T.I.M.E. Stories

Ein Kooperatives Abenteuererlebnis

T.I.M.E. Stories hat auf der diesjährigen SPIEL einiges an Aufsehen um sich gemacht. Das liegt sicher nicht zuletzt am abstrakt-sterilen Layout, sowie dem Versprechen ein ganz anderes Brettspiel zu sein. Was für Brettspielfans ganz neu erscheint dürfte für Rollenspielerinnen und Rollenspieler nur wenig überraschend sein, aber ist für diese allein schon einen Blick wert, weil T.I.M.E. Stories eben versucht eine Geschichte zu erzählen…

The Future Perfect

Das Design – ein abstraktes, sehr weiß gehaltenes Spielbrett und Titelcover – deutet einen sterilen Sci-Fi Hintergrund an. Und in der Tat, der erste Raum unseres Abenteuers ist eine hochtechnologische Zeitreisestation und dieses Thema wird auch im Metaspiel weiter beibehalten – im eigentlichen Abenteuer ist davon aber fast nichts zu spüren. Hier werden wir zum Beispiel in eine Nervenheilanstalt der 20er Jahre (Grundspiel) versetzt, oder erleben einen modernen Thriller, eine Fantasy Geschichte oder gar ein Abenteuer im antiken Ägypten (jeweils einzelne Erweiterungen). Der Sci-Fi Hintergrund dient also eher als Folie um ein Bindeglied zwischen den verschiedensten Geschichten zu gewährleisten. Durch die Annahme, dass wir Agenten einer Zeitreiseagentur sind und für diese Zeitrisse in der Vergangenheit verhindern sollen, können die verschiedensten Hintergründe gespielt werden und sogar ein offener Mystery Hintergrund plausibel gemacht werden. Ansonsten wird das Zeitreisemotiv ähnlich wie bei Tragedy Looper geschickt genutzt um die Wiederspielbarkeit und das ansammeln von Erfahrung der Spieler sinnvoll einzubetten, aber dazu später mehr…

Ein Abenteuerspiel

Genau genommen erzählt T.I.M.E. weniger eine Geschichte als das es ein Rätsel darstellt das gelöst werden will. Wir werden bei unserem Spieleabend in ein Szenario versetzt bei dem es darum geht das Entstehen eines Zeitrisses zu kitten. Das tun wir indem wir uns möglichst effektiv durch das Szenario bewegen und dadurch am Ende den Zeitriss verhindern. Das Spielprinzip ist stark kartengestützt weshalb man es auch als Decksploartion Game bezeichnen kann. Die Karten der Mission – in dem ersten Fall etwa 200 – machen die Handlung aus und dürfen vor dem Spielen unter keinen Umständen angesehen werden, da Sie alle Geheimnisse des Abends enthalten.

Der Plan ist abstrakt gehalten. Unten sehen wir den ersten raum (unsere Zeitreisestation) und die Spezialwürfel. Oben Links ist Platz für die Minimap.

Der Plan ist abstrakt gehalten. Unten sehen wir den ersten Raum (unsere Zeitreisestation) und darunter die Spezialwürfel. Oben Links ist Platz für die Minimap, daneben plöatzieren wir Objekte. In der Mitte sieht man die Zeitleiste.

Besagter erster Raum des Abenteuers enthält bereits das Spielprinzip in nuce. Eine erste Karte enthält eine kurze Beschreibung der Zeitreisestation und weist uns an die folgenden 5 Karten des Stapels auszulegen und der Reihe nach die Rückseiten abzuhandeln. So legen wir ein wunderschön illustriertes Panoramabild von 5 Karten aus, das uns auf der Rückseite Schritt für Schritt den Spielablauf in Form von Anweisungen des Kommandanten erklärt. So lässt sich mit wenig Vorbereitung starten und erklärt sich der Rest des (eh relativ simplen) Spiels fast von alleine. Uns wird auf den Karten eine gewisse Zeit angegeben die wir auf der Zeitleiste des Spielplans festhalten sollen, danach müssen wir eine Minimap unseres Missionsortes (4 Karten mit aufgedruckten und nummerierten Zielorten) auslegen und dann sollen wir in unsere Wirte schlüpfen. Mit anderen Worten: Charakterwahl. Im ersten Szenario stehen uns dazu 8 Charaktere zur Verfügung die wir auf die bis zu 4 Spielerinnen verteilen können. Die Charaktere zeichnen sich dabei durch einige Punkte in bis zu drei Fertigkeiten aus – wobei nicht jeder Charakter alle beherrschen muss und die Fertigkeiten je nach Szenario variieren –, einem Widerstandswert und zuletzt einem besonderen Vor- oder Nachteil. Die Charaktere des ersten Abenteuers sind allesamt individuell und haben einen hohen Wiedererkennunsgwert, auch ist die taktische Auswahl der Gruppe wirklich entscheidend.

