Mittelalter – Die dunklen Jahre

Ein Settingband

Cthulhu – eigentlich ein System, welches man eher mit den 20er Jahren verbindet, hat jedoch auch Ausläufer in andere Epochen gewagt. So etwa in die Moderne mit Delta Green und Cthulhu Now oder das viktorianisch Zeitalter. Pegasus Press hat sich jedoch an einen weiteren sehr großen Zeitabschnitt der Geschichte gewagt und das Mittelalter für Cthulhu aufbereitet und in einem Band von 312 Seiten inklusive Charakterbogen für diese Zeit sowie zwei speziellen Abenteuern, dargestellt. Das Buch bereitet zunächst in einem sehr großen Teil die Geschichte Europas sowie das Leben dort auf und gibt dann noch kurze Änderungen der Charaktere gegenüber denen die man in den 20er Jahren spielen kann, an. Zum Spielen wird jedoch das Spielerhandbuch benötigt. Es ist also kein eigenständiges System.

[b]Das Früh/Hoch/Spätmittelalter (600 – 1600)[/b]
Die ersten drei Kapitel des Bandes umfassen die Geschichte Europas vom Jahre 600 bis zum Jahre 1600 und folgen der historischen Einteilung in drei Abschnitte. Da diese aber inhaltlich immer denselben Aufbau besitzen werden sie hier gemeinsam kurz dargestellt.
Die jeweiligen Kapitel beginnen neben einer Europakarte mit einer Übersicht über die Päpste des jeweiligen Abschnittes und zwar nicht etwa als lange Aufzählung lediglich der Namen und Daten, sondern existieren zu jedem Papst noch kurze Texte, die Beschreiben was genau diesen auszeichnet und bekannt gemacht hat.
Auf diese immer mehrere Seiten lange Liste folgt ein Überblick über die “Länder” Europas und die wichtigsten Eckdaten der jeweiligen Zeitabschnitte. Dabei wird unterteilt in das heilige Römische Reich, auf dem am ehesten der Fokus des gesamten Bandes liegt, und das daher am ausführlichsten mit Daten und Fakten versorgt wird, dann die skandinavischen Länder und Russland mit dem Rest des slavischen Raumes. Natürlich darf auch der Nahe Osten nicht fehlen und wird in das byzantinische Reich und die Kalifate unterteilt. Zu guter letzt geht es noch auf die iberische Halbinsel und natürlich auch rauf zu den britischen Inseln um wirklich ganz Europa mit enthalten zu haben.
Neben der durchaus spannenden Ausführung geschichtlicher Daten gibt es immer wieder Datenblätter zu besonderen NSCs, die in der Geschichte eine Rolle spielten und für Cthulhu interessant sein könnten, sowie Spieltipps zum Beispiel zu Büchern oder Filmen oder Musik, welche für diese Zeit passend sind um sich weitere Anregungen zu holen oder passende Hintergründe zu haben.
Nach dieser Erzählung folgt in jedem Kapitel etwas über das, was diesen Zeitabschnitt besonders geplagt hat. Das sind im Frühmittelalter die Wikingerzüge, welche ausführlich und sogar mit Karte dargestellt werden, im Hochmittelalter die Kreuzzüge, welche nun auch nochmal gesondert als Quellenband erscheinen werden und im Spätmittelalter der schwarze Tod.
Die Kapitel schließen mit einer tabellarischen Darstellung aller wichtigsten Fakten Europas für den schnellen Leser.

Die nächsten drei Kapitel stellen die weltliche, geistliche und cthuloide Welt dar und haben gemeinsam, dass auch hier interessante Personen mit einem Kasten und Werten hervorgehoben werden, sowie immer mal wieder im Text erwähnt wird, welche “Charakterklasse” gerade dieses Thema besonders gut darstellen kann:

