeit zurückzubomben. Dabei rissen Löcher im Raum-Zeit-Gefüge auf, und das Ergebnis ist „Rifts Earth“ – eine Welt in der Superhightech und mächtige Magie in einer postapokalyptischen Welt aufeinander treffen in welcher der Mensch um das nackte Überleben kämpft. Hier agieren Cyborgs die ihren ganzen Körper hergegeben haben neben drogengepeitschten Superassassinen (Geschätzte Halbwertszeit: 5 Jahre), mächtige Magier und Psioniker, genetisch gezüchtete Hundemenschen und frisch geschlüpfte Drachen. Das System ist eine einzige Katastrophe, und das Wort „Balancing“ würde katatonisch in der Ecke wimmern wenn es sich auch nur in die Nähe trauen würde, aber das Setting von Rifts ist Gonzo-Cyberpunk trifft auf Mad Max und D&D Fantasy zum Gruppensex. Und das meine ich möglichst positiv.
3.) SLA Industries
SLA Industries (Gesprochen: Slay) ist eine sehr britische Sicht des Cyberpunk, geprägt vom Thatcherismus des Achtziger und seinen Auswirkungen in den frühen Neunzigern. Irgendwie regnet es immer, es ist immer kalt und dunkel, und man arbeitet in miesen Jobs für einen Konzern der zugleich auch die Regierung stellt. Wie viele andere britischen Rollenspiele dieser Zeit trieft auch dieses vor schwarzem, an manchen stellen sogar verbittertem Humor, während es hier wohl wirklich keine Hoffnung mehr auf auch nur ein kleines bisschen Besserung gibt. Shadowrun-Spieler werden am Anfang vielleicht einige Umstiegsschwierigkeiten haben – keine geile Cyberware, keine Matrix als solches, und man arbeitet für den Konzern (Und holt sich im Prinzip die „Runs“ beim Jobcenter ab…) aber dafür hat man meist die Autorität, die man braucht um das zu tun was Spielercharaktere am besten können – nämlich Sachen zerballern und Scheiße in die Luft sprengen. Und wenn sie richtig gut sind gibt es sogar einen Werbevertrag… Leider nicht mehr im Handel zu bekommen, aber solltet ihr die Gelegenheit haben euch das Spiel anzusehen, tut es.
4.) Cyberpunk 2020
Okay, ich weiß, ich weiß. Aber ich hätte wohl kaum einen solchen Artikel schreiben können ohne „the original thing“ nennen zu können, oder? Die erste Version dieses Spiels, Cyberpunk 2013, war meines Wissens nach das erste Cyberpunk-Rollenspiel, und für viele Spieler da draußen ist es immer noch das Beste. Sehr, sehr stark von Gibsons Neuromancer und seinen Kurzgeschichten geprägt, aber auch von den frühen Arbeiten von Leuten wie Rudy Rucker, ist CP2020 mittlerweile weniger eine ernstzunehmende Zukunftsvision und mehr eine „alternative Zukunft“ geworden. Der Text spricht davon das Charaktere an einem Abend vielleicht in einem Luxusapartment schlafen, den nächsten in einem Sarghotel – oder der Gosse. Die Berufe des Systems (Rockerboy, Solo, Konzerner usw.) machen dieses Spiel fast, aber nicht ganz, zu einem Klassensystem, bieten den Charakteren aber auch Nischen, Bereiche welche der Charakter besser kann als die anderen Gruppenmitglieder. Während man bei Trinity oder Rifts in der Theorie der Held ist, bei SLA ein weiteres Rad in der Konzernmaschine und bei Shadowrun zumindest theoretisch gegen „the Man“ antreten soll, ist CP2020 sehr viel amorallischer, und ob man für oder gegen die Corporate States of America antreten möchte ist eine Sache des Charakters. Das Regelwerk selbst bietet nicht allzu viel an konkretem Hintergrund, und vieles was davon da ist ist mittlerweile sehr „Klishee-Cyberpunk“, aber dennoch bleibt CP2020 auch in meinen Augen DAS Dark Future Rollenspiel.
5.) Cybergeneration
Angefangen hat Cybergeneration als Quellenbuch für CP2020, wurde aber schnell zu einem eigenen Spiel mit eigener Stimmung und eigenem Thema. Angesiedelt ist das Ganze im Jahre 2027, und die Welt, welche in CP2020 auf dem Weg zur Hölle ist, ist endlich angekommen. Die meisten Cyberpunks haben sich zur Ruhe gesetzt oder wurden eingebuchtet. Ihre Kinder dagegen… Eine Nanoseuche hat sich in den CSA breit gemacht, infizierte über 18 Jahre sterben einfach, während Kinder und Jugendliche von der Seuche verändert werden und „Superkräfte“ bekommen – Energieblitze verschleudern, Material verändern, sich ohne Deck in die Matrix projizieren (Anmerkung: das war bevor SR die Otaku einführte) oder ähnliches. Diese Kids sind meist Mitglieder in verschiedenen Gangs (Wir reden immerhin von den frühen Neunzigern, da waren die Gangs in LA gerade wieder Thema) und schließen sich dann in der Regel der Cyberrevolution an, da die Regierung sie jagt als wären sie die X-Men. Ironischer weise ist die Welt hier in schlechterem Zustand als in CP2020, aber dennoch ist dieses Spiel sehr optimistisch geschrieben, und auch die Charaktere sollten in der Regel eher Weltverbesserer sein, beim Versuch die Natur und die Menschen vor den Konzernen und der Regierung zu schützen.

6 Kommentare zu Fünf Cyberpunkrollenspiele (Die nicht Shadowrun sind)

  1. SLA Industries nicht mehr im Handel erhältlich? Gibt es doch alles als PDF bei Drivethru http://rpg.drivethrustuff.com/product/24961/SLA-Industries?it=1

  2. Shadowrun – Cyberpunk? Aha…Rifts – Cyberpunk, hm?

    Wie wäre es mit Remember Tomorrow, Technoir oder Ex Machina?

  3. Ich habe noch etwas vergessen.

    Shadowrun ist so viel Cyberpunk wie Star Wars Science Fiction ist! Ein paar Implantate und Corporations machen keine Dark Future.
    Gemäß meinern Erfahrungen kommt Remember Tomorrow am ehesten an die Literaturvorlage ran. Aber das Spiel hat einen sehr eigenwilligen Charakter – es könnte traditionelle Cyberpunks-/Shadowrun-Spieler überfordern,

    Darüber hinaus gibt es seit Kurzem das Kuro von Cubicle 7! Japan (Akira), Cybertech und Horror (The Ring) – abgefahrene Kombi.

    • Infernal_Teddy // April 27, 2013 um 10:22 // Antworten

      Oh, ich würde schon sagen das Shadowrun ein richtiges Cyberpunk-Spiel ist – in den ersten beiden Editionen mehr cyberPUNK und in den letzten beiden mehr CYBER und kaum noch punk…

      Bei dem Argument „Literaturvorlage“ bin ich immer sehr skeptisch. Neuromancer ist nicht alleinseeligmachend. Ich empfehle da immer einen Blick in „Burning Chrome“ (dt. Cyberspace, Sammlung von Gibsons Kurzgeschichten die Neuromacer zum Teil vorausgingen) und Mirrorshades (dt. Spiegelschatten,die definitive Cyberpunkanthologie und lektoriert von „Chairman Bruce“ Sterling

      Kuro reizt mich schon eine Weile, da wollte ich auf der RPCs schauen ob das jemand in toter Baum hat

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