Deutschland Blutige Kriege – Goldene Jahre (2Ed.)
Die zweite Auflage der Deutschlandbox
Die Neuauflage der Deutschlandbox. Nun alles in einem dicken Band und nicht mehr in Einzelheften mit zwei neuen Abenteuern und einem alt bekannten. Der Band selbst hat fast 400 Seiten von denen die ersten 250 Deutschland in den 20ern beschreiben und die restlichen die drei Abenteuer enthalten. Mit dabei in einer Lasche auf der Innenseite des Buchrückens ist noch eine vollfarbige Deutschlandkarte – und Deutschland war damals ziemlich breit.
Das ganze Buch beginnt wie so oft mit einem kleinen Vorwort zur neuen Edition und einem Miniüberblick über drei Seiten, welche den Zeitraum von 1918 bis 32 abdecken und nur ganz grob zusammenfassen was dort geschichtlich passiert. Der nächste Abschnitt ist dann aber schon wesentlich ausführlicher und erklärt auf knapp 20 Seiten die Politik der Weimarer Republik. Dabei wird das ganze grob chronologisch bearbeitet, aber auch ein Überblick über die damaligen Parteien und zum Beispiel die Besatzer des Ruhrgebiets gegeben. Das ganze natürlich durchsetzt von passenden Bildern. Der restliche Teil des Hintergrundteils befasst sich mit dem Leben in der Weimarer Republik, beginnend mit dem alltäglichen. Hier stehen etwa Hinweise zu Krankheiten (welche nach dem Krieg durchaus ein Problem waren), der Tanzwut der 20er, aber auch wie die Schulen damals aufgebaut waren und über die schicken neuen Kampfsportarten wird berichtet.
Dann wird sich der Wirtschaft zugewendet und dem großen Thema der Weltwirtschaftskrise. Hier finden sich auch Umrechnungskurse in andere Währungen und Preise für die Post. Da Charaktere in der Regel selten an einem Ort bleiben ist ein ganzes Kapitel dem Reisen gewidmet. Ob mit dem neuen Auto, der Bahn oder dem Flugzeug, hier findet der Spielleiter alles was damit zusammenhängt und er für seine Runden brauchen könnte.
Vielleicht nur für einige Runden von Interesse ist eher das nächste Kapitel in dem die Freizeit (außer der Unterhaltungsbranche) näher erklärt wird. So etwa die neu aufkommenden Schrebergärten oder der Tourismus in den 20ern.
Weitaus mehr Möglichkeiten haben Spielleiter und Spieler mit den beiden folgenden Kapiteln. Zunächst gibt es 20 Seiten über die Unterhaltung in den 20ern. Also sowohl Kunst, als auch das neue Kino (und hier speziell die Filmstudios Babelsberg), aber auch Tanz, Radio, Literatur und Theater. Ein wenig mit rein spielt das Kapitel über Lust und Laster bei dem doch für die heutige Zeit recht erschreckende Tatsachen berichtet werden, was die Menschen der 20er alles taten um zum Beispiel rauschähnliche Zustände zu erlangen.
Wissenschaft und Technik. Der Fortschritt. Und für einige Spieler mit Sicherheit einfach deshalb interessant, da sie einen entsprechenden Charakter aus dem Gewerbe spielen und sich vielleicht fragen mögen, was genau damals schon erfunden war und an was man gerade forschte.
Ebenso hilft das Kapitel über Kriminelles und Rechtliches den Abenteuern etwas mehr Realismus zu verleihen, wenn man sich nicht ständig fragen muss, ob denn in den 20ern schon Fingerabdrücke verwendet wurden um Verdächtige zu überprüfen oder was eigentlich mit einem Charakter passiert, welcher versehentlich den Butler erschossen hat.
Nur die letzten beiden Kapitel dieses Teils mit Hintergrundinformationen beschäftigen sich wirklich mit dem Übernatürlichen. Der Rest gibt eigentlich nur ein sehr, sehr gutes Geschichtsbuch ab – aber dazu ist es ja auch da. Diese letzten Kapitel also, „Okkultes“ und „Von finsteren Kulturen und dunklen Dämonen“ geben dem ganzen dann auch den passenden Cthulhubezug. Etwa mit Geheimgesellschaften und der Esoterik, aber auch über damals bekannte Fabelwesen und Legenden.
Da das jetzt nicht nur in der Rezension nach recht viel Informationswahn schreit, gibt es abschließend einen Spielhilfenteil. Da steht alles was unter anderem vorher schon erwähnt wurde, aber auch neue Fakten fein säuberlich zusammengeschrieben, teils in Tabellen, teils in Listen. Etwa die in fast jedem Spiel aufgesuchten Bibliotheken Deutschlands (also die großen natürlich nur), wichtige Persönlichkeiten (ja, es gibt auch einen Abschnitt über Hitler mit dem Verweis, dass es natürlich riskant sein kann dieses Thema in seiner Runde auf den Tisch zu bringen, er aber nun mal in die Zeit gehört und man diese Wahl nicht einfach für den Spielleiter treffen wollte). Weiter gehts mit typisch deutschen Charakterideen und NSCs mit kleinen Angaben über Fertigkeiten und ähnliches. Richtig praktisch sind dann die Preislisten von damals, sowie eine sehr ausführliche Zeitleiste.