Die letzte Karte weist uns schließlich an den ersten Raums des Abenteuers auszulegen und davon die erste Karte abzuhandeln. Wiederum entsteht ein schönes Panorama, das vom Text der ersten Karte noch einmal näher beschrieben/interpretiert wird. Außerdem dürfen wir ab jetzt fast immer frei entscheiden welche der Karten wir uns anschauen wollen. Dazu platziert jede Spielerin ihre Figur an einer der Karten und nachdem wir uns entschieden haben, dürfen wir die Rückseite unserer jeweiligen Karten ansehen. Das führt zu wenig off-Zeit und die Empfehlung das wir die Karte nicht vorlesen dürfen, sondern umschreiben sollen, macht das Spiel recht dynamisch. Was aber verbirgt sich auf der Rückseite? Neben einer zweiten Illustration erwartet uns zum mindesten ein Text der uns mit vagen Informationen versorgt. Spannender sind hingegen harte Informationen, also Infos die uns neue Optionen anbieten. Das kann in Form eines Objekts sein, das aus einem separaten Stapel gewählt wird, also beispielsweise ein Schlüssel, ein Zeitungsausschnitt, ein neuer Ot für die Minimap oder ähnliches. Manche Infos geben uns aber auch ein Informationsplättchen das in anderen Karten abgefragt werden kann. Zusätzlich können solche Informationen an Proben geknüpft sein oder wir können einfach blockiert werden bis wir eine bestimmte Probe absolviert oder Bedingung erfüllt haben. Kurzum: wir haben es in etwa mit einem Abenteuerspielbuch zu tun das auf Karten statt Abschnitten basiert.

Wie viel Spiel steckt im Spiel?

Nun ist T.I.M.E. Stories aber kein reines Abenteuerspielbuch, sondern nutzt ein Spielbrett, Spielfiguren und ein paar andere Features, wie die dynamische Minimap die wir in der Form nur schwer in Spielbüchern finden können. Dabei handelt es sich im groben um ein gutes Nutzen des Spielplans und der Karten. Da wäre die Zeitmechanik. Um uns Druck zu machen, bedarf jeder Wechsel eines Raumes 1-3 Zeiteinheiten von unserer Zeitleiste und wenn wir uns weitere Karten des Raumes ansehen wollen oder uns an Proben festgebissen haben kostet es ebenfalls eine Zeiteinheit. Apropos Proben. Die laufen mit Sonderwürfeln ab die 0-2 Sterne oder einen Totenkopf zeigen. Wir würfeln so viele Würfel wie unserer jeweiligen Fertigkeit entsprechen und müssen dabei eine gewisse Anzahl an Erfolgen sammeln. Totenköpfe können hingegen Schaden bedeuten, wenn die Probe selber solche „Gefahren“ angibt. Das funktioniert gut, da wir eigentlich alle Proben sammeln können und dadurch im schlimmsten Fall Zeit verlieren und oft gut überlegen müssen, wer zur Hilfe eilen soll oder wen wir anfänglich überhaupt zu einer bestimmten Karte schicken wollen. Selbst eine (seltene) Niederlage/Tod ist verkraftbar, da wir dann lediglich einige Zeiteinheiten aussetzen müssen. Ebenfalls gelungen ist das Nachhalten von bestimmten Ereignissen und Informationen über die bereits erwähnten Informationstoken. Die werden sehr flexibel genutzt. So schalten sie uns manche Karten erst frei, können aber auch auf vorherigen Situationen aufbauende Entweder-Oder Entscheidungen merken, ohne dass man als Spielerin Verwaltungsarbeit hätte.

