Herr der Ringe – Das Kartenspiel

Taktische Koop-Abenteuer in Mittelerde

Das Herr der Ringe Kartenspiel verbindet das Living Card Konzept mit einem kooperativen Spielprinzip und bedient damit gleich zwei Aspekte die mich außerordentlich reizen. Die Idee ein Koop-Spiel durch neue Kartensätze zu erweitern und so eine schier unbegrenzte Möglichkeit an Abenteuern zu haben die sich durch Kartensätze definieren dürfte wildeste Möglichkeiten bieten. Dass das Spiel dann auch noch in Mittelerde spielt hat es dann fast zu einem Pflicht- oder Blindkauf für mich gemacht.

Grundidee

Grundlegend übernehmen 1-2 Spieler die Führung über eine Heldengruppe die ein Abenteuer erlebt. Jeder Spieler führt dabei im Zwei-Spieler Spiel etwa die halbe Heldengruppe die er durch ein eigenes Deck voller Sonderaktionen, Ausrüstungen und Verbündeter unterstützen kann. Zusammen (oder eben Alleine) stellt man sich einem Abenteuer das durch 3-5 Questkarten definiert ist, die nacheinander abgearbeitet werden. Der Questkartensatz bestimmt außerdem mehrere Gefahrenkartensätze mit Monstern, Fallen und anderen Unangenehmlichkeiten die der Heldengruppe in dem Abenteuer entgegenschlagen können. Dadurch ist extremer Abwechslungsreichtum gegeben, da kein (oder kaum?) ein Abenteuer den gleichen Kartensatz verwendet und dieser mit etwa 60 Karten auch noch sehr umfangreich ist. Zusätzlich werden einige Karten auf mehrere Weisen genutzt. Auch wir Helden selber profitieren von der Living Card Idee. Wir konstruieren ein Deck und wählen unsere Helden und Unterstützungskarten je nach Karten- bzw. Finanzvorrat frei aus. Der Deckbau orientiert sich dabei an einer oder mehreren abstrakten Sphären wie Geist, Taktik, Führung oder Wissen die ihre eigenen Karten und Helden haben. Die Helden spucken dabei gleich die Ressourcenpunkte für die passende Sphäre aus, so das Helden und Unterstützungskarten notwendig zusammengehen. Kurzum: Wie bei jedem anderen Living- oder Sammelkartenspiel haben wir eine potentielle Unendlichkeit an Variationen zur Verfügung um das Spiel zu bestreiten. Das als Koop ist meines Wissens nach einzigartig.

Spielprinzip

Grundsätzlich ist das Herr der Ringe Kartenspiel ein Abenteuerspiel.Wie bereits gesagt begehen wir mit unserer Gruppe eine Quest die durch die Questkarten in verschiedene Etappen aufgeteilt ist. Haben wir alle Questkarten erfüllt gewinnen wir das Spiel. Jede Runde beginnt daher auch nach den üblichen Verwaltungsangelegenheiten, also Ressourcensammeln und dem Ausspielen von Unterstützungskarten mit einer sogenannten Questphase. Hier weisen wir Helden der aktiven Questkarte zu und erschöpfen (tappen) die questenden Helden. Ist der Mut aller Helden größer als die Bedrohungswerte der gerade vor uns liegenden Gefahren – von denen wir zu Beginn natürlich nicht alle kennen – haben wir „gequestet“. Die Differenz von unserem Mut zur Bedrohung gibt uns dann Fortschrittsmarker die bei einer gewissen Anzahl die nächste Karte eröffnen. Leider erschöpft sich darin – mit Ausnahme von leicht veränderten Bedingungen und Sondereffekten – auch das Questen. Wer also eine Story sucht die über kurze Flufftexte hinausgeht und abwechslungsreiche Abenteuermechanismen will wird enttäuscht werden. Es handelt sich beim HdR LCG im Endeffekt um ein taktisches Abenteuerspiel. Der größte Teil der Runde wird nämlich letztendlich auf das Kämpfen verwandt. Es lauern gewisse Gefahren auf uns denen wir uns früher oder später stellen müssen und die meist in Form von Monstern daherkommen. Werden diese auf uns aufmerksam kommt es zu einem Angriff auf unsere Gruppe dem wir uns auf etwas ungewohnte Weise stellen müssen. Zuerst sollten wir einen unerschöpften Helden bestimmen der den Schaden des Angreifers verteidigt. Dann können wir in einer späteren Phase einen anderen bestimmen der das Monster angreift. Das Kampfsystem ist dabei enorm simpel. Jeweils gilt Angriffsstärke – Verteidigung = Schaden. Spannung kommt dadurch hinein das jeder Gegnerkarte eine zufällige Gefahrenkarte verdeckt zugewiesen wird die Sondereffekte auslösen kann. Damit werden diese Karten auf verschiedene Weisen angewendet, da der Effekt der Karten als Unterstützungen ein anderer ist als wenn sie normal ausgespielt würden. Etwas unstimmig wird der Kampf leider dadurch das die Gegner ziemlich genau zwischen den Helden der beiden Spieler unterscheiden können. Sie kämpfen also immer nur gegen die halbe Gruppe und nur Fernkämpfer können sich beim Mitspieler einmsichen. Spieltechnisch ist das sinnvoll, geht man aber davon aus das eine Heldengruppe zusammen reist wirkt es etwas gekünstelt.