[b]Unter dem weltlichen Okular[/b]
Alles was sich nicht direkt mit der Kirche befasst und das Leben im Mittelalter darstellt, wird in diesem Kapitel beschrieben. Zunächst werden jedoch alle Länder der bekanten Welt mit einem bis zwei Sätzen und den richtig wichtigen Daten erklärt. Etwa Osmanisches Reich – Um 1300 alt Sultanat, Kalifat 1517.
Nach dieser Übersicht wird direkt ins Geschehen gesprungen: Die mittelalterliche Gesellschaft. Hier werden sowohl Stände, als auch zum Beispiel Gilden und Zünfte, aber auch die Badekultur erläutert. Für die historisch korrekten Spieler gibt es eine Extrakasten mit den korrekten Anreden.
Danach werden zwei größere Metropolen mit historischer Übersicht und auch andere interessante Fakten und Vorschläge, wie etwa wichtige Personen oder Örtlichkeiten vorgestellt. Zum eine ist dies Köln, mit dem ewig sich im Bau befindlichen Dom, zum anderen Hamburg, die Stadt der Piraten und der Hanse.
Neben einem kurzen Abschnitt über die Rechtssprechung, welche gerade in den Abenteuern eine wichtige Rolle spielen könnte, wenn man Spieler hat, die gerne einmal etwas über die Stränge schlagen, folgt ein großer Abschnitt über das Rittertum in all seinen Ausprägungen (etwa Raubritter, aber auch Söldnerheere).
Danach folgt ein Überblick über die Burg an sich (Wie lebt es sich dort, wer wohnt da überhaupt und welche Örtlichkeiten finde ich) und das Leben in der mittelalterlichen Gemeinde.
Weiter geht der weltliche Abschnitt mit etwas cthuloideren Themen, nämlich dem Wahnsinn und wie man diesen damals behandelte (meist nicht nett), und dem Tod und Sterben, was ja nun auch bei den Charakteren ab und an wohl eintreten wird.
Die vorletzten vier Abschnitte befassen sich mit den Fremden. Nicht denen von hinter den Sternen, sondern den Juden, den Muslimen, den Zigeunern und der byzantinisch-orthodoxen Kirche und erklären kurz was man als Spielleiter im Mittelalter mit diesen “anstellen” kann.
Als letzter Abschnitt findet sich ein kurzer Blick auf die berühmten Entdecker des Mittelalters.

[b]Unter dem geistlichen Okular[/b]
Die Kirche, die wohl wichtigste Institution im Mittelalter, hat natürlich ihr eigenes Kapitel bekommen. Zunächst gibt es daher einen Überblick über die Kirchengeschichte im Mittelalter unterstrichen mit Karten und Daten um eine grobe Einordnung zu schaffen. Weiter geht es mit einem Abschnitt über den Vatikan und danach die christlichen Glaubenslehren, die zwar in Ansätzen wohl vielen Lesern bekannt sein dürften, aber teils im Mittelalter doch anders ausgelegt worden sind. So finden sich hier etwa ein Bußbuch für Sünden und ihre Bezahlungen, aber auch Beispielreliquien und religiöse Variationen bei den Juden und Muslimen.
Die wohl sichtbarsten Teile der Kirche, die Orden und Mönche, werden im darauf folgenden Kapitel beschrieben. Hierunter fallen zum Beispiel die Benediktiner, aber auch Ritterorden wie die Templer. Für jeden Orden werden kurz die geschichtlichen Hintergründe erläutert und Tipps zur Verwendung im Spiel gegeben.
Und da die Mönche auch irgendwo wohnen müssen, wird danach das Kloster beschrieben. Das generische Kloster mit seinen Hierarchien, den Ordensregeln und einem Plan von Sankt Gallen als Beispiel für den Aufbau.
Die letzen beiden Kapitel beschäftigen sich mit den eher “extrovertierteren” Kirchenmitgliedern. Den Missionaren und der Inquisition. Erstere mit einem Überblick über die Missionierungsgeschichte auf drei Seiten und einem “Beispielmissionar”, letztere vor allem mit einer Erläuterung des Inquisitionsprozesses und den typischen Strafen.

