I am Zombie

Eine Rollenspielrezension von Infernal Teddy

Ich bin kein sonderlich großer Fan von Zombies, weder im Film noch im Rollenspiel. Das hatte ich ja schon mal auf diesem Blog angemerkt, wie sich der eine oder der andere unserer Leser erinnern mag. Aber wenn dann ein neues Rollenspiel im Briefkasten liegt mit dem aussagekräftigen und selbstbewussten Titel I am Zombie, welches auch noch von einem der ironischsten Designer der Neunziger Jahre stammt, Mark Rein*Hagen, dann muss ich schon eine gewisse Neugierde zugestehen. Schließlich ist Rein*Hagen einer der beiden Erfinder von Ars Magica, und derjenige, welche mit Vampire: the Masquerade nicht nur Vampire für das Rollenspiel umdefinierte, sondern auch mit der World of Darkness den jungen Verlag White Wolf zum zweitgrößten Verlag unseres Hobbys machte. Mark Rein*Hagen war dabei eher der kreative Partner, welcher mit brillanten Settings und Ideen aufwartete, weniger der Mann für das Mechanische, so das man gespannt sein kann, was tatsächlich bei I am Zombie herausgekommen ist.

Uns wurde I am Zombie direkt vom Verlag, Make Believe Games, zur Verfügung gestellt. Das Spiel besteht in der Form in der es uns geschickt wurde aus zwei Komponenten: dem Buch I am Zombie, ein schickes Hardcoverbuch mit 286 Seiten, und dem I am Zombie Play Kit, eine stabile Pappschachtel, über dessen Inhalt wir uns später noch unterhalten werden. Wir werden bei dieser Rezension beide “Komponenten” des Spiels zunächst getrennt betrachten, um dann im Fazit auf beide Teile einzugehen.

I am Zombie – Corebook
Dieser Band besteht aus 286 Seiten auf Hochglanzpapier, in einem stabilem Hardcoverband Das gewählte Format ist etwas merkwürdig, ich erkenne nicht genau, welches Format es sein soll. Das Cover wirkt wie eine korrodierte Metallplatte in “Chemiefass-Gelb”, mit einem Biohazard-Symbol und einem Auge, welches durch ein Loch herauslugt. Das Buch ist durchgängig in Farbe gehalten, und ein Großteil des Artworks besteht aus manipulierten Fotographien. Gestaltungstechnisch erinnert mich das Buch sehr häufig an einer bunten Hochglanzversion einiger Musikfanzines die ich über die Jahre gelesen habe – alle paar Seiten ändert sich das Layout, ändert sich die Schrift, und man weiß nie, was einem auf der nächsten Seite anspringen wird.

I am Zombie präsentiert in diesem Buch, welcher völlig ohne Regeln auskommt, eine Schattenseite unserer Welt, einen seuchengefüllten Abgrund unter unserer schönen Fassade. Denn Zombies – oder wie sie sich selbst gerne nennen, die Toxischen – leben schon immer unter uns, und jedes mal wenn es in unserer Geschichte zum Ausbruch einer neuen Epidemie gekommen ist, ist ein neuer Strang des “Zombieviruses” gekommen. Geschrieben ist das Buch komplett aus der Sicht einer Gruppe von Charakteren, welche in dieser Welt leben, und zwar als eine Art nützliches Handbuch für den frisch verstorbenen. Denn die Toxischen bilden seid Anbeginn der zeit eine geheime Kultur, welche sich in den Schatten der unseren versteckt, und sich parasitär von der unseren ernährt. Schließlich sind nicht alle Zombies so, wie wir sie uns vorstellen. Es gibt zwar die hirnlosen Schlürfer, welche sich stöhnend und unaufhaltsam vom Fleisch der Lebenden laben wollen, aber ab und an gibt es auch jemanden, dessen Hirn nicht völlig vom Virus zersetzt wird, der genug Verstand und Persönlichkeit zurückbehält um Teil der “Pax Purgis”, der globalen Verschwörung der Toxischen zu werden. Die Pax hat ein… “Waffenstillstandsabkommen” mit den Vereinten Nationen abgeschlossen – natürlich so geheim das davon unsereins nichts mitbekommen hat – um zu verhindern das es jemals zu einem großen, katastrophalen Ausbruch kommen kann. Dem Gegenüber steht eine Gruppe von Toxischen, welche sich selbst die Zaraza nennt, und versucht das Ereignis einzuläuten, das sie als die “Ninth Extinction” bezeichnen, dem finalen Ausbruch des Zombieviruses, an dem die Welt der Lebenden zugrunde gehen soll. Natürlich gibt es innerhalb der Pax eine Reihe von sich gegenseitig ausschließenden Philosophien, aber am entscheidendsten ist der Konflikt der Alten gegen die Jungen – jener Zombies die es seid zum Teil Jahrhunderten schaffen zu überleben gegen die Masse der frisch verstorbenen, welche aber politisch kaum Gewicht zu haben scheinen. Und natürlich steigt die persönliche Macht eines solchen Alten, je länger seine Existenz sich fortsetzt. Außerdem gibt es verschiedene Arten der Toxischen – wie jeder andere Virus auch ist auch dieser im Laufe der Jahrhunderte und Jahrtausende mutiert, und hat verschiedene Stränge erzeugt, welche ihren Wirten verschiedene Kräfte geben – wobei sich die Stränge oftmals in einem Wirt vermischen. Nun mag man sich vielleicht fragen, warum Zombies sich zu einer Kultur zusammenrotten sollten, wofür braucht denn einer der Toten Gesellschaft? Nun, zum einen einfach auch aus psychologischen Gründen – geteiltes Leid und so. Zum anderen gibt es noch das zentrale Element der Pax – Purgis, die Reinigung. In jedem der Toxischen sammelt sich nach und nach eine Substanz namens Odium an, und je mehr Odium der Toxische in sich trägt, desto mehr wird er zur hirnlosen Fressmaschine, welche wir aus den einschlägigen Filmen kennen. Um dieses Odium also abzubauen veranstalten die örtlichen Herrscher des Pax ein mal im Monat ein kollektives Ritual, das Purgis, damit alle Toxischen in der Region ihr Odium abbauen können.