Tatsächlich lässt sich zumindest der Ablauf der einfachen Missionen durch Verstärken, Questen und Kämpfen kurz und knapp beschreiben. Im Kern haben wir es mit einem taktischen Kampfsystem zu tun bei dem außer Monstern noch andere abstrakte Gefahren lauern und das um das Questen erweitert wird. Wir müssen also im Kern entscheiden welche Helden wir für den Fortschritt im Spielverlauf (=Questen) erschöpfen und welche wir zum Angreifen oder Verteidigen frei halten. Dadurch bietet das Spiel durchaus viele taktische Möglichkeiten. Dies ist besonders wichtig da wir hier nicht gegen einen menschlichen Gegner spielen der durch seine eigene Taktik eine Schwierigkeit darstellt sondern letztlich auf eine zufällige Situation geschickt reagieren müssen. Wären die Optionen hier zu eindeutig würde das Spiel wirklich auf ein bloßes abarbeiten von Etappen hinauslaufen. Da jeder Held so auf mindestens 3 Weisen genutzt werden kann und zusätzlich meist noch einen Sondereffekt besitzt der ebenfalls erschöpfend ist stehen wir vor einigen uneindeutigen Entscheidungen. Soweit ist die Mechanik gut gelungen.

Taktische Abenteuer

Wie ich schon geschrieben habe „reduziert“ sich das Spiel auf ein im Kern taktisches Spiel, bei dem wir eben gegen Monster (und etwas mehr) zusammen kämpfen anstatt uns wie bei Magic oder Invasion die Monster gegeneinander um die Ohren zu hauen. Das ist für sich durchaus gut gelöst, es fehlt für mich aber etwas. Die Decks ergeben keine geschickt verzahnten Gefahrensituationen sondern thematisch passende Gegner mit einer Auswahl an Sondereffekten. Auch ist das Questen in dieser Reduktion extrem abstrahiert und löst keinerlei Handlung oder Vorstellung aus. Im besten Fall stellen wir uns vor wie wir einen Weg zurücklegen und dabei von Gefahren beharkt werden. Dennoch ist das Spiel schon etwas mehr als bloßes Monsterhauen. Neben Monstern gibt es Fallen, bzw. Hinterhalte die uns betreffen können und thematisch eingebunden sind. Auch gibt es Orte die wir bereisen können und als solche Umwege (in Form von zusätzlich nötigen Fortschrittsmarkern) sind aber häufig auch kleiner Vorteile bieten. Diese Aspekte sind mechanisch geschickt gelöst, bleiben aber hoch abstrakt.

Dieser Punkt ist für mich vielleicht auch eines der größten Probleme. Auch wenn sich sichtlich bemüht wurde die passenden Charaktere, Gegenstände und Situationen aus den Romanen mit passenden Effekten auszustatten reduzieren die sich letztlich alle auf taktische Vor- oder Nachteile. Eine Rast an einer Waldlichtung frischt einen Helden auf (enttappt ihn), Boromirs Horn gibt eine Ressource für jeden toten Charakter und Legolas erhält zusätzliche Fortschrittsmarker wenn er einen Gegner besiegt. Das Ganze hat mit dem Herr der Ringe oft nur Stichworte gemein die irgendwie passen, aber eben keine Handlung oder gar Immersion ermöglichen. Überhaupt ist es für mich nicht ganz passend die Herr der Ringe Thematik für ein Gruppenkampfspiel zu verwenden. Habe ich den Herrn der Ringe halbwegs richtig im Kopf sind Kämpfe und Konflikte eher am Rande relevant und wird den meisten Kämpfen eher aus dem Weg gegangen oder sie werden durch eine List gewonnen. Dass das Spiel dann im Kern aus einem Kampf gegen Orks, Riesenspinnen und anderem Geschmeiss besteht bei dem eine recht bunt gemischte Truppe eine Botschaft durch den Düsterwald trägt wird der Vorlage für mich nicht ganz gerecht.

Fazit

Auf der Grundlage des Startersets bin ich mit dem Herr der Ringe Kartenspiel nur bedingt zufrieden. Das bedeutet aber nicht das es sich um ein schlechtes Spiel handelt. Ich habe mir spannende modulare Abenteuer erhofft an die man sich erinnert und die spannende und stimmige Situationen erzeugen. Genau das kann (und will?) das Spiel jedoch nicht leisten. Was es schafft ist dafür ein gutes, angenehm simples aber optionsreiches kooperatives Taktikspiel zu sein. Wer Deckkonstruktion mag und sich gerne zu zweit gegen ein Abenteuer messen möchte ist hier perfekt aufgehoben. Er oder sie kriegt potentiell unendlich viele stimmige Karten um ein mächtiges Deck zu bauen und zahllose Zyklen durch die er oder sie sich kämpfen kann. Während die drei Abenteuer des Grundspiels für mich keine allzu große Abwechslung bedeuten kann ich zumindest den Abwechslungsreichtum der vier Sphären positiv hervorheben. Obwohl man im Starterset nur vier dünne Decks bekommt sind die Sphären klar unterschieden und spielen sich abwechslungsreich.

Gerade die Option sich für verhältnismäßig kleines Geld neue Abenteuer zu kaufen und dadurch sogar ältere aufzuwerten lässt mich durchaus mit dem Gedanken spielen mehr davon zu wollen. Dennoch ist der Funke noch nicht so ganz von Saurons Auge auf mich übergesprungen, wobei ich hoffe das mein Ersteindruck vielleicht mit der ein oder anderen Erweiterung nach oben korrigiert wird.

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