Märchenkrieger, LOS!

Ich weiß nicht ob ich das hier auf dem Blog schon mal erwähnt habe, aber ich habe zunehmend das Gefühl das Fate in den letzten Jahren Savage Worlds den Rang abgelaufen hat wenn es um seltsame Settings und Settings mit einem “XY, aber mit G!”-Twists geht. Ein Beispiel dafür ist Märchenkrieger, LOS!, dem zweiten Band aus dem Fate-Abenteuerwelten Wettbewerb der 2019 erschienen ist. Das Cover verspricht bereits seltsames, mit Charakteren aus der deutschen Romantik – und einer Animekriegerin. Wie das zusammengeht? Das werden wir uns wohl genauer anschauen müssen fürchte ich…

Ähnlich wie die Vorgängerbände der Abenteuerwelten-Reihe ist auch Märchenkrieger, LOS! ein im handlichen A5-Format gehaltener Softcoverbuch, mit einem Umfang von 108 Seiten. Das Buch entspricht vom Layout her dem Fate Core -Standard, mit Artwork in Schwarz-Weiß. Interessant fand ich das Cover und Innenillustrationen stammen von einer Künstlerin, Monique Hagel, die sich auf den Mangastil spezialisiert hat, was wie wir sehen werden thematisch sehr gut zum Setting passt.

Wie alle Beiträge zum Abenteuerwettbewerb hat auch Märchenkrieger, LOS! einen Bezug zu Deutschland, in diesem Fall haben wir es mit der Zeit Bismarcks, des Eisernen Kanzlers zu tun – und der Gebrüder Grimm. Warum letzteres wichtig ist? In dieser Zeit ist die Grenze zwischen Märchenwelt und Menschenwelt brüchig geworden, und manche Menschen sind mit Figuren aus den bekannten Märchen verschmolzen. Die menschliche Seite des Charakters ist dabei ein normaler Fate Core-Charakter, der sich wenn es von Nöten ist mit Hilfe einer Glitzersequenz wie aus Sailor Moon in eine Superhelden-Märchenfigur verwandelt, welcher mit Turbo Fate präsentiert wird. Diese Doppelseelen, wie das Spiel seine Charaktere nennt, stehen alle im Dienste es Märchenkönigs Ludwig II. von Bayern, der die Helden im Kampf um Deutschland führt, um die Pläne der Bösen Königin zu durchkreuzen, welche mit dem Eisernen Kanzler Otto von Bismarck verschmolzen ist. Das Buch geht natürlich auf die Erstellung dieser Doppelseelen ein, inklusive einem Abschnitt über die “Verwandlungsanimation” des Charakters, und darüber wie man Anime-Tropes im Spiel einbringen kann – und welche Animes man sich anschauen sollte um die angedachte Stimmung zu transportieren. Darüber hinaus gibt es eine ganze Reihe an Märchenfiguren und -locations die im Spiel zum Einsatz kommen können und eine Beschreibung des Konfliktes zwischen Preußen und Bayern in dieser Welt. Abgeschlossen wird der Band wieder durch die Liste der Backer und einem speziellen Charakterbogen auf dem beide Seiten des Charakters Platz finden können.

Fazit:
Anime ist nicht meins. Ich bin ganz ehrlich, das “Magical Girl”-Trope auf dem das ganze Buch aufbaut gibt mir gar nichts. Und es stört mich das der ganze Band als Konversation zwischen beiden Seiten einer Doppelseele präsentiert wird. Aus meiner Sicht also eine schlechte Abenteuerwelt? Überraschenderweise: gar nicht mal. Die Autorin, Anne Wiesner, kennt ihr Genre, kennt die dazugehörigen Tropes, und wendet sie konsequent auf ihre gewählte Epoche der deutschen Geschichte an. Die Welt die sie so konstruiert als Schnittstelle zwischen Märchen, Animee und Historie wirkt überraschend lebendig und glaubwürdig. Ich glaube, der Welt hätte es allerdings gut getan wenn sie mehr Platz zur Verfügung gehabt hätte, und wenn man auf das übliche Format einer Abenteuerwelt verzichtet hätte um eine stärkere Interaktion zwischen Animeeillustrationen und dem Text zu ermöglichen. Werde ich es spielen oder leiten? Wahrscheinlich nicht, ich bin nicht das Zielpublikum. Aber ich würde es Fans des Genres und des Fate-Systems auf jeden Fall empfehlen.