Denn sie wissen nicht was sie tun

Ein kritischer Blick auf unbezahlte Arbeit im Rollenspiel

Eigentlich sollte ja hier eine Rezension heute stehen, aber ich muss diesen Artikel gerade vorziehen, bzw schreiben, da er mir echt auf dem Herzen liegt. Der Stein des Anstoßes war eine Ankündigung eines Verlages, doch in Zukunft Produkte durch die Fans kostenlos produzieren zu lassen (s.h hier). Vielen dürfte aber leider nicht klar sein, welche Folgen so eine Ankündigung haben kann.

Schauen wir uns doch einmal an, was die Wissenschaft zu so einer Tätigkeit sagt. Ich habe im Netz einen schicken Bericht gefunden, der sich sehr ausführlich mit dem allgemeinen Thema der unbezahlten Arbeit (vornehmlich der Arbeit, die Frauen im Haushalt leisten) beschäftigt. Für diejenigen Leser, die sich nicht durch einen Fachtext abschrecken lassen, hier der Link. Das Phänomen unbezahlte Arbeit ist beileibe nicht auf Haushaltstätigkeiten beschränkt, sondern umfasst in einem zweiten großen Feld das freiwilliges Engagement, mit dem besagter Verlag hier wirbt. Und dieses freiwilliges Engagement ist in der Wirtschaft nicht unbekannt. Wohl bestes Beispiel, weil es jedem Leser etwas sagen dürfte ist IKEA. Zwar produziert der Betrieb noch das Produkt, aber die endgültige Fertigstellung übernimmt der Konsument. In der Fachsprache heißt ein solches Subjekt Prosument, also ein Konsument, der sein eigenes Produkt erschafft. Und das ist inzwischen ein ganzer Forschungszweig geworden, und wird besonders gerne im Bereich der IT genutzt.

Wo aber ist dann das Problem? Wenn das eh alle machen? Gerade die ganz großen? Warum nicht auch die kleinen und in unserem Hobby?

Das Problem sind die langfristigen Entwicklungen, welche durch eine solche Prosumertätigkeit entstehen. Shadom hat vor einiger Zeit einen Artikel über seine Illustratortätigkeit hier auf dem Blog eröffnet, der eine rege Diskussion ausgelöst hat und ein wenig das Problem zeigt. Es ist nämlich so, dass zwar kurzfristig damit ein kostengünstiges Produkt hergestellt werden kann und daher in kurzfristiger Sicht natürlich ein Maximierungsziel vom Verlag erreicht wird, aber langfristig die Preise zerstört werden.
Durch das nun wesentlich günstigere Produkt, welches ja durch die unbezahlte Fan-Arbeit weit unterhalb vergleichbarer Produkte, die durch bezahlte Arbeit entstanden sind, auf dem Markt angeboten werden kann, lernen die Konsumenten, dass es auch günstig geht. Diese “Verlag xy hat das Produkt aber für einen 10ner rausgebracht” Lernerfahrung führt dauerhaft zu einem weitaus geringerem Willen, einen höheren Preis zu bezahlen. Dürfte jeder hier schon bei sich selbst festgestellt haben, wenn ein Produkt plötzlich deutlich mehr kosten soll. Das wiederum führt aber dazu, dass andere Verlage ihre Produkte nicht mehr in der Menge abgesetzt bekommen, die sie erwarten und daher entweder kleinere Margen produzieren (eine Möglichkeit, die aufgrund der steigenden relativen Fixkosten pro weniger produziertem Produkt nicht beliebig machbar ist) oder ebenfalls den Trick der unbezahlten Arbeit anwenden müssen. Damit entsteht nun ein Teufelskreis, der jene Verlage, die ihren Mitarbeitern oder Freiberuflern einen Lohn zahlen möchten, aus dem Markt vertreibt und jene Verlage bestehen lässt, die Arbeit unbezahlt erledigen lassen.
Das alleine ist auf einer menschlichen Ebene schon schlimm genug. Eine zweite Folge ist jedoch die sinkende Qualität. Dies ist ebenfalls ein Phänomen, was sich jeder selbst ausmalen kann, wenn er mal darüber nachdenkt, wie lange Produkte halten, die er günstig gekauft hat, im Gegensatz zu jenen, die teuer erworben wurden. Und auch im Rollenspielbereich ist es nun mal so, dass nicht jeder ein genialer Autor/Illustrator/Lektor ist, nur weil er seine Arbeit ohne Bezahlung anbietet. Eher im Gegenteil. Langfristig nimmt also die Qualität der Rollenspielprodukte durch unbezahlte Arbeit ab, da fähige und ausgebildete Arbeiter dem Bereich fern bleiben und ihre Arbeitskraft lieber in einem anderen Sektor anbieten.

Jetzt ist es natürlich nicht so, dass jedes Fan-Produkt gleich zum Untergang des Rollenspielabendlandes führt. Natürlich kann man als Fan immer noch hingehen und selbst etwas übersetzen, um etwa sein geliebtes Produkt in der breiten Masse bekannt zu machen in der Hoffnung, dass es dadurch mehr Beachtung erlang. Der kritische Faktor ist jedoch, wenn solch eine Aufforderung durch einen Produzenten erfolgt, von dem man marktwirtschaftlich annehmen muss, dass er sein Einkommen maximieren möchte. Natürlich können auch alleinige Fanprodukte, so sie eine breite Masse erreichen oder es eine breite Masse von diesen gibt, ebenfalls zu oben geschilderten Folgen führen, aber ein Verlagsaufruf ist in diesem Fall von selbst schon Ebenen weiter auf der Verfallsskala.

Gerade Illustratoren, Übersetzer und Fotografen werden das Problem hier genau gesehen und auch früher schon festgestellt und sich ziemlich sicher über Threads in Foren ala “schau mal, ich hab hier für einen 5er eine Titelillu gemacht! Mein Bild ist auf dem Cover! Ist das nicht cool?” gehörig geärgert haben. Ich hoffe mal, dass ich für alle, die solchen Ärger dann auch hoffentlich direkt abbekommen haben, hier etwas näher erläutern konnte, warum dieser Ärger völlig berechtigt war und dass sich Fans eines Produktes in Zukunft bitte dreimal überlegen ob eine in ihren Augen ja nur “ehrenamtlich” ausgeübte unbezahlte Tätigkeit wirklich langfristig für den Erhalt des Produktes und der Qualität des Produktes sorgt, oder nicht.

3 Kommentare zu Denn sie wissen nicht was sie tun

  1. Sehr guter Artikel :-) Und volle Zustimmung meinerseits!

  2. Huh! Das unser Hobbysektor in erster Linie über großes Selbstausbeuten seitens der Macher abläuft, sagen dir ja mittlerweile einige der Schreibenden mehr oder weniger offen. Das ist Mittlerweile dann aber wirklich übel.

    Von daher ist es gut, dass du diese Position ausleuchtest.

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