Das sind die groben Züge des Settings von I am Zombie, natürlich gibt es davon noch jede Menge, aber wir sollten uns doch langsam auch dem Regelwerk des Spiels zuwenden. Dafür legen wir unser Buch zur Seite, und greifen zu der Pappschachtel, welche den Titel trägt…

I am Zombie Play Kit
Das Play Kit kommt in einer stabilen Pappschachtel, welche für den Inhalt allerdings etwas überdimensioniert erscheint. Wir bekommen in dieser Schachtel:

  • ein Heft mit den Regeln des Axiom-Systems
  • zwei Bögen aus dicker Pappe mit Tokens
  • ein kleines Notizbuch, “The toxic journal”
  • zwei Packungen mit Karten
  • ein Beutel mit acht Würfeln

Fangen wir mit dem Regelheft an. Dieses Heft ist insgesamt 32 Seiten lang, komplett in Farbe, und auf etwas stabilerem Papier gedruckt als das oben besprochene Grundregelwerk. Layouttechnisch ist es weniger… unaufgeräumt als das Buch, dafür mit so gut wie keinem Artwork. Der Text beginnt mit der üblichen “was ist ein Rollenspiel?” Nummer, um dann auf die Kleinigkeiten einzugehen, welche das Axiom-System zu etwas besonderem machen. Das führt uns auch direkt zu den eigentlichen Regeln, welche hier in 27 “Axiomen” zusammengefasst werden – man kann sich schon denken das wir es hier mit einem System zu tun haben, welches eher erzählerisch orientiert ist. Charaktere werden erschaffen, in dem der Spieler fünf Karten zieht, und aus den verschiedenen Elementen, welche auf den beiden Seiten der Karten enthalten sind, erschafft man seinen Charakter. Dadurch ist die Charaktererschaffung eine ungewöhnliche Mischung aus zufälliger und geplanter Erschaffung. Zur Konfliktlösung bietet das Axiom-System zwei Ansätze: einmal Kartenbasiert, wobei geprüft und verglichen wird, wie viele Karten einer bestimmten Farbe, welche einem passenden Attribut zugeordnet ist, der Charakter hat. Die andere Option sind die in der Box enthaltenen Würfel – hierbei würfelt der Spieler so viele Würfel wie er Karten vor sich liegen hat, und muss dabei einen vom Spielleiter vorgegebenen Schwierigkeitswert übertreffen. Die weiteren Spielregeln bauen auf diesen sehr einfachen Grundlagen auf, und das heft enthält sogar Hinweise dazu, wie man I am Zombie auch als LARP spielen kann.
Die Tokens, welche im Play Kit enthalten sind, sind sogenannte Bump Chips, welche als Bonus für gutes Rollenspiel oder besonders erfolgreiche Proben vergeben werden, und dem jeweiligen Spieler die Möglichkeit geben, das Spiel auf eine bestimmte Art und Weise zu beeinflussen. Karten und Würfel wurden bereits weiter oben kurz angesprochen, vor allem die Karten stellen den kern des Axiom-Systems da. Als letztes bleibt das Toxic Journal. Dieses kleine Büchlein ist einerseits ein Charakterbogen (mit genügend Spezialseiten um die Charaktere der Mitspieler ebenfalls mit zu notieren), anderseits eine grobe Kurzübersicht über die wichtigsten Spielbegriffe, und über das Setting so weit wie es ein neuer Charakter wissen sollte. Außerdem ist es ein Notizbuch.