Zuletzt wäre dann noch das Metaspiel. Geht uns die Zeit aus sind wir temporär gescheitert, werden zurückteleportiert und müssen von vorne beginnen. Die genauen Konsequenzen und ggf. veränderungen im Spielaufbau sagt uns eine “Mission gescheitert” Karte. So können wir beispielsweise einzelne Karten behalten. Viel wichtiger ist jedoch das wir nun schon einige Karten gesehen haben. Das Zeitreisemotiv geht also produktiv mit dem Spielbuchproblem um, dass man solche Abenteuer in der Regel öfter spielen muss um zu bestehen, aber der Spieler des neu erschaffene Charakters selbstverständlich schon weiß hinter welcher Tür das Monster lauert und hinter welcher der Schatz wartet. Hat man die erste Partie erfolglos gespielt startet man also mit einem deutlichen Vorteil, kann die Charaktere passend wählen und sinnvoll zu Aufgaben schicken, bestimmte Fallen umgehen und kann gewissermaßen taktieren. Auch das funktioniert sehr gut, bis auf die dann neu entdeckten Abschnitte wechselt das Spielgefühl dann aber vom Entdecken zum Rätseln und Wegeoptimieren.

Die Spieldauer um ein Abenteuer wirklich ganz zu lösen lag bei uns bei etwas über vier Stunden. Sollte man mitten in einem Abenteuer pausieren wollen hat die Box ein kluges Inlay mit dem Zeiten, der aktuelle Raum und die Zustandsmarker beim Zurücklegen in die Box gespeichert werden können. Das ist nett, solch ein Gimmick darf man bei dem Preis aber auch erwarten.

Fazit

T.I.M.E. Stories ist für ein Brettspiel wirklich ungewöhnlich. Zwar handelt es sich im Endeffekt um ein Spielbuch das Visualisierungsmöglichkeiten von Karten und ein Spielbrett nutzt, aber das macht es ziemlich gelungen. Auch der Kooperative Ansatz hat bei uns gut funktioniert, da man sich beim Entdecken die Informationen gut mitteilen muss und beim Taktieren zusammen überlegt. Tatsächlich ergibt sich so ein Rätsel das man als Gruppe lösen will und uns nicht losgelassen hat bis das Abenteuer gelöst war. Und selbst dann blieben noch eine Handvoll Fragen offen die wir gerne herausgefunden hätten. Durch die etwas überzeichneten Charaktere ergab sich fast von selber ein kleines Rollenspielelement was das Spielgefühl nochmal intensiviert hat.

Im Vergleich mit Spielbüchern war das Gefühl deutlich spannender und die Lösungswege Abwechslungsreicher. Da man nicht unentwegt Blättern muss und keine Notizen machen muss war es deutlich angenehmer und das gemeinsame Spielen hat es umso spannender gemacht. Trotzdem hat das Konzept einen ganz großen Nachteil. Mehr als einmal lässt sich so ein Abenteuer nicht sinnvoll durchspielen. Dadurch hat man zwar immer noch einen guten uns intensiven Spieleabend, rechnet man die Kosten für das Grundspiel raus bedeutet das aber immer noch ein Kostenfaktor von etwa 20€ für einen Abend. Teilt man sich das Geld oder hofft darauf das Abenteuer weiterzuverkaufen oder günstig zu bekommen, lässt sich das noch einmal regulieren. Rein vom Inhalt bekommt man außerdem eh viel geboten. Die Illustrationen sind sehr hochwertig, das Spielgefühl ist sehr dicht und bis auf ein Errata  ist es auch fehlerfrei. Wer ein besonderes Spielerlebnis für 3-4 Spieler sucht und damit leben kann ein Spiel wirklich nur einmal zu spielen, sollte sich T.I.M.E. Stories dringend angucken – und wer weiß, vielleicht ist es auch ein guter Türöffner für eine Rollenspielrunde?

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