Tempus fugit
Stellt euch vor, ihr wacht mitten auf einer Lichtung in einem Wald auf. Um euch herum andere Leute, ebenso wie ihr ohne Ahnung wie sie dort hingekommen sind. Und dann gerade als ihr euch bekannt machen wollt und ignoriert, dass ihr selbst sehr ungewöhnlich gekleidet seid… fängt der Wald plötzlich an grün zu leuchten und ein komisches schwarzes Ding zieht über die Lichtung hinweg. Es ist also an der Zeit das eine, nicht kaputte Auto zu nehmen und möglichst schnell hier weg zu kommen… doch dann passiert schon auf der Fahrt etwas weiteres schlimmes…
So stellt sich für die Spieler dieses Abenteuers die Starthandlung dar. Nach der überhasteten Flucht aus dem Wald gelangen sie dann in ein Dorf in dem sie seltsamerweise gut bekannt sind. Leider reichte ihr Benzin nicht einmal mehr bis ganz zum Dorf, so dass sie zunächst nicht weg kommen. Aber das ist auch gar nicht nötig, da im Dorf selbst schon genügend passiert. Allen voran ein toter Priester, welcher sie eigentlich sprechen wollte – und den natürlich auch keiner kennt – seltsame Kinder, die überall auftauche und durch die Gassen schleichen und eine Legende von einer alten Burg nebst Ausgrabungen an dieser. Alles was man braucht um ein rundum gelungenes, wenn auch nicht einfach zu leitendes Abenteuer zu bekommen.
4/5
Gefrorene Angst
Wenn ein Giftgaseinsatz im Krieg schief geht und eine halbe Kompanie in einer Traumwelt verschwindet, kann auch später noch so einiges schief gehen. Genau das müssen die Charaktere mitten in den 20ern in Berlin in der Erstaufführung eines neuen Films erleben. Dort werden sie nämlich zunächst ohne ersichtlichen Grund ohnmächtig und wachen erst sehr viel später im Krankenhaus wieder auf. Stellen sie Nachforschungen an, so entdecken sie eine recht ungeheuerliche Verschwörung, die das Ende der bekannten Welt zur Folge haben könnte.
Das Abenteuer ist im Grund schon eher Sandboxing, aber mit sehr strukturierten Teilen, so dass der Spielleiter eine gute Idee schon beim ersten Lesen haben dürfte, welcher Art das wohl für seine Gruppe sein wird. Der Einstieg mit einer kurzen Beschreibung dessen was die Charaktere in der Zwischenwelt sehen – und weswegen sie dann auch zusammenbrechen – erlaubt einen direkten Sprung ins Geschehen. Leider kommt die Logik an einigen Stellen etwas zu kurz. So ist es unverständlich, dass die Polizei nicht in den paar Tagen, welche die Charaktere wohl grob brauchen um wieder zum Kino zu kommen, den Soldaten und seine Sachen im Kino entdeckt. Zwar ist es nicht mehr ganz unverständlich, wenn man bedenkt, dass es gerade Hyperinflation ist, und die Polizisten wahrscheinlich Schubkarren von Geld erst morgens zum Bäcker bringen müssen, aber dieser Hinweis hätte nun doch nicht geschadet. Spieler fragen sich sowas. Und geraten dann wegen sowas auf völlig falsche Ideen.
Etwas kritischer ist sicherlich die Szene im Süden Deutschlands bei der die Charaktere direkt Entwicklungen des zukünftigen 3ten Reichs miterleben können, so sie denn wollen.
Alles in allem ist es aber durchaus ein Abenteuer bei dem gerade mit zusätzlichen SL Effekten einiges rausgeholt werden kann.
Bilderwahn
Eine eigentlich normale Zugreise wird zum Ausgangspunkt einer seltsamen Reihe von Ereignissen für völlig verschiedene Menschen. Auf dieser Zugreise streift die Charaktere und fünf weitere Personen im selben Abteil ein Ligori auf seinem Weg in die nur kurze Freiheit, bevor er von einer Statue wieder gebunden wird, welche einem der Mitreisenden gehört. Die Charaktere fahren zwar weiter an ihren Bestimmungsort, aber der Künstler nimmt seinen Statue mit nach Hause und so beginnt für ihn und seine Umgebung – sprich die anderen 4 NSCs – eine seltsame Reihe von Ereignissen und Wesensveränderungen. Die Charaktere selbst schlafen seitdem schlecht und suchen einen Psychologen auf, der eines Tages in einem Zeitungsartikel eine Verbindung zwischen dem Künstler und den Charakteren erkennt. Nun machen sich die Charaktere auf hinter das Geheimnis der Statue zu kommen ohne das noch jemand dabei stirbt.
Das Abenteuer ist ein sehr offen gehaltenes, welches vor allem durch seine ausgearbeiteten NSCs besticht. Diese sind nämlich Dreh- und Angelpunkt in diesem eher ungewöhnlichen Abenteuer, bei dem es zwar auch gilt ein fieses Monster davon abzuhalten unschuldige Leute zu töten, aber doch mehr auf der Interaktion beruht, als es für gewöhnlich der Fall ist. So gibt es für jeden NSC freie Handlungsstränge, welche der Spielleiter nach und nach abarbeiten kann – aber nicht muss. Und sich so sein eigenes Abenteuer selber bauen kann.
4/5
Fazit
Ein rundum gelungenes Buch über Deutschland in den 20ern, nicht nur für Cthulhuspieler und Spielleiter, sondern – wie so oft bei Cthulhu Quellenbänden – auch für alle anderen, die genau dort in der Zeit spielen wollen bestens geeignet. Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass die Beschreibungen im Quellenteil für den einen oder anderen etwas zu trocken sind, aber das ist ja Geschmackssache und wenn einem die anderen Quellenbände vom Stil her gefallen haben, so wird es auch diese Neuauflage tun. Auch die enthaltenen Abenteuer sind eine nette Ergänzung für die heimische Sammlung an spielbarem Material. Wer allerdings die Deutschlandbox schon besitzt wird hier bis auf die Abenteuer und die Ergänzungen zur Universität nicht viel neues finden.
4/5
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