Fazit:
I am Zombie ist ein ungewöhnliches kleines Monster. Das Buch präsentiert eine überraschend tiefgründige und vielseitige Welt, in der die Toxischen agieren, und ist eine faszinierende Lektüre, eine Spielwelt, welche sich auch genauso gut mit Savage Worlds, den Chronicles of Darkness, oder einem beliebigen anderen System spielen lassen dürfte. Es ist allerdings auch nicht ganz ohne Schwächen. So wird bei der Lektüre sehr schnell deutlich das es sich hierbei um Rein*Hagens Versuch handelt, nochmal an den Ursprung zurückzukehren, und sein bekanntestes Spiel, Vampire: the Masquerade, neu zu erfinden, es irgendwie “besser” zu machen – aber halt mit Zombies. Die ganzen bekannten Elemente sind da, man erkennt sehr schnell die Parallelen wieder, welche hier erdacht wurden. Was den geneigten Spielleiter am Spieltisch noch viel mehr stören dürfte sind allerdings das fehlende Inhaltsverzeichnis und der fehlende Index – in meinen Augen Todsünden bei einem Buch, welches am Spieltisch Verwendung finden soll, und in dem die Spielgruppe möglichst schnell Informationen finden soll.
Das Play Kit ist noch schwerer wirklich angemessen zu beurteilen. Im Gegensatz zum Buch stellt es ein komplettes Spiel da, aber ohne die Settinginformationen wird es schwer zu erkennen, was man denn damit anfangen soll. Auch erscheint mir das Axiom-System etwas arg schwachbrüstig, und das sage ich als jemand, der als Spielleiter einfache, regelarme Systeme schätzt. Allerdings ist das Play Kit auch nichts, das man kaufen muss um I am Zombie zu spielen – zum einen, weil wie bereits erwähnt das Settingmaterial systemfrei präsentiert wird, zum anderen kann man das Axiom-System auch kostenlos über DrivethruRPG beziehen, zusammen mit ein paar grundlegenden Zusatzmaterialien – wer also sich selbst einen ersten Einblick über das Spiel verschaffen möchte, kann dort fündig werden.
Was bleibt also zu sagen? Wer ein obercooles Untotenschnetzelspiel sucht ist hier falsch. I am Zombie versteht sich als ein Setting, welches zum Nachdenken anregt, und welches unserer modernen Gesellschaft ein finsteres, zerbrochenes Spiegelbild entgegenhalten möchte, ähnlich wie der Autor es vor über 25 Jahren schon einmal mit der Welt der Dunkelheit getan hat. Wer bereit ist, sich darauf einzulassen, sollte sich I am Zombie anschauen. Wir sind auf jeden Fall gespannt, wo es mit I am Zombie hingehen soll, schließlich haben Autor und Verlag bereits angekündigt, sie hätten einen langfristigen Plan um die Spielwelt weiter zu entwickeln.

3 Kommentare zu I am Zombie

  1. Uhh, und in Kürze auf Deutsch.

  2. Hört sich interessant an, auch wenn es nur eine “Neuverwurstung” von Vampire ist. Bietet I Am Zombie wirklich nichts neues, also jetzt in relation zu Vampire?

  3. Night Haunter // Januar 5, 2018 um 17:04 // Antworten

    Ich habe jetzt 5 Spieleabende als Toxischer erlebt und ich muss sagen, es hat mir sehr gut gefallen ^^
    Habe die Geschichte meines Charakters auch in Text zusammengefasst, sollte jemand Lust haben es zu lesen: https://gilead-verein.at/forums/topic/i-am-zombie-die-geschichte-meines-unlebens/

1 Trackbacks & Pingbacks

  1. I am Zombie auf Deutsch | Greifenklaue's Blog

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