[b]Unter dem nicht-euklidischen Okular[/b]
Alles was auch nur entfernt mit den eher mysteriös-magischen Dingen zu tun hat fällt in dieses Kapitel. Zunächst einmal die Alchemie, der Vorgänger der Wissenschaften heutzutage und vermutlich das interessanteste zu was man sich öffentlich bekennen konnte.
Weiter geht es mit transzendenten Prominenten, also wichtigen Persönlichkeiten für die etwas andere Sicht der Welt. Ihr Leben wird kurz mit wichtigen Daten beschreiben und mit einer kleine Anmerkung versehen. Aufgeführt sind unter anderem Michael Konstantios Psellos, Thomas von Aquin, aber auch Nicolas Flamel (den Harry Potter Leser wohl kennen dürften) und Nostradamus. Insgesamt sind es knapp 20 Personen.
Die Jünger Evas, ein mittelalterlicher Kult, wird folgend exemplarisch vorgestellt, ebenso wie der Thingplatz Eresberg (der als Beispiel für Kultplätze dienen soll und in leicht veränderter Form wohl in vielen Abenteuern Verwendung finden kann), die verwunschenen Höhlen (welche im Abenteuer [i]Der Diener der Schlage[/i] verwendet werden und einfach ein generisches Höhlensystem beschreiben),die Burg Hartenstein, welche mit Karten zur Burg und Beschreibungen der gesamten Räumlichkeiten aufwartet und die Kastelburg für eine weitere Burgkulisse.
Zum Abschluss gibt es noch kurze Beschreibungen zu geheimnisvolle Orten.

[b]Charaktere im Mittelalter[/b]
In diesem Kapitel werden alle geänderten Regeln aufgezeigt. Einige Fertigkeiten sind natürlich im Mittelalter deutlich anders, als in den 20er Jahren und werden teils mit neuen Grundchancen versehen.
Ebenso gibt es natürlich neue Berufe, die später nicht mehr oder nur noch sehr abgewandelt existieren. Diese sind in bekannter Art für Cthulhu mit allem was benötigt wird kurz aufgelistet. Fortbewegung, Preistabellen, Begegnungstabellen, aber auch Kampf und geistige Stabilität runden das Kapitel ab und liefern alle grundlegend nötigen Regelmechanismen.

[b]Kinder der Dunkelheit und Der Diener der Schlage [Abenteuer][/b]
Die beiden im Band enthalten Abenteuer befassen sich mit sehr unterschiedlichen Themen. Im ersten Abenteuer geht es hinauf in den hohen Norden nach Island, wo die Charaktere einen geheimen Kult aufspüren müssen, der den dort noch relativ neuen christlichen Glauben unterwandert hat und für seine eigenen Zwecke ausnutzt, beim zweiten Abenteuer geht es zu einer Burg auf der eigentlich bloß ein Jüngling seine Schwertleite erfahren soll, dann jedoch ein Mord geschieht und die Dinge etwas aus dem Ruder geraten.
Für das erste Abenteuer sind Beispielscharaktere angegeben mit denen gespielt werden kann, so die Runde möchte. Für das zweite Abenteuer wird als Schauplatz auf die im Abschnitt [i]Unter dem nicht-euklidischen Okular[/i] beschriebene Burg verwiesen.
Das erste Abenteuer ist gradlinig und recht einfach, beim Zweiten gibt es einige Punkte in denen eine falsche Handlung seitens der Charaktere das ganze ziemlich ins Unglück stürzen könnte.

[b]Fazit:[/b]
Der Mittelalterband von Cthulhu lohnt sich nicht nur für Spielleiter von Cthulhu MA, sondern auch für jegliche andere Systeme und Settings, welche dort angesiedelt sind, da es einen wirklich guten Überblick über die dortige Zeit gibt. Selbst für halbwegs realistische Fantasysettings könnte man sich die eine oder andere Idee daraus nehmen, etwa wie Burgen aufgebaut sind, oder Klöster und ähnliches.
Es mag jedoch für den einen oder anderen Leser etwas trocken sein, wenn in den Übersichtskapiteln über die Zeitabschnitte erstmal alles Wichtige genannt wird.
Wie sich letztlich Cthulhu selbst im Mittelalter spielen lässt, hängt wohl sehr von der Gruppe ab. Durch die eher starren Stände ist kaum ein Zusammenspiel zwischen Bettler und Adligem möglich, so dass man sich im Vorfeld auf eine Art der Abenteurer einigen muss. Im Islandabenteuer sind diese ja vorgegeben (Wikinger) und im zweiten Abenteuer wird darauf hingewiesen, dass es eigentlich nur Leute von Stand sein können, die hier etwas erleben.
Insgesamt also ein wirklich lohnendes Buch.
4,5